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In diesem Video zum Ukrainekrieg wird die Nachrichtenagentur Bloomberg imitiert

Am 6. August 2024 hat die Ukraine eine Militäroffensive in der Region Kursk begonnen und kontrolliert laut eigenen Angaben seitdem mehrere Dutzend Ortschaften. In sozialen Medien teilten Nutzerinnen und Nutzer ein Video mit dem Logo des US-amerikanischen Medienunternehmens Bloomberg, in dem diese Offensive als die „verheerendste“ Operation des 21. Jahrhunderts bezeichnet wird. Das geteilte Material basiert auf einem Interview, das ein ehemaliger General einem US-amerikanischen Podcast gegeben haben soll. In dem Video wird jedoch die Identität Bloombergs fälschlich verwendet, wie das Medium gegenüber AFP bestätigte. Der US-Veteran hat die ihm zugeschriebenen Äußerungen zudem nicht gemacht.

„Bloomberg bezeichnete die ukrainische Offensive in der Region Kursk als die verheerendste Militäroperation des 21. Jahrhunderts, gemessen am Ergebnis im Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln“, schrieb ein User am 22. August 2024 auf X und teilte ein Video mit englischen Untertiteln. In der rechten oberen Ecke ist der Name der Finanznachrichtenagentur Bloomberg zu sehen.

Der englische Text in der rund einminütigen Videosequenz versichert, dass „die Operation der Streitkräfte der Ukraine in Kursk in Bezug auf die Kosten die ungerechtfertigtste des 21. Jahrhunderts geworden ist“, basierend auf angeblichen Bemerkungen eines Militärexperten. „Der Militäranalyst und pensionierte General Bradley Gericke analysierte in einem Interview mit dem Podcast Military.com die Kosten und Anstrengungen der ukrainischen Streitkräfte während des Angriffs auf die russische Region Kursk. Der Experte versichert, dass das Verhältnis von Investition und Gewinn für das 21. Jahrhundert beispiellos ist“, heißt es in dem Video weiter.

Der Clip kursiert auch auf Facebook und Telegram. Er wurde zudem in vielen anderen Sprachen geteilt – darunter Französisch, Englisch, Serbisch, Spanisch und Russisch.

Screenshot der falschen Behauptung auf X: 27. August 2024

Dem englischen Text im Video zufolge „ist keine Operation in der jüngeren Geschichte so gescheitert. Der Experte ist sich sicher, dass das erzielte Ergebnis im Vergleich zu den angefallenen materiellen und menschlichen Kosten vernachlässigbar ist.“ Weiter heißt es: „Gericke vergleicht die Situation mit dem Abzug der US-amerikanischen Truppen aus Afghanistan. Er glaubt, dass die Operation der ukrainischen Streitkräfte letztlich noch ein größerer Fehlschlag gewesen war.“

Darauf folgt ein angeblich direktes Zitat des genannten Militärexperten: „Wir verließen Afghanistan mit wenigen Verlusten, während die Streitkräfte der Ukraine die stärksten personellen und technischen Ressourcen nach Kursk brachten. Ihre sinnlose Vernichtung ist nur eine Frage von Wochen.“ Der zitierte Experte schloss mit der Erklärung, dass „die Ukrainer nirgendwo hinziehen können und Russland über umfangreiche Erfahrung in Operationen verfügt, die sie ‚Fleischwolf‘ nennen. All diese Menschen und Ausrüstungsgegenstände, für die die Bündnispartner so hart gearbeitet haben, um sie für die Ukraine auf der ganzen Welt zu sammeln, sind dem Untergang geweiht.“

Video ist gefälscht

Die ukrainische Armee hat am 6. August 2024 einen Vorstoß in die russischen Grenzregion Kursk begonnen. Die Ukraine kontrolliere nach eigenen Angaben inzwischen rund hundert Ortschaften auf einem Gebiet von 1300 Quadratkilometern.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte am 22. August 2024, dass er die ukrainische Region Sumy, von der aus die Offensive auf Russland gestartet worden war, besucht habe, wo er mit dem Kommandeur der ukrainischen Armee, Oleksandr Syrskyj, zusammengetroffen habe. Die ukrainischen Truppen hätten eine weitere Ortschaft eingenommen und „den Tauschfonds aufgefüllt“ – also weitere russische Soldaten gefangen genommen. Nach russischen Angaben mussten bereits mehr als 120.000 Zivilistinnen und Zivilisten aus dem Gebiet fliehen.

