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Das Great Barrier Reef ist massiv bedroht, trotz Korallenzuwachs

Das australische Great Barrier Reef machte wiederholt mit bedrohlichen Zahlen zur Korallenbleiche Schlagzeilen. Dennoch behaupten klimaskeptische Stimmen in sozialen Medien, dass im Jahr 2024 Höchstwerte beim Korallenzuwachs erreicht worden seien. Laut australischer Meeresbehörde wurden die Daten für 2024 jedoch noch gar nicht veröffentlicht. Expertinnen und Experten erklärten zudem, dass die reinen Zuwachsraten keine ausreichende Größe für die Gesundheit eines Riffes seien. 

„Passt nicht zur Propaganda, aber 2024 gibt es Rekordkorallenbewuchs für das Great Barrier Reef basierend auf offiziellen Daten“, schrieb ein Nutzer am 6. Juli 2024 auf Facebook. Dazu postete er eine Graphik mit Zuwachszahlen der Korallenbedeckung, die angeblich vom Australischen Institut für Meereswissenschaften (AIMS) stammen sollen.

Andere Nutzerinnen und Nutzer teilten ähnliche Aussagen und Zahlen auf Facebook, X und Telegram. Viele verlinken dabei auf einen Blogbeitrag des Europäischen Instituts für Klima und Enegie (EIKE). Auch in anderen Sprachen kursierte die Behauptung, darunter Englisch, Niederländisch und Französisch.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 12. Juli 2024

Der Verein EIKE betreibt einen deutschsprachigen Blog, der in der Vergangenheit bereist mehrfach mit  klimawandelleugnenden Artikeln aufgefallen ist (hierhier). Der dort am 2. Juli 2024 veröffentlichte Beitrag ist die Übersetzung eines Textes der australischen Autorin Joanne Nova. Im englischsprachigen Original erschien er zuerst am 29. Juni 2024. Nova hat in den vergangenen Jahren wiederholt die Auswirkungen der Korallenbleiche und der Ozeanversauerung auf die Meeresökosysteme abgetan.

Doch alle Behauptungen, den Korallen am Great Barrier Reef ginge es derzeit besser denn je, seien irreführend, erklärten Meeresexpertinnen und -experten gegenüber AFP.

Korallen leiden massiv unter Bleiche

„Jede Aussage, dass sich das Riff derzeit in seinem besten Zustand befindet, ist falsch – vor allem angesichts der jüngsten Bleiche, die viele Gebiete einschließlich des südlichen Great Barrier Reefs betroffen hat“, sagte Peter Mumby vom Zentrum für Meereswissenschaften der Universität Queensland gegenüber AFP am 8. Juli 2024.

Korallenbleiche findet statt, wenn die Wassertemperatur steigt und die Korallen deswegen mikroskopisch kleine Algen – sogenannte Zooxanthellen – ausstoßen, um zu überleben. Das Great Barrier Reef gilt als größtes Korallenriffsystem der Erde. In den Sommern 2023/2024 fand dort die größte Massenbleiche seit Beginn der Aufzeichnungen statt.

Erklärung der Korallenbleiche – STAFF / John SAEKI / AFP

In allen Gegenden des Great Barrier Reefs traten extreme Bleicheereignisse auf, die mehr als 90 Prozent des Korallenbestands betroffen haben. Das Phänomen ist an Temperaturrekorde gebunden und ist seit 2016 fünf Mal aufgetreten, verstärkt durch die menschenverursachte globale Erwärmung.

Daten für 2024 stehen noch aus

In den irreführenden Beiträgen werden als vermeintlicher Beweis für das angebliche „Rekordwachstum“ des Korallenbewuchses im Jahr 2024 Daten des Australischen Institut für Meereswissenschaften genannt. 

Ein AIMS-Sprecher erklärte jedoch am 9. Juli 2024 gegenüber AFP, dass diese Zahlen nicht stimmen könnten. Das Institut habe noch keine endgültigen Daten für das Jahr 2024 vorgelegt. Der Bericht soll erst im August 2024 veröffentlicht werden.

