Die 54.Jahreskonferenz des Weltwirtschaftsforums (WEF) findet vom 15. bis 19. Januar 2024 in Davos in der Schweiz statt. Daran nimmt auch WEF-Gründer Klaus Schwab teil. Ein für seine satirischen Beiträge bekannter Content Creator veröffentlichte ein Video, in dem er angeblich selbst an der Konferenz teilnimmt und Schwab beschimpft. Obwohl es als Satire gekennzeichnet hochgeladen wurde, wurde das Video in sozialen Medien vielfach ohne diesen Hinweis geteilt. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass sich diese Szene auf dem Gipfel zugetragen habe. Der Content Creator Damon Imani ist zudem kein Teilnehmer der Konferenz und erklärte auf mehreren Plattformen, dass es sich um Satire handele. Zudem gibt es im Video Ungereimtheiten, die auf eine Fälschung hindeuten.
Ein online viel geteiltes Video zeigt einen Mann, der scheinbar an einem Rednerpult der Jahreskonferenz des Weltwirtschaftsforums 2024 in Davos spricht. Es wurde am 17. Januar 2024 hochgeladen und auf Facebook, X, Telegram und Tiktok sowie Instagram bereits tausende Male angesehen und verbreitet.
In dem 19 Sekunden langen Clip ist ein Mann zu hören, wie er den Gründer des WEF, mit dem er die Bühne zu teilen scheint, auf Englisch beschimpft. Anschließend sieht man Schwab die Bühne verlassen. Das Video ist mit deutschen Untertiteln versehen. Die Beschreibungen in den Beiträgen zeigen, dass einige Nutzerinnen und Nutzer es für ein echtes Ereignis zu halten scheinen. „Endlich sagt es jemand“ oder „MUST SEE: Damon Imani auf der Bühne des #WEF in Davos“ sind dort beispielsweise zu lesen.
Das Video wird auf vielen Sprachen geteilt, darunter Ungarisch, Portugiesisch, Englisch und Polnisch. Auf X und Tiktok verbreitete auch der Schweizer Ignaz Bearth – Medien zufolge Sprecher der Anti-Islamisierungsgruppierung Pegida Schweiz und der rechtsorientierten Direktdemokratischen Partei Schweiz – das Video ohne den Hinweis, dass es sich um Satire handele. Ein AfD-Abgeordneter teilte dessen Beitrag.
Den Posts zufolge heißt der Mann im Video Damon Imani. Es wurde tatsächlich zuerst als Satire von dem Content Creator namens Damon Imani veröffentlicht. Er postet häufig Videos zu politischen Themen, die manchmal einen beleidigenden Tonfall haben. Es gibt keine Berichte über einen solchen Vorfall bei der Jahrestagung 2024 des Weltwirtschaftsforums. Die Szenen, die für das satirische Video verwendet wurden, sind in der offiziellen Berichterstattung über das WEF zu finden, ohne dass der Mann darin Obszönitäten schreit.
Urheber des Videos macht politische Satire
In dem Video ist ein Mann in einem Anzug zu sehen, der vor einem Hintergrund mit dem Logo des Weltwirtschaftsforums steht und an einem Rednerpult mit der Aufschrift „Annual Meeting 2024“ spricht. Er beginnt das Video mit den Worten: „Ich bin dem Weltwirtschaftsforum dankbar, dass es mir die Gelegenheit gibt, auf dieser Bühne zu stehen und meine Meinung zu sagen.“ Anschließend beschimpft er den WEF-Gründer Klaus Schwab. Nach einem Schnitt sind der Mann und Klaus Schwab, der neben Viola Amherd, der Präsidentin der Schweizerischen Eidgenossenschaft, sitzt, zu sehen. Es scheint, als ob sie sich auf derselben Bühne befänden.
Dann zeigt die Kamera Klaus Schwab, wie er sich von seinem Platz erhebt. Währenddessen ist noch immer die Stimme des Mannes zu hören, wie er Schwab und das Publikum der Veranstaltung beschimpft. Nach einem weiteren Schnitt sind Schwab und Amherd zu sehen, wie sie die Bühne verlassen, woraufhin das Bild auf den Text „Connection lost“ neben dem Logo des WEF 2024 und dem Schriftzug „@damonimani“ umspringt.
Die Szenen sind jedoch zusammengeschnitten und haben sich nicht wie im Video dargestellt zugetragen.
Eine Websuche nach „damonimani“ ergab verschiedene Social-Media-Konten, die mit diesem Namen verbunden sind, sowie eine Website (hier archiviert). Auf dieser Website schreibt Imani: „Damon Imani ist ein iranischer Produzent und Künstler mit Sitz in Dänemark, der Videoinhalte zu verschiedenen Themen erstellt, darunter gesellschaftliche Fragen, Nachrichten und aktuelle Ereignisse. Bekannt für seine satirische Herangehensweise, lenkt Imani mit seiner Arbeit die Aufmerksamkeit auf gesellschaftliche und politische Themen.“
Auf seinem Instagram-Konto findet sich dasselbe Video, das derzeit in sozialen Medien verbreitet wird, mit der Bemerkung „Satire, aber wahr“.
