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Es gibt kein durch Magneten angetriebenes Perpetuum Mobile

Bei der Abkehr von fossilen Brennstoffen sollen in vielen Bereichen effiziente elektrische Antriebe Verbrennungsmotoren ersetzen. Aktuell wird in einem Video behauptet, es gebe elektrische Antriebe, die deutlich weniger oder überhaupt keinen Strom verbrauchen. Deren Entwicklung werde nur durch geheime Mächte verhindert. Das ist falsch. Experten haben für AFP die Funktionsweise der vorgestellten Elektromotoren analysiert und als unmöglich oder stark übertrieben bezeichnet. Einer der gezeigten Antriebe, der ohne Energiezufuhr funktionieren soll, widerspricht physikalischen Grundgesetzen. Die Effizienz des anderen Motors ist laut Forschern technisch nicht machbar.

„Mein Magnet-Motor kann mit einem Satz Magneten ohne Unterbrechung zehn bis 20 Jahre laufen.“ Das sagt ein Mann in einem Video, das seit dem 18. Oktober 2023 bereits tausendfach auf Facebook geteilt wurde. Zudem wird in dem Beitrag ein vermeintlich hocheffizienter „Magnet-Generator“ beschrieben, der in Fahrräder eingebaut werden könne und deutlich wirtschaftlicher, als ein gewöhnlicher Elektromotor sein soll.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 29. Januar 2024

Das Video wurde aus zwei älteren Fernsehbeiträgen zusammengeschnitten. Teilweise ist der Originalton der Beiträge zu hören, teilweise die Stimme eines Erzählers. Zunächst werden Ausschnitte aus einem Beitrag (hier archiviert) aus der ehemaligen deutschen Nachrichtensendung „UFA-Wochenschau“ aus dem Jahr 1966 gezeigt, in dem der Erfinder Friedrich Lüling seinen „Dauermagnetmotor“ vorstellt. Im zweiten Beitrag in der niederländischen Fernsehendung „RTL Nieuws“ (hier archiviert) wird der russische Erfinder Wassili Schkondin vorgestellt, der einen „Ultraelektromotor“ erfunden haben will.

Immer wieder werden im Netz Falschbehauptungen zu Energiegewinnung und -verbrauch verbreitet. AFP hat bereits falsche Behauptungen im Zusammenhang mit Wasserstoff oder Elektroautos widerlegt. Alle Faktenchecks zum Thema Energie sammelt AFP hier.

Lülings „Dauermagnetmotor“ wissenschaftlich nicht haltbar

Seit Jahrhunderten versuchen sich Erfinder daran, Perpetuum mobile zu bauen, also Maschinen, die Arbeit verrichten und dafür keine Energiezufuhr benötigen. Das ist allerdings grundsätzlich nicht möglich, da eine solche Erfindung den Energieerhaltungssatz verletzt, der besagt, dass Energie nicht aus dem Nichts entstehen kann und nicht verschwindet, sondern nur von einer Form in eine andere umgewandelt wird.

Trotzdem tauchen immer wieder neue, teils komplizierte, Erklärungen auf, mit denen ein solches Modell angeblich doch möglich wäre. Friedrich Lüling erklärt seinen vermeintlich funktionsfähigen Magnetmotor in einer längeren Fassung des Fernsehbeitrages von 1966 wie folgt: „Es ist mir entgegen aller herkömmlichen Kenntnisse über den Dauermagneten schon 1954 gelungen, Dauermagneten zu neutralisieren.“

Der rotierende Anker werde laut Lüling von dem Magnetsystem angezogen, bis kurz vor dem Punkt, wo dieser durch die Anziehung festgehalten würde. In dem Moment setze die Neutralisierung der Magneten ein, sodass sich der Anker weiter dreht. „Dieses Neutralisieren geschieht bei dem laufenden Versuchsmotor bei 290 Umdrehungen, 580 Mal in der Minute. Ein Magnetmotor kann mit einem Satz Magneten ohne Unterbrechung 10 bis 20 Jahre laufen,“ erklärt Lüling im Video.

Lüling beschreibt einen Motor, der ohne Energiezufuhr, nur durch das An- und Abschalten beziehungsweise „Neutralisieren“ von Dauermagneten rotiert. Der Motor wurde in der Vergangenheit mehrfach auf Webseiten aufgegriffen. An anderer Stelle wird versprochen, dass mit der Technik „freie Energie“ erzeugt werden könne.

