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Deutschland existiert als Staat und ist souverän

Vor allem sogenannte Reichsbürger verbreiten hartnäckig den verschwörungsideologischen Glauben, dass Deutschland kein souveräner Staat sei. Oft verweisen sie auf Gerichtsurteile, Gesetzesdetails oder Aussagen von Politikern als vermeintliche Belege. «Der Staat BRD wurde NIE gegründet (siehe Herr Dr. Carlo Schmid, SPD, Parlamentarischer Rat am 08.09.1948 und unsere obersten Richter bestätigten dies am 31.07.1973)», heißt es etwa in einem Facebook-Beitrag. Was ist da dran?

Bewertung

Falsch. Deutschland ist ein souveräner, international anerkannter Staat. Die Aussagen von Carlo Schmid und des Bundesverfassungsgerichts werden aus dem Zusammenhang gerissen und fehlinterpretiert.

Fakten

Der SPD-Politiker und spätere Bundesminister Carlo Schmid wirkte in den Jahren 1948 und 1949 im Verfassungskonvent und im Parlamentarischen Rat an der Ausarbeitung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland mit. In einer Rede im Jahr 1948 sagte er: «Wir haben nicht die Verfassung Deutschlands oder Westdeutschlands zu machen. Wir haben keinen Staat zu errichten. Wir haben etwas zu schaffen, das uns die Möglichkeit gibt, gewisser Verhältnisse Herr zu werden.»

Schmid begriff das Grundgesetz tatsächlich als ein Provisorium, da die Sowjetische Besatzungszone – die spätere DDR – nicht einbezogen wurde. Erst seit der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 und dem Zwei-plus-Vier-Vertrag ist das Grundgesetz die Verfassung der gesamten Bundesrepublik, also auch der ostdeutschen Bundesländer. Damals entschied man sich dagegen, für das wiedervereinigte Deutschland eine komplett neue Verfassung zu entwerfen. Schmids Aussage bezieht sich also auf eine konkrete historische Situation, die sich heute ganz anders darstellt.

Der Verweis auf eine Bestätigung der «obersten Richter» am 31. Juli 1973 bezieht sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Damals stellten die Verfassungsrichter fest, dass der Grundlagenvertrag zwischen der BRD und der DDR mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dieser wurde von der damaligen sozialliberalen Bundesregierung und der DDR geschlossen, um während der Teilung die Beziehungen beider Staaten zueinander zu regeln.

Bayern hatte daraufhin beim Bundesverfassungsgericht ein Normenkontrollverfahren gegen den Vertrag beantragt, weil er gegen das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes verstoßen würde. Immer wieder greifen Reichsbürger einzelne Sätze aus der Entscheidung des Gerichts und interpretieren sie falsch.

So heißt es zwar wörtlich in dem Urteil: «Das Deutsche Reich existiert fort (…)» und «Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht «Rechtsnachfolger» des Deutschen Reiches (…)». Doch einerseits wird dabei oft der zweite Teil des Satzes ignoriert: «sondern als Staat identisch mit dem Staat „Deutsches Reich“ in Bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings „teilidentisch“, sodass insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht.» Das Bundesverfassungsgericht ist also nicht der Ansicht, dass es noch ein reales Deutsches Reich gibt, sondern es viel mehr – zumindest zum Teil – in der Bundesrepublik aufgegangen ist.

Andererseits waren die Fragen zur Rechtsnachfolge in dem Urteil von 1973 relevant, weil es beim Grundlagenvertrag um konkrete völkerrechtliche Detailfragen ging. «Das BVerfG und die westdeutsche Staatsrechtslehre vertraten die Auffassung, dass in Deutschland spätestens mit dem Abschluss des Grundlagenvertrages (1973) zwei Staaten bestanden, die Völkerrechtssubjekte waren, füreinander aber nicht Ausland. Gleichzeitig ging man davon aus, dass über beiden Staaten rechtlich ein handlungsunfähiges Gesamtdeutschland existierte, für das die Vier Mächte Verantwortung trugen», schreibt das Innenministerium von Sachsen-Anhalt.

Als Deutschland dann wiedervereinigt wurde, klärten sich diese Fragen insofern, als nur noch ein souveräner deutscher Staat als Völkerrechtssubjekt existierte. So schreiben etwa die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags: «Der am 15. März 1991 in Kraft getretene Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 markiert den Schlusspunkt der schrittweisen Wiederherstellung der vollen Souveränität Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg.»

Der Zwei-plus-Vier-Vertrag regelte im Zuge der Vereinigung der damals beiden deutschen Staaten die Außenpolitik der neuen Bundesrepublik mit den Alliierten. In Artikel 7 heißt es ausdrücklich: «Die Französische Republik, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland und die Vereinigten Staaten von Amerika beenden hiermit ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes.»

Damit endete der Sonderstatus Deutschlands, der seit 1945 in einer Art internationaler Vormundschaft durch die vier Siegermächte bestanden hatte. Die Bezeichnung «Grundgesetz» wurde nach der Wiedervereinigung für die Verfassung Deutschlands beibehalten. Das Bundesverfassungsgericht schreibt dazu: «Ein anderes Wort für Grundgesetz ist Verfassung.»

Teile der Reichsbürgerszene werden von den Behörden als rechtsextrem eingestuft. «Reichsbürger» und auch sogenannten Selbstverwalter sprechen den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation ab. In seinem jüngsten Jahresbericht von 2021 rechnet der Verfassungsschutz bundesweit etwa 21 000 Menschen zu diesen Gruppen.

(Stand: 31.10.2022)

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Politik, Gesellschaft

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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