Hunderttausende Menschen sind am Wochenende des 20. und 21. Januars 2024 gegen Rechtsextremismus auf die Straßen gegangen. Auch in Hamburg fand bereits am 19. Januar 2024 eine große Demonstration statt. Online kursiert nun die Behauptung, ein Foto der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sei manipuliert worden. Auch die AfD verbreite diese Meldung. Die dpa widersprach der Beschuldigung öffentlich. Unterschiede zu anderen Aufnahmen ergeben sich aus den Aufnahmewinkeln.
„Beim ZDF wird die Meldung einer sehr großen Demo gegen die AfD in Hamburg ‚belegt‘ mit einer Fotoshop-Lüge, bei der Hunderte Demonstranten ‚AUF‘ die Alster gestellt werden!!“, heißt es in einem Beitrag auf Facebook vom 21. Januar 2024. Darunter sind zwei Bilder aus unterschiedlichen Perspektiven vom Hamburger Jungfernstieg zu erkennen, der an der Alster liegt.
Eines der Bilder wurde von der Nachrichtenagentur dpa gemacht und von vielen Medien zur Berichterstattung über das Ereignis verwendet. Der Vergleich der beiden Fotos belege angeblich, dass das vielfach verwendete Bild manipuliert sei, da die Menschen im Wasser stünden.
Die Behauptung wird auch in zahlreichen Beiträgen auf X verbreitet. Vor allem die Beiträge des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke in seinen offiziellen Kanälen auf X, Facebook und Telegram erreichten tausende Nutzerinnen und Nutzer.
In Reaktion auf eine kürzlich veröffentlichte Recherche des Investigativ-Kollektivs „Correctiv“ über ein Geheimtreffen in einer Villa in Potsdam, bei dem Pläne zur Massendeportation von Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert wurden und an dem Rechtsextreme und AfD-Politiker sowie zwei Mitglieder der Werte Union teilgenommen hatten, haben in zahlreichen deutschen Städten Demonstrationen mit insgesamt hunderttausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern stattgefunden.
Im Bild, das im Beitrag von Höcke eingebettet ist, ist die dpa als Quelle des Fotos angegeben. Die Nachrichtenagentur kommentierte den Beitrag von Höcke mit einem öffentlichen Dementi: „Es handelt sich bei dem von @ZDFheute veröffentlichten Bild um ein Original-@dpa-Foto, an dem selbstverständlich nichts manipuliert wurde.“
Eine Geolokalisierung zeigt, dass das Foto vom Ballindamm aus aufgenommen wurde. Die leicht erhöhte Perspektive und das Schild einer U- und S-Bahnstation am unteren Bildrand lassen vermuten, dass die Aufnahme aus der Europapassage heraus gemacht wurde.
Zahlreiche Posts suggerieren durch den Vergleich des Fotos mit einer weiteren Perspektive, dass das Foto der dpa manipuliert sei. Die beiden Blickwinkel lassen sich mit Google Maps annähernd rekonstruieren. Aus diesem Winkel kann man auch auf Google Maps die Wasserfläche der Alster nur erahnen:
Als Vergleich wird ein Foto aus einem X-Beitrag des Hamburger Senats geteilt, dessen Perspektive sich ebenfalls auf Google Maps nachbilden lässt:
Während von der erhöhten Perspektive aus die Breite des Jungfernstiegs gut erkennbar und die Kleine Alster links im Bild erkennbar sind, ist die Kleine Alster vom niedrigeren Standpunkt aus nicht zu sehen.
Martin Steinebach, Leiter der Abteilung Media Security und IT Forensics am Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT erklärte in einem Gespräch mit AFP am 22. Januar 2024 ebenfalls, dass sich die Falschbehauptung durch die Perspektive des Fotos erklären lässt. Würde man eine Linie ausgehend vom Fluchtpunkt an der Ecke des Eckgebäudes am Jungfernstieg zum unteren Bildrand ziehen – dort, wo der Jungfernstieg über die Binnenalster und die Kleine Alster führt – „würde sie entlang der Leute verlaufen“.
Viele Menschen auf der Demonstration in Hamburg
Auch Medienberichte bestätigen eine große Anzahl Protestierender auf der Demonstration am 19. Januar 2024 in Hamburg. Ein Videobeitrag des Norddeutschen Rundfunks über den Protest zeigt gleich zu Beginn die fragliche Stelle am Jungfernstieg:
Darüber hinaus ist in zahlreichen Medien darüber berichtet worden, dass die Versammlung wegen Sicherheitsbedenken durch unerwartet viele Demonstrierende abgebrochen wurde. Demnach gibt die Polizei die Teilnehmerzahlen mit rund 50.000 Personen an, laut Veranstalter kamen 80.000 Menschen zur Kundgebung.
Da diese Zahlen stets Schätzungen sind und diese durch unterschiedliche Zählweisen zustande kommen, wie beispielsweise der Nachrichtenkanal „News WG“ des Bayerischen Rundfunks auf Instagram erklärt, schwanken offizielle Zahlen von Protesten.
Auch für AFP berichtete eine Journalistin über die Demonstration in Hamburg. Sie verfolgte die Kundgebungen zwischen der Binnenalster und der Kleinen Alster und bestätigt den großen Andrang an Demonstrantinnen und Demonstranten. „Es war so voll, ich konnte mich dort kaum bewegen“, sagte sie. Zum Vergleich der beiden Bilder, der online verbreitet wird, erklärte sie, es liege an der unterschiedlichen Perspektive, aus der die Aufnahmen gemacht wurden, dass es so aussieht als stünden Menschen auf dem Wasser.
Fazit: Bei einer Demonstration gegen Rechtsextremismus kamen zehntausende Protestierende am 19. Januar 2024 in Hamburg zusammen. Ein Foto der dpa von der Kundgebung ist jedoch nicht manipuliert. Vergleiche mit anderen Perspektiven und Google Maps zeigen, dass es lediglich durch den Blickwinkel so wirkt, als stünden Personen auf der Kleinen Alster am Jungfernstieg.