Ein zerstörter Grenzübergang am 16. August 2024 in der Nähe der russischen Stadt Sudscha, die unter ukrainischer Kontrolle steht – YAN DOBRONOSOV / AFP

Medial wurde diese Offensive vielfach dokumentiert. Eigenen Angaben zufolge hat Russland Ermittlungen gegen einige ausländische Journalistinnen und Journalisten eingeleitet. Ihnen wird vorgeworfen, illegal in die russische Region Kursk eingereist zu sein, indem sie vor Ort berichteten. Auch Bloomberg hat mehrere Artikel zu diesem Thema veröffentlicht.

Mittels einer Suche auf der Website und den Youtube-Kanälen von Bloomberg mit Schlüsselwörtern wie „Kursk“, „Gericke“ oder „Ukraine“ konnte AFP das geteilte Video nicht finden. Das Format der Untertitel im geteilten Clip unterscheidet sich zudem von der visuellen Identität der Inhalte, die normalerweise von Bloomberg produziert werden. Auf AFP-Anfrage versicherte das Medium am 22. August 2024, dass es sich bei der Sequenz „nicht um ein Video von Bloomberg-News handelt“.

Wiederkehrende Medienimitationen

Eine erweiterte Websuche ergab keine Hinweise auf den Ursprung der angeblich Bradley Gericke zugeschriebenen Äußerungen. Auch keine anerkannten Medien berichteten darüber.

Die US-amerikanische Militärnachrichtenseite Military.com produziert zwar Podcasts, wie im Video erwähnt. Vom 26. Juli 2024, also mehr als zehn Tage vor dem überraschenden Einmarsch der ukrainischen Armee in die Kursk-Region, bis zum 23. August 2024 wurde jedoch keine Folge mehr ausgestrahlt. In der letzten Episode vom 26. Juli 2024 geht es um die US-Marine. Bradley Gericke kommt darin nicht vor.

 

Screenshot der neuesten Podcast-Episode von Military.com auf Spotify: 23. August 2024

 

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Video fälschlicherweise einem Medienunternehmen zugeschrieben und in sozialen Medien verbreitet wird.

Kurz vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris 2024 wurden etwa gefälschte Videos des französischen Senders BFMTV verwendet, um die Behauptung zu verbreiten, das Wasser der Seine sei stärker verschmutzt als das des Ganges und die französische Schwimmnationalmannschaft habe sich geweigert, an einem „feierlichen Bad“ im Fluss teilzunehmen. Einige Monate zuvor war in sozialen Medien zudem eine andere Sequenz geteilt worden. Darin wurde behauptet, dass Pariserinnen, die Ende Juli 2024 entbinden sollten, von den Behörden dazu angehalten würden, vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele zu entbinden, um Krankenhausplätze freizumachen. Hierbei wurde die Identität des französischen Senders TF1 imitiert.

Diese gefälschten Videos bekannter Nachrichtenhäuser erinnern an die prorussische Desinformationskampagne „Doppelgänger“, die darin besteht, gefälschte Artikel in sozialen Netzwerken zu verbreiten, die westliche Medien imitieren. Diese Art des Identitätsdiebstahls von Medien wird auch im Rahmen der „Operation Matrjoschka“ eingesetzt. Hierbei handelt es sich um eine Russland zugeschriebene Maßnahme, die darauf abzielt, westliche Medien anzusprechen und Journalistinnen und Journalisten durch Bots mit Falschinformationen zu überschütten, um sie damit beschäftigt zu halten.

Vor allem in den letzten Monaten bestand das Hauptziel der prorussischen Desinformation in Bezug auf die westliche Öffentlichkeit darin, westliche Unterstützung für Kiew, die für den Kampf gegen Russland von entscheidender Bedeutung ist, zu untergraben.

Fazit: Ein Video mit dem Logo des US-amerikanischen Medienunternehmens Bloomberg, in dem die ukrainische Militäroffensive in der Region Kursk als die „verheerendste“ Operation des 21. Jahrhunderts bezeichnet wird, ist gefälscht. In dem Clip wird die Identität des Mediums unrechtmäßig verwendet, wie Bloomberg gegenüber AFP bestätigte. Der US-General, dem die Äußerungen im Video zugeschrieben werden, hat diese zudem nicht gemacht.

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Russland, USA, Ukraine

Autor(en): Théo MARIE-COURTOIS / Katharina ZWINS / AFP Frankreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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