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Es gibt keinen verstorbenen Nord-Stream-Ermittler namens Erik Ollsen

Nach dem Anschlag auf die Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 behaupten User in sozialen Netzwerken fälschlicherweise, ein leitender Ermittler in dem Fall hieße Erik Ollsen und sei unter mysteriösen Umständen gestorben. Jedoch dementierte sowohl die an den Ermittlungen beteiligte schwedische Staatsanwaltschaft wie auch die Stockholmer Polizei, dass es einen leitenden Ermittler mit diesem Namen oder einen verdächtigen Todesfall gebe.

Hunderte User haben die Behauptung über den angeblich verstorbenen leitenden Ermittler auf Facebook geteilt. Auf Twitter teilten es Dutzende. Auf Telegram erreichte die Behauptung Hunderttausende. Ähnliche Behauptungen kursieren auch auf Polnisch, Französisch, Schwedisch, Rumänisch, Ungarisch und Englisch.

Die Behauptung: User teilen einen Screenshot eines niederländischen Tweets in dem behauptet wird, Erik Ollsen sei der stellvertretende Ermittler des schwedischen Teams, das den Anschlag auf die Pipeline untersucht. Dazu heißt es auf Deutsch: „Erik Ollsen ist tot. […] er war der leitende Ermittler für den Nord-Stream-Anschlag […] Zuständig für die Untersuchung der Nord-Stream-Sabotage.“ Ollsen sei an einem Bienenstich gestorben und wenige Stunden später eingeäschert worden. Der Name wird teilweise unterschiedlich geschrieben und taucht in verschiedenen Versionen auf.

Screenshot der Behauptung auf Facebook: 25.10.2022

Am 26. September 2022 traten an den beiden Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 vier massive Gaslecks auf. Nach Angaben mehrerer Länder verursachten Unterwassersprengungen die Lecks. Russland wurde beschuldigt, hinter den Lecks zu stecken, stritt dies jedoch ab und wies die Schuld den Vereinigten Staaten zu. Auf einem Energieforum in Moskau sagte der russische Präsident Wladimir Putin, dass die schweren Lecks das Ergebnis eines Aktes des „internationalen Terrorismus“ seien.

Schweden, Dänemark und Deutschland wollten die Gründe für die Lecks an den Pipelines gemeinsam untersuchen, entschieden sich dann aber dagegen.

Karte mit der Lage der gemeldeten Gaslecks an den Pipelines Nord Stream 1 und 2. (Nadine Ehrenberg / AFP)

Im Kontext der Gaslecks kursierte bereits eine andere Falschbehauptung über einen verunglückten Piloten, der vermeintlich für die Wartung der Nord-Stream-Turbinen verantwortlich gewesen sein soll.

Schwedische Behörden: „Keine Kenntnis von einem Erik Ollsen“

Die schwedischen Justizbehörden haben mit der Untersuchung der möglichen Ursache für die Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 in der Ostsee begonnen. Die Recherchen von AFP haben jedoch keine Erwähnung einer Person mit dem Namen Erik Ollsen oder ähnlichen Schreibweisen innerhalb der schwedischen Institutionen, die mit den Ermittlungen betraut sind, ergeben.

Die von AFP kontaktierte schwedische Staatsanwaltschaft, die für die Ermittlungen zuständig ist, erklärte am 12. Oktober 2022, dass „kein Staatsanwalt namens Erik Olsson, der für den Fall [Nord-Stream] zuständig ist, an den Folgen eines Bienenstichs gestorben ist“.

Auch die dänische Polizei teilte AFP am 18. Oktober 2022 per E-Mail mit, dass „es bei der Kopenhagener Polizei keinen Mitarbeiter mit dem Namen Erik Ollson (oder einem ähnlichen Namen) gibt. Der Name klingt schwedisch“.

Die von AFP kontaktierte deutsche Bundesanwaltschaft wollte die Angelegenheit nicht kommentieren.