Er postete dasselbe Video mit demselben Kommentar „Satire, aber wahr“ auch auf seinem X-Account. In einem anderen X-Beitrag beschwerte er sich darüber, dass Leute versuchten, seinem WEF-Video Community-Notes hinzuzufügen (eine Funktion, mit der X-Nutzerinnen und -Nutzer zusätzliche Informationen und Kontext zu einem Beitrag liefern können), obwohl er klar gemacht hatte, dass es nur Satire war.
Imani hat mehrere Videos gepostet (einige davon bearbeitet), die ebenfalls die Person aus dem WEF-Video zeigen. Viele seiner Clips behandeln politische Themen und sind auf satirische Weise bearbeitet, indem Imani in das Filmmaterial eingefügt wird.
AFP bat Imani zu dem WEF-Video um eine Stellungnahme, erhielt bis zur Veröffentlichung dieses Artikels allerdings keine Antwort. Es ist nicht das erste Mal, dass ein satirisches Video von Imani aus dem Zusammenhang gerissen und mit der Behauptung verbreitet wird, es zeige ein reales Ereignis, wie in diesem AFP-Faktencheck zu lesen ist.
Bildmaterial aus offizieller WEF-Medienmitteilung
Das WEF, eine internationale Lobbyorganisation mit Fokus auf die Weltwirtschaft, ist immer wieder Gegenstand von Verschwörungsmythen, wie zum Beispiel, es habe zur Tötung von Haustieren zum Schutz des Klimas aufgerufen. Sein Gründer und geschäftsführender Vorsitzender, Klaus Schwab, ist ebenfalls immer wieder Ziel von Fehlinformationen. Das WEF hält jedes Jahr eine Konferenz ab, bei der Politikerinnen und Politiker sowie Ökonominnen und Ökonomen, aber auch Personen aus der Wissenschaft und Wirtschaft sowie internationale Organisationen zusammenkommen, um über globale Herausforderungen zu diskutieren.
Die Jahreskonferenz wird ausführlich durch Medienberichterstattung begleitet. AFP konnte keine Hinweise auf einen ähnlichen Vorfall wie im Video bei der diesjährigen Konferenz finden, über den seriöse Nachrichtenagenturen, darunter auch AFP, berichtet hätten. AFP konnte unter den Gästen und Rednern des WEF 2024 auf der Website der Veranstaltung niemanden namens Damon Imani finden. Auf der 54. Jahreskonferenz sprachen Gäste wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj oder der US-Außenminister Antony Blinken.
Die öffentlichen Panels der Konferenz 2024 werden auch auf dem offiziellen Youtube-Kanal des WEF veröffentlicht.
In den jüngsten Veröffentlichungen sind der Hintergrund und das Podium aus den irreführenden viralen Postings erkennbar. Allerdings gibt es auch Unterschiede zwischen der echten und der satirischen Version. Im satirischen Video sind vor Imani andere Mikrofone zu sehen als in offiziellen Videos der WEF-Konferenz 2024:
Außerdem scheint Imani ein kleines Mikrofon an seinem Anzug zu tragen, während die Redner der WEF-Konferenz 2024 in den öffentlich zugänglichen Videos keine zusätzlichen, mobilen Mikrofone haben, auch wenn sie an ihrem Platz sitzen:
Einige Szenen des viralen Clips scheinen dem Mitschnitt von Schwabs Eröffnungsrede entnommen zu sein (hier archiviert), das auf dem Youtube-Kanal des WEF hochgeladen wurde. Die Stelle, an der er im vielfach geteilten Clip aufsteht, ist ebenfalls im offiziellen Video zu sehen. Er geht aber tatsächlich zum Pult, anstatt die Bühne zu verlassen:
Auch die Szene, in der Klaus Schwab und Viola Amherd die Bühne verlassen, ist im offiziellen Video zu sehen, allerdings erst bei 27:07 und somit fast 20 Minuten später als die Szene, in der Schwab aufsteht:
Später veröffentlichte Imani ein weiteres Video, in dem er vor demselben Hintergrund und mit einem scheinbar blauen Auge zu sehen ist. In diesem Video, das von Imani ebenfalls als „Satire“ bezeichnet wird, entschuldigt er sich zunächst für sein voheriges Video und schreit dann wieder Obszönitäten.
Fazit: Ein vielfach geteiltes Video, in dem Klaus Schwab scheinbar auf der Jahreskonferenz des WEF 2024 beleidigend angeschrien wird, ist gefälscht. Der Content Creater Damon Imani lud es ursprünglich als Satire hoch. Ungereimtheiten wie ungleiche Mikrofone zeigen, dass das Video nicht echt ist.