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Covid-Impfungen bieten Schutz gegen Infektionen und schwere Erkrankungen

Covid-Impfungen bieten Schutz vor Infektionen und schweren Verläufen – auch Auffrischungsimpfungen. Dennoch behaupten User im Internet, dass eine Studie aus Cleveland angeblich belegen soll, dass mit jeder Impfdosis das Erkrankungsrisiko stiege. Ungeimpfte seien angeblich sogar weniger anfällig für Erkrankungen. Der Studienautor dementierte gegenüber AFP diese Behauptungen. Auch andere Experten erklärten einen klaren Vorteil aus den Covid-Auffrischungsimpfungen gegenüber Ungeimpften und deren Wirksamkeit.

User teilten die Behauptung Mitte Dezember 2022 auf Facebook und Twitter. Auf Telegram erreichte sie Zehntausende.

Die Behauptung: User behaupten: „Ungeimpfte sind weniger anfällig für Erkrankung. Jeder Booster erhöht das Erkrankungsrisiko.“ Als Beleg führen sie eine Studie der Cleveland Clinic oder eine Grafik daraus an.

Screenshot der Behauptung auf Facebook: 14. Februar 2023

Seit Beginn der Covid-Impfungen Ende Dezember 2020 kursieren zahlreiche Falschinformationen über die Impfstoffe und deren vermeintliche Nebenwirkungen. Über viele Monate in den Jahren 2020 und 2021 beherrschten die Coronapandemie und die Impfungen die Desinformationsnarrative, die oft der seriösen Nachrichtenlage folgten. Dabei wurden immer wieder komplexe Studien und Daten stark vereinfacht, falsch oder irreführend dargestellt. AFP hat zahlreiche Behauptungen über Covid-Impfungen hier bereits widerlegt.

Worum geht es in der Studie der Cleveland Clinic?

Der Link in den Postings führt zu einer Preprint-Studie, also einer Studie, die noch nicht von unabhängigen wissenschaftlichen Institutionen auf ihre Stichhaltigkeit geprüft wurde. Die Ergebnisse der Studie sind also mit Vorsicht zu lesen. Nabin Shrestha von der Abteilung für Infektionskrankheiten der Cleveland Clinic im US-Bundesstaat Ohio hat sie am 19. Dezember 2022 auf einem gesundheitswissenschaftlichen Preprint-Server federführend veröffentlicht.

Das wissenschaftliche Team hinter Shrestha versuchte mit der Studie herauszufinden, ob ein bivalenter, also ein an Coronavirusvarianten angepasster Impfstoff, vor Covid-19 schützt. Dafür wurden etwa 50.000 Mitarbeitende der Cleveland Clinic nach Impfungen über 13 Wochen beobachtet. 41 Prozent waren bereits vor dem Beobachtungszeitraum an Corona erkrankt und 83 Prozent bereits mindestens zwei Mal gegen Covid-19 geimpft. Rund 10.000 Mitarbeitende wurden am Ende der Studie geboostert. Insgesamt rund 2500 Mitarbeitende erkrankten in den 13 Wochen an Covid-19.

Die Stärke der Studie sei nach Angaben des Studienautoren die große Zahl an teilnehmenden Gesundheitsmitarbeitenden, die einen frühen Zugang zu Impfungen hatten. Allerdings zählt sie auch selbst einige Schwächen auf – so etwa, dass nur wenige ältere Personen und keine Kinder an der Studie teilnahmen. Auch könnten Daten über einige Teilnehmenden verzerrt sein, weil asymptomatische Covid-Vorerkrankungen nicht bekannt seien.

Studienergebnis: Covid-Impfung hat 30 Prozent Wirksamkeit

In der kurzen Zusammenfassung der Studie heißt es: „Unter 51.011 Mitarbeitern der Cleveland Clinic im erwerbsfähigen Alter war der bivalente Covid-19-Auffrischimpfstoff zu 30 Prozent wirksam bei der Verhinderung von Infektionen […]“ Den Schutz bezeichnet Shrestha in den Schlussfolgerungen zwar als „bescheiden“, stellt ihn jedoch nicht grundsätzlich infrage.