Das Institut habe bereits Teilerhebungen durchgeführt, aber laut AIMS-Sprecher fand der Großteil dieser Datenerhebung vor dem Höhepunkt der Hitzebelastung und der damit einhergehenden Bleiche statt. Die aktuelle Korallenbleiche sei „eine der umfangreichsten und schwerwiegendsten in der Geschichte“. Zudem sei „die Massenbleiche noch nicht vorbei“, weshalb es noch zu früh sei, um die vollen Auswirkungen zu erkennen. „Die AIMS-Untersuchungsteams werden im September ins Wasser zurückkehren, um die vollen Auswirkungen des Bleichereignisses von 2024 auf die Korallenbedeckung zu dokumentieren. Diese Ergebnisse werden Mitte 2025 in unserem Jahresbericht über die Korallenbedeckung veröffentlicht“, präzisierte der Sprecher.

Korallenbedeckung sagt noch nichts über die Korallengesundheit aus

Das Globale Netzwerk zur Überwachung von Korallenriffen analysiert weltweit den Stand der Korallenbedeckung. Laut deren Daten lässt sich von 2009 bis 2018 ein deutlicher Abwärtstrend der Menge an Korallen am Great Barrier Reef beobachten. „Dieser Verlust spiegelt die kumulativen Auswirkungen früherer Korallenbleiche-Ereignisse und lokaler Belastungen wider, beispielsweise der Meeresverschmutzung, Küstenentwicklung und Überfischung“, sagte der AIMS-Sprecher.

Australiens Great Barrier Reef leidet erneut unter Korallenbleiche – Thorsten EBERDING / AFP

Dass die Korallenbedeckung im Great Barrier Reef in den letzten Jahren seit 2018 wieder etwas zugenommen hat, sagt jedoch noch nichts über den generellen Zustand des Riffs aus, erklärten Expertinnen und Experten gegenüber AFP.

Jen McWhorter, Wissenschaftlerin am Ozeanographischen und Meteorologischen Labor des US-Instituts für Ozean- und Atmosphärenforschung (NOAA), sagte am 10. Juli 2024 gegenüber AFP, dass eine Zunahme der Korallenbedeckung „wahrscheinlich von verzweigten Korallen herrührt und nicht repräsentativ für die Erholung des Riffs als Ganzes ist.“

Auch Sally Keith, Dozentin für Meeresbiologie an der Universität Lancaster im Vereinigten Königreich, erklärte AFP am 10. Juli 2024, die Korallenbedeckung sei ein „einfacher Maßstab“, der die Auswirkungen von Massenbleichen und Sterbeereignissen auf verschiedene Arten nicht erfasse. „Die Zusammensetzung der Korallen ist wichtig für das Funktionieren des Ökosystems und die grundlegende Artenvielfalt“, sagte Keith.

Folgenschwere Auswirkungen der Bleiche

Korallenriffe wie das Great Barrier Reef existieren seit Jahrtausenden. Laut Terry Hughes, Direktor des Exzellenzzentrum des Australischen Forschungsrats für Korallenriffstudien, sei es darum extrem bedeutsam zu untersuchen, wie sich „die Mischung der Arten, die auf oder in der Nähe von Riffen vorkommen, in jüngster Zeit verändert hat“. Nur so könne dokumentiert werden, welche Auswirkungen Extremereignisse, wie die aktuellen Korallenbleichen, auf das gesamte Meeresökosystem haben.

Der Weltklimarat der Vereinten Nationen sagt, dass „eine weitere Verschlechterung der Riffe aufgrund des zukünftigen Klimawandels jetzt unvermeidlich scheint, mit ernsten Folgen für andere Meeres- und Küstenökosysteme“.

AFP hat bereits andere Behauptungen über das Great Barrier Reef überprüft und widerlegt. Faktenchecks zum Thema Klima sammelt AFP hier.

Fazit: Online zirkulierende Behauptungen, die Korallenriffe des australischen Great Barrier Reefs seien gesünder denn je, sind irreführend. Die Aussagen wurden von einem klimawandelskeptischen Blog verbreitet, der sich auf vermeintlich offizielle Zahlen der australischen Meeresbehörde für 2024 beruft. Doch laut Behörde wurden die Zahlen für 2024 noch gar nicht veröffentlicht. Zudem erklärten Expertinnen und Experten gegenüber AFP, dass Daten über die Menge an Korallen noch keine relevante Aussage über die aktuelle Gesundheit eines Riffs treffen könnten. Nach wie vor ist das Great Barrier Reef massiv von Korallenbleiche betroffen, was weitreichende Folgen für die biologische Vielfalt der Ozeane hat.

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Umwelt

Autor(en): Gundula HAAGE / Manon JACOB / AFP USA

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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