Lülings Motor ist „blanker Unsinn“

„Der Magnetmotor von Lüling ist blanker Unsinn, geradezu ein Betrug.“ Dies schrieb Martin Doppelbauer, Professor für Hybride und Elektrische Fahrzeuge am Karlsruher Institut für Technologie am 18. Januar 2024 in einer E-Mail an AFP. Zwar sei in Magneten minimal Energie gespeichert, jedoch müsse man die bei der Herstellung erst einmal mit hohen Verlusten dort hineinbringen, so Doppelbauer. „Man gewinnt also gar nichts. Zudem sei die magnetische Energie sehr klein. Nimmt man die Energie der Magnete eines leistungsstarken Motors aus einem E-Auto zusammen, dann reicht diese nicht einmal aus, um das Auto auch nur einen Meter weit zu fahren.“

Der Wissenschaftler erklärte, dass Magneten in Elektromotoren grundsätzlich zur Effizienz beitragen könnten. „Deshalb sind auch in ausnahmslos allen mir bekannten Fahrradmotoren Magnete verbaut. Ebenso in den meisten E-Autos.“ Man könne eine hohe Effizienz aber auch ohne Magnete erreichen, so Doppelbauer. „Die leistungsfähigsten elektrischen Maschinen sind Generatoren für Großkraftwerke. Dort erreicht man heute 99 Prozent Wirkungsgrad ganz ohne Magnete.“

Die Funktion von Magneten in Elektromotoren erklärt Doppelbauer so: „Man stelle sich vor, ein Auto ist liegengeblieben und muss abgeschleppt werden. Die Magnete sind wie das Seil: Sie ermöglichen es, die Kraft des vorausfahrenden Fahrzeugs auf das abgeschleppte Auto zu übertragen. Dennoch muss das schleppende Auto natürlich Energie aufbringen, sonst geht es nicht.“ Magnete in Motoren leiteten die Kraft lediglich weiter. „Es tut nichts hinzu und nimmt nichts weg. Es verbraucht sich auch nicht.“

„Das Konzept widerspricht physikalischen Grundsätzen.“

Malte Jaensch, Professor für Nachhaltige Mobile Antriebssysteme an der Technischen Universität München hält die Erfindung für „kompletten Unfug“. In einer Mail vom 17. Januar 2024 schrieb er, dass es schlicht nicht möglich sei, dass Motoren ohne Energiezufuhr, nur mit der Kraft der Magnete betrieben werden können. Der Grund sei, dass man „Permanentmagnete nicht ohne Energiezufuhr nach Belieben aus- und einschalten“ könne, so Jaensch.

Auch Cornelius Bode, Professor für Elektrische Maschinen an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, hält den Motor von Lüling ebenfalls für nicht funktionsfähig. „Das Konzept ist unseriös und widerspricht physikalischen Grundsätzen.“ Der Forscher verweist auf ein Video vom November 2023 des Technik-Bloggers Norio, der die vermeintliche Funktionsweise Lülings Motor genauer analysiert. Im Video wird erklärt, warum es unmöglich ist, einen Permanentmagneten zu „neutralisieren“, ohne dabei Energie aufzuwenden.

Elektromotor von Wassili Schkondin

In einem weiteren Fernsehbeitrag, der im Video auf Facebook in Ausschnitten verbreitet wird, präsentiert der Erfinder Wassili Schkondin einen „Ultra-Elektromotor“. Der soll deutlich effizienter als ein gewöhnlicher Elektromotor sein. In der längeren Version des Videos wird der Motor genauer beschrieben: „Die Zwei- und Dreiräder werden von kompakten Elektromotoren von der Größe einer Langspielplatte direkt in den Rädern angetrieben. Das Prinzip dieses Motors ist relativ einfach, im Inneren befinden sich zwei Ringe mit Magneten und diese sorgen mit Hilfe von Wechselstrom aus einer Batterie für den Antrieb.“

Dann erklärt der Erfinder Wassili Schkondin: „Sie drehen sich umeinander und ändern ständig ihre Polarität. Das ist, was dieser Prozessor tut – ein elektromechanischer Auslöser. Und dann gibt es Anziehung und Abstoßung.“ Die Testmodelle sollen Geschwindigkeiten von bis 140 Kilometer pro Stunde erreichen können und dabei sehr wenig Strom verbrauchen. „Wenn Sie mit diesem Fahrrad einen Kilometer fahren, haben Sie auch den Akku für einen Kilometer geladen“, so Schkondin.  Und weiter über den Motor: „Selbst bergauf gibt er Energie zurück. Er gibt einen Teil der Energie direkt an die Batterie zurück.“

In einem anderen Video (hier archiviert) auf Youtube gewährt der Erfinder Schkondin einen Einblick in einen seiner Motoren. Im Netz ist ebenso ein Artikel des britischen Technikmagazins „Eureka“ aus dem Jahr 2003 zu finden, in der Schkondin seinen Motor vorstellt und auch Zeichnungen mitliefert. Hier wird auch beschrieben, dass der Motor während des Betriebs angeblich einen Teil der Energie zurückgewinnt. „Dadurch soll sich die potenzielle Reichweite von Elektrofahrzeugen im Vergleich zu Fahrzeugen mit herkömmlicher Technologie mindestens verdoppeln“, so der Artikel.