Zu der in sozialen Netzwerken geteilten Abbildung „Figure 2“ heißt es in der Studie: „Das Covid-19-Risiko variierte auch mit der Anzahl der zuvor erhaltenen Covid-19-Impfstoffdosen. Je höher die Anzahl der zuvor erhaltenen Impfstoffe, desto höher das Risiko, sich mit Covid-19 zu infizieren (Abbildung 2).“ Offenbar beziehen sich die Verbreiterinnen und Verbreiter der Behauptung auf diesen Satz, lassen aber den Rest der Studie außer Acht.

Studie benennt Unsicherheiten

Shrestha stellt in der Diskussion in der Studie einige Unsicherheiten heraus, die zu einer Über- oder auch Unterschätzung der Schutzwirkung der Impfung führen könnten.

Auch der Satz zum erhöhten Risiko wird in der Studie noch mal aufgegriffen: „Die Assoziation eines erhöhten Covid-19-Risikos mit einer höheren Anzahl früherer Impfdosen in unserer Studie war unerwartet. Eine vereinfachte Erklärung könnte sein, dass diejenigen, die mehr Dosen erhielten, eher Personen mit einem höheren Risiko für Covid-19 waren. Auf einen kleinen Teil der Personen könnte diese Beschreibung zutreffen.“

Eine weitere Erklärung in der Studie, die auch mit einer weiteren bisher nicht geprüften Preprint-Studie gestützt sei, ist die, dass „diejenigen, die eine Infektion mit der Omikron-Variante hatten, nachdem sie zuvor drei Dosen des Impfstoffs erhalten hatten, ein höheres Risiko einer erneuten Infektion hatten als diejenigen, die eine Infektion mit der Omikron-Variante hatten, nachdem sie zuvor zwei Dosen des Impfstoffs erhalten hatten“.

Schließlich heißt es: „Wir müssen noch viel über den Schutz einer Covid-19-Impfung lernen, und neben der Wirksamkeit eines Impfstoffs ist es wichtig zu prüfen, ob mehrere Impfdosen im Laufe der Zeit möglicherweise nicht die positive Wirkung haben, die allgemein angenommen wird.“ Und auch: „Die Wirkung mehrerer Covid-19-Impfstoffdosen auf das zukünftige Risiko von Covid-19 muss weiter untersucht werden.“

Studienautor dementiert Behauptung gegenüber AFP

AFP hat den federführenden Studienautor zu der Behauptung und seinen Studienergebnissen befragt. Am 17. Januar 2023 erklärte er, dass die Studie noch im Peer-Review-Prozess und nicht abschließend überprüft worden sei.

Zu den Unsicherheiten und der unerwarteten Risiko-Entdeckung wiederholte Shrestha den Satz, aber sagte auch: „Wir haben keine gute Erklärung für den Befund. Es ist verfrüht zu sagen, dass mehrfache Covid-Impfungen ein Risiko darstellen. Da es sich nicht um eine randomisierte klinische Studie handelte, könnte der Befund von einem nicht erkannten Störfaktor stammen. Ergebnisse wie diese müssen in anderen Studien in anderen Umgebungen verifiziert werden.“

Shrestha dementierte die in sozialen Netzwerken kursierende Behauptung jedoch klar: „Nein, die Studie unterstützt nicht die Grundannahme, dass ungeimpfte Menschen weniger anfällig für Covid-19 sind.“ Im Gegenteil: „Die Studie zeigte einen positiven Effekt. Es zeigte sich, dass der angepasste Impfstoff während des Studienzeitraums eine Wirksamkeit von 30 Prozent beim Schutz vor Covid-19 hatte.“

Die Pressesprecherin der Cleveland Clinic, Andrea Pacetti, erklärte ebenfalls am 17. Januar 2023 gegenüber AFP: „Die Impfung bleibt eine wichtige vorbeugende Maßnahme gegen Covid-19.“

Auch unabhängige Experten dementieren die Behauptung

AFP hat auch deutsche Experten zu der US-Studie und der kursierenden Behauptung befragt.