Die schwedische Staatsanwaltschaft wies auch darauf hin, dass die Ermittlungen zu Nord Stream derzeit von Mats Ljungqvist geführt werden, der auch in einer Pressemitteilung vom 6. Oktober genannt wurde.

In sozialen Medien kursieren auch in anderen Sprachen die Gerüchte, die schwedische Staatsanwaltschaft oder Stockholmer Polizei habe sich bei Angehörigen des vermeintlichen Toten gemeldet und den Wunsch zur Einäscherung in einem Testament des Mannes gefunden. Die schwedischen Behörden dementierten, dass es diesen Mann gibt.

AFP hat bei keiner durchgeführten Internetrecherchen eine Spur eines Ermittlers namens Erik Ollsen oder ähnlichen Schreibweisen gefunden. Andere Medien kamen zu denselben Schlussfolgerungen, etwa hier oder hier.

Ursprung der Behauptung

Die meisten Beiträge zeigen einen Screenshot eines Tweets auf Niederländisch vom 8. Oktober als Quelle der Behauptung. Der Tweet zeigt den Account eines gewissen Remco Van Velzen, der viele pro-russische Tweets über den Krieg in der Ukraine verbreitet.

Einige Stunden später teilte derselbe Internetnutzer jedoch mit, dass er den ersten Tweet gelöscht habe, da es keine Beweise dafür gebe, dass ein “Herr Ollson” für die Ermittlungen verantwortlich sei. Van Velzen zufolge hatte er sich auf einen Beitrag im russischen sozialen Netzwerk Vkontakte berufen.

In dieser Veröffentlichung eines pro-russischen französischsprachigen Accounts auf VKontakte, die am 6. Oktober geteilt wurde, heißt es, dass „Ollson“, als „stellvertretender Leiter der schwedischen Staatsanwaltschaft“, „versprochen hat, der Welt die Wahrheit über die Nord-Stream-Rohrexplosion zu sagen.” Er habe den “Geheimdienst beschuldigt, zu versuchen, wichtige Sabotageprotokolle der Küstenwache zu beschlagnahmen“. Der Text hat viele Ähnlichkeiten zu einem anderen russischen Post vom 3. Oktober vom Konto „Anti-Russophobe“. Dessen Behauptungen wurden seitdem mehrfach geteilt.

Der russische Post wiederum verweist auf ein ähnliches Telegram-Posting vom 3. Oktober, das von einem russischen Account veröffentlicht wurde, der die Invasion der Ukraine unterstützt.

Screenshot der Behauptung auf Telegram: 14.10.2022

Sowohl die Vkontakte- als auch die Telegram-Veröffentlichungen illustrieren die Behauptung mit demselben Foto eines Mannes, der angeblich der Verstorbene sein soll.

Das Originalfoto, das AFP durch eine umgekehrte Bildersuche gefunden hat, zeigt jedoch den ungarischen Politiker, Borkai Zsolt, wie in diesem Artikel der ungarischen Nachrichtenseite „Hungary Today“ aus dem Jahr 2019 zu sehen ist.

Screenshot der Behauptung auf Vkontakte: 14.10.2022
Screenshot aus ungarischem Medium “Hungary Today”: 12.10.2022

AFP fand außerdem auf Twitter einen norwegischen Experten für Meeresökosysteme namens Erik Olsen. Er hat am 11. Oktober 2022 klargestellt, dass er nichts mit dem angeblichen schwedischen Ermittler zu tun hat, der den gleichen Namen tragen soll.

Fazit: Die Behauptung, ein leitender Ermittler der Nord-Stream-Untersuchungen hieße Erik Ollsen und sei verstorben, ist falsch. Schwedische und dänische Behörden dementieren, dass es jemals einen Leiter mit diesem Namen gab. Der Ursprung der Behauptung zeigt außerdem einen Mann mit anderen Namen.

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Politik, Wirtschaft, Ukraine, Umwelt

Autor(en): Nathan GALLO, Jan RUSSEZKI, AFP Frankreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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