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Deutschland käme auch ohne Stromimporte aus Frankreich zurecht

Frankreichs extremer Rechter sind Stromlieferungen ins europäische Ausland ein Dorn im Auge. Das machte die Partei Rassemblement National (RN) mit der Politikerin Marine Le Pen vor den jüngsten Wahlen deutlich. In einem X-Post wird nun behauptet, dass kaum ein Land so viel Strom importiert wie Deutschland. Fast ein Viertel der Importe stamme aus Frankreich, und: «Wenn Le Pen ihre Ankündigung wahrmacht, aus dem europäischen Strommarkt auszusteigen, ist die dt. Industrie am Ende.» Dazu wird eine Karte europäischer Länder mit ihren Stromsaldi im ersten Halbjahr 2024 gezeigt. Sind wir in Deutschland wirklich so abhängig von Stromimporten aus Frankreich? Ist ein Ausstieg unseres Nachbarlandes aus dem europäischen Strommarkt überhaupt realistisch?

Bewertung

Frankreich könnte nur unter erschwerten Bedingungen und mit Sanktionen durch die EU aus dem europäischen Strommarkt aussteigen. Deutschland war zwar im ersten Halbjahr 2024 der größte Stromimporteur unter den europäischen Staaten, gehört aber auch zu den größten Exporteuren. Zudem sind die Importe gemessen an der gesamten Nettostromerzeugung in Deutschland nur ein Bruchteil.

Fakten

Deutschland habe ausreichend eigene Kapazitäten, den Strombedarf im Inland zu decken, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im April 2024. «Gleichwohl nehmen wir am europäischen Strombinnenmarkt teil», sagte der Vizekanzler. Zwei Prozent des Bruttostromverbrauchs seien im vergangenen Jahr mit Importen gedeckt worden, davon sei aber nur rund ein Viertel Atomstrom aus Frankreich gewesen.

Jüngst beim Sommerfest des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) ging Habeck auch auf das Thema ein: «Die Rechten behaupten, wir seien in einer Abhängigkeit von Stromimporten. Dabei vergessen sie, dass wir Gas, Öl und Steinkohle komplett importiert haben, und genau das uns erpressbar gemacht hat von merkwürdigen Gestalten.» Wenn das Land in einer Abhängigkeit sei, dann in einer fossilen Abhängigkeit, erklärte der Bundeswirtschaftsminister in seiner Rede beim BEE Anfang Juli 2024.

Experten zu Frankreich: Beim Ausstieg steigt der Strompreis

Frankreich ist nach Einschätzung von Experten, darunter Patrice Geoffron, Wirtschaftsprofessor an der Universität Paris Dauphine, auf den ständigen Austausch von Strom im europäischen Netz angewiesen – auch wenn es unter dem Strich mehr exportiert als importiert.

Bei einem Ausstieg aus dem europäischen Strommarkt drohten Stromausfälle und Frankreich müsste massiv in zusätzliche Kraftwerke investieren, was den Strompreis in die Höhe treiben würde, erklären Experten. Außerdem verdient Frankreich mit den Stromexporten tüchtig Geld, es würde also wenig Sinn machen, diese zu kappen.

Wenn Frankreich aussteigt, bricht es europäische Verträge

Eine Ausnahme von den europäischen Regeln zur Festlegung der Energiepreise könnte Frankreich theoretisch mit der EU verhandeln. Wegen der Bedeutung des europäischen Strommarkts für Frankreich halten Experten dies aber für kontraproduktiv. Stiege Frankreich komplett aus dem europäischen Strommarkt aus, bräche es europäische Verträge und Abmachungen. Praktisch wäre das eigentlich nur möglich, wenn Frankreich europäische Abmachungen schlicht nicht mehr umsetzt. Dies würde Strafmaßnahmen durch Brüssel nach sich ziehen.

Beim europäischen Strommarkt heißt es Geben und Nehmen

Deutschland und auch Frankreich sind sogenannte Stromtransitländer innerhalb der EU. Das bedeutet: Es wird fortlaufend Strom importiert und exportiert und damit im Staatenbund dahin weitergereicht, wo er benötigt wird. Der gemeinsame Strommarkt in Europa soll es ermöglichen, Geld einzusparen und Emissionen zu senken.

Die im Beitrag geteilte Karte soll die Saldi aus Stromimporten und -exporten einzelner europäischer Länder im ersten Halbjahr 2024 zeigen. Deutschland lieferte nach den Daten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in diesem Jahr bis zum 10. Juli rund 26,5 TWh Strom an andere europäische Staaten. Umgekehrt erhielt die Bundesrepublik von ihren Nachbarn 38,9 TWh.

Das ergibt einen Saldo von 12,4 TWh. Zum Vergleich: Die gesamte Nettostromerzeugung in Deutschland (also mit der Eigenversorgung der Industrie) lag im selben Zeitraum bei rund 264 TWh, das ist mehr als das Zwanzigfache.

Der Blick auf den Stromaustausch zwischen den Nachbarländern zeigt, dass Deutschland 2024 bisher mehr Strom aus Frankreich importiert als dorthin exportiert hat. Den Fraunhofer-Daten zufolge bekam Deutschland bis zum 12. Juli 8,71 TWh aus Frankreich und lieferte dorthin 1,62 TWh. Das macht Frankreich zu einem der größten, wenn auch nicht dem größten Stromexporteur nach Deutschland im laufenden Jahr. Knapp an der Spitze steht derzeit Dänemark mit 8,81 TWh.

Zwischen Frankreich und Deutschland geht es Hin und Her

Dass es bei der deutsch-französischen Energiezusammenarbeit auch mal andersherum gehen kann, zeigen Daten, die der Bundestag zitiert: Zwischen Ende November 2022 und Ende November 2023 exportierte Deutschland demnach 14,2 TWh Strom nach Frankreich und bekam in umgekehrter Richtung 12 TWh.

(Stand: 11.7.2024)

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Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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