Luka Cicin-Sain vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung sagte am 30. Januar 2023 gegenüber AFP: „Mit den genannten Daten ist es eindeutig falsch zu behaupten, dass Ungeimpfte weniger anfällig für Covid sind.“

Mit Blick auf die Studie sagt er: „Diese Studie ist eher der Ausreißer. Es ist die Regel, dass Menschen nach einem Booster besser geschützt sind, aber Studien zeigen unterschiedliche Stärken dieses Effekts.“

Er verweist auf Daten der US-amerikanischen Centers of Disease Control and Prevention (CDC) über Covid-Infektionen und Todesfälle nach Impfstatus und erklärt: „Es zeichnet sich ein klarer Vorteil für die geimpfte Gruppe ab und ein etwas kleinerer, aber dennoch eindeutiger Vorteil für den Booster mit dem angepassten Impfstoff.“

Impfschutz vor Infektionen nimmt ab, nicht das Risiko

In den Altersgruppen 18 bis 29 und 30 bis 49 hätten die angepassten Booster zwar einen kaum erkennbaren Infektionsschutz, jedoch keinen Nachteil, weil sie vor tödlichen Folgen schützen würden.

Cicin-Sain geht von der Aufrichtigkeit der Studienautorschaft aus, benennt aber ähnliche Schwächen der Studie, wie auch in der Studie selbst genannt und schließt darüber hinaus auch Fehler nicht aus.

Eine Möglichkeit für verfälschte Ergebnisse könne laut Cicin-Sain zudem sein: „Die Studie zeigt lediglich die Ansteckungsgefahr und nicht das Risiko von schweren Verläufen. Die Ansteckung wird durch den zweiten Booster weniger verhindert, insbesondere in den jungen Altersgruppen.“

Ähnliches erklärte auch Andreas Radbruch, wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ), am 26. Januar 2023 gegenüber AFP zu dem fraglichen Satz aus der Studie: „Die Formulierung erscheint mir etwas tendenziös, denn sie suggeriert, dass das Risiko ‚gesteigert‘ wird durch die Impfung. In Wirklichkeit bieten zu häufige Impfungen nur keinen Schutz mehr vor Infektion, man hat dann das gleiche Risiko wie Ungeimpfte.“

Radbruch spricht hierbei allerdings nicht über die ersten Impfungen, sondern wie schon in dem Pressestatement von der dritten und vierten Impfung. Bei letzten liege der ohnehin vorübergehende Impfschutz nur noch bei zehn bis 30 Prozent, „einfach, weil die allermeisten Geimpften dann gar nicht mehr reagieren, weil ihre Blutantikörper den Impfstoff abfangen, bevor er eine Immunreaktion auslösen kann“.

Bereits vor Cleveland-Studie bekannt

Bereits am 21. Juli 2022, also vor der Cleveland-Studie, sagte er in einem Statement gegenüber dem Science Media Center, einem journalistisch arbeitenden Netzwerk zur Wissenschaftsvermittlung: „Die Bilanz der bisher durchgeführten vierten Impfung ist ernüchternd. Sie deutet darauf hin, dass drei Impfungen reichen, um ein stabiles immunologisches Gedächtnis gegen Sars-Cov-2 und seine Varianten aufzubauen. Es schützt uns langfristig gegen schwere Erkrankung und Tod, aber leider nicht vor Ansteckung.“

Zu der Behauptung aus den sozialen Netzwerken sagt er: „Ich kenne keine Daten, die zeigen, dass Ungeimpfte sich seltener anstecken als Geimpfte.“

Fazit: Die Behauptung, dass Ungeimpfte weniger anfällig für Covid-Erkrankungen seien, ist falsch. Ein schwindender Schutz ist nicht mit keinem Schutz vergleichbar. Experten sowie der Autor der als Beleg angeführten US-Studie widersprechen dem gegenüber AFP. Die ersten drei Impfungen bieten einen guten Schutz gegen Infektionen und schwere Krankheitsverläufe. Die Behauptung, dass jede Auffrischungsimpfung das Erkrankungsrisiko erhöhen würde, ist irreführend. Die als Beleg angeführte Studie zeigt lediglich, dass der Impfschutz vor Covidinfektionen ab der dritten Impfung abnimmt. Experten erklärten, dass der geimpfte Körper schlicht nicht mehr auf die Impfung reagiere. Mit ausbleibender Reaktion würde der ohnehin vorübergehende Impfschutz abnehmen. Damit steigt logischerweise das Infektionsrisiko. Einen Vorteil bieten die Covid-Impfungen dennoch – vor allem bei schweren Krankheitsverläufen.

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Corona, Gesundheit

Autor(en): Jan RUSSEZKI, AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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