Youtube-Screenshot vom Innenleben eines von Schkondin gebauten Fahrradmotors: 26. Januar 2024

Schkondins Motor nicht konkurrenzfähig

Henrik Born vom Lehrstuhl für Production Engineering of E-Mobility Components der RWTH Aachen, sieht in dem Konzept auch einen bereits „bekannten E-Motor mit Außenrotor“. Dieser sei „nichts Neues und eine bekannte Bau-Form“. In Bezug auf die versprochene Sparsamkeit des Motors verwies er auf den Energieerhaltungssatz der Physik: „Die Energie, die in der Batterie gespeichert werden soll, muss irgendwo herkommen. Beim Fahrrad kommt die aus den Beinen, beim Verbrennungsmotor aus dem Kraftstoff.“ Wenn man, wie im Video behauptet wird, mit einem Fahrrad einen Kilometer fahren und gleichzeitig in die Batterie noch Energie für 1 Kilometer einspeisen wolle, dann müsse aus den Beinen auch mindestens Energie für 2 Kilometer kommen, schrieb Born am 19. Januar 2024 an AFP.

Auch Malte Jaensch ist nicht überzeugt von dem Konzept: „Ich kann beim besten Willen nichts entdecken, was auch nur irgendwie innovativ und zielführend wäre. Der Schkondin Motor sieht mir nach einem eher schlecht als recht gemachten Außenläufer infractional slot concentrated winding (FSCW) Bauweise aus.“ Hierbei handelt es sich um eine besondere Art der Wicklung in Elektromotoren, die eine hohe Leistung bei geringem Volumen des Motors erfordern. Dies sei laut Jeansch „nichts Neues“ und werde von Firmen wie Bosch schon lange in industrieller Serienproduktion hergestellt und beispielsweise in Pedelecs, also Fahrrädern mit elektrischem Unterstützungsmotor, verbaut.

Martin Doppelbauer hält den Motor von Schkondin ebenso grundsätzlich für funktionsfähig, aber ineffizient. „Wir versuchen bei Elektromotoren immer, möglichst viel Kraft mit möglichst wenig Platz und technischem Aufwand zu erzeugen. Das verbessert die Effizienz und die Leistungsdichte.“ Kraft entstehe im Luftspalt zwischen Stator und Rotor aus dem Zusammenwirken von magnetischem Fluss und elektrischem Strom. Als Konsequenz versuche man, die zur Verfügung stehende Fläche möglichst gut zu nutzen, indem man entlang des ganzen Umfangs ein Magnetfeld aufbaut. „Genau das macht der Motor von Schkondin aber überhaupt nicht“, so der Wissenschaftler. „Ich halte das Konzept für Blödsinn und den heutigen Industriemotoren weit unterlegen.“

Auch laut Cornelius Bode kann das Konzept von Schkondin prinzipiell funktionieren. „Es wird an keiner Stelle behauptet, dass der Motor ohne zugeführte Energie funktioniert. Dass der Wirkungsgrad aber deutlich besser ist als bei anderen E-Bike-Motoren, darf aber bezweifelt werden.“ Aufgrund der Angaben in dem 2003 veröffentlichten Artikel im Magazin „Eureka“ hat Bode einen Energieverbrauch der Pedelecs von 1,4 Kilowattstunden auf 100 Kilometer errechnet. Aktuelle Elektrofahrräder verbrauchen mit 0,7 Kilowattstunden auf 100 Kilometer etwa die Hälfte, so Bode.

Zudem würde in dem Artikel von einer Art Energierückgewinnung von 30 Prozent während des normalen Betriebs gesprochen. „Das ist so natürlich Blödsinn“, schrieb Bode.

Keine Hinweise auf angebliche Ermordung der Erfinder

Auf Facebook ist über das Video der Text „nach seiner Erfindung ermordet“ gelegt, wobei nicht klar wird, auf welchen der beiden Erfinder sich diese Aussage bezieht. Aus dem Beitrag über Friedrich Lüling und seinen Motor geht lediglich hervor, dass der Maschinenbauer zum Zeitpunkt der Aufnahmen 1966 52 Jahre alt war und bereits seit mehr als zehn Jahren an seiner Erfindung gearbeitet hatte. Lüling selbst spricht im Video vage davon, dass der Wert seiner Erfindung sich am „jahrelangen Bemühen anderer, die Sache einfrieren zu lassen beziehungsweise sie zu sabotieren“ zeige. AFP konnte keine Details zum Verbleib Lülings herausfinden.

Wassili Schkondin hat nachweislich über Jahrzehnte seine vermeintlich leistungsstarken Elektromotoren öffentlich beworben. Im Jahr 2018 stellte er seine Erfindung in einer hessischen Berufsschule vor, wie die lokale Presse berichtete. Laut eigenen Angaben arbeitete er schon 1975 daran, „den effektivsten Motor der Welt zu bauen“. Im November 2021 wurde ein Video auf Youtube hochgeladen, dass Schkondin zeigt.

Fazit: In einem Video auf Facebook werden zwei Elektromotoren gezeigt. Einer soll gänzlich ohne Stromzufuhr auskommen und der andere deutlich effizienter sein als etablierte Elektromotoren. Wissenschaftler haben gegenüber AFP erklärt, dass das unmöglich, beziehungsweise stark übertrieben sei.

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Autor(en): Till EICHENAUER / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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