Karl Lauterbach bei Anne Will gelöscht? Warum alte Folgen aus der Mediathek verschwinden

Ein Tiktok-Video vom 13. März zeigt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in der Talkshow Anne Will, der darin unter anderem sagt, Corona-Impfstoffe seien „mehr oder weniger nebenwirkungsfrei“. Zu dem Video wird behauptet, die Aufnahme stamme vom letzten Jahr und sei nun aus der Mediathek gelöscht worden. Fast 200.000 Nutzerinnen und Nutzern wurde der Tiktok-Beitrag angezeigt, einige verbreiteten ihn auch auf ihren Kanälen weiter. Auf Twitter kursierten ähnliche Behauptungen (hier und hier).

Unter dem Tiktok-Video kommentierte die Person, die es hochgeladen hatte: „Nach der gestrigen Sendung über schwere Impfschäden wurde die Sendung aus der Mediathek entfernt.“ Ein anderer Nutzer schrieb: „Spuren werden langsam verwischt. In zwei Jahren ist alles vergessen.“ Suggeriert wird also, es gebe inhaltliche Gründe dafür, dass das Video aus der Mediathek gelöscht wurde. Das stimmt so nicht. Grund für die Löschung ist das Telemedienkonzept der ARD-Programmdirektion, in dem die Verweildauer von Fernsehsendungen in der Mediathek festgelegt ist.

tiktok beitrag mit video von karl lauterbach bei anne will
Lauterbach sagte in der Talkshow Anne Will am 13. Februar 2022, Impfungen seien „mehr oder weniger nebenwirkungsfrei“. Der Ausschnitt kursiert in Sozialen Netzwerken. (Quelle: Tiktok; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Mit einer Bilderrückwärtssuche finden wir den in Sozialen Netzwerken geteilten Ausschnitt der Anne Will-Sendung zum Thema „Impfpflicht“ mit Karl Lauterbach als Gast. Sie stammt vom 13. Februar 2022 und war in der ARD-Mediathek Mitte März 2023 nicht mehr verfügbar.

Wir haben die Pressestelle der ARD um eine Kopie der damaligen Sendung gebeten. Der Ausschnitt, der sich in Sozialen Netzwerken verbreitete, ist darin ab Minute 44:06 zu sehen.

karl lauterbach bei anne will am 13. februar 2022
Die Sendung vom 13. Februar 2022 ist in der ARD Mediathek nicht mehr verfügbar, weil dessen Verweildauer abgelaufen ist. Der Clip, der in Sozialen Netzwerken kursiert, zeigt eine Aussage von Lauterbach ab Minute 44:06. (Quelle: ARD / Anne Will; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)


Lauterbach-Sendung wurde regulär aus der Mediathek entfernt, weil die festgelegte Verweildauer abgelaufen war

Doch wann und warum wurde die Sendung aus der Mediathek entfernt? Der Medienstaatsvertrag legt fest, dass die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten die sogenannte Verweildauer in Telemedienkonzepten festschreiben müssen.

Für die Talkshow Anne Will galt zum Zeitpunkt der Sendung mit Lauterbach eine Verweildauer von bis zu 12 Monaten, schrieb uns ARD-Sprecher Volker Schwenck in einer E-Mail. Das stand auch im April 2022 noch auf der Internetseite, wie eine archivierte Fassung zeigt.

„Bei der Publikation einer Sendung wird von der jeweiligen Redaktion im System eingetragen, wann die Verweildauer endet. Mit Erreichen der Verweildauer verschwindet der Beitrag dann automatisch“, schrieb Schwenck. Das Video von Anne Will von 2022 sei also ein Jahr später, am 13.02.2023 automatisch offline gegangen. In der ARD-Mediathek sei trotz der Löschung jedoch die Vorschau für die Sendung fälschlicherweise noch eine kurze Zeit angezeigt worden.

Auch von einer Mitarbeiterin der Redaktion von Anne Will erhielten wir die Mitteilung, dass die damalige Sendung 12 Monate in der ARD-Mediathek abrufbar war und dann routinemäßig offline genommen worden sei. „Dies hatte keine redaktionellen Gründe.“

Aus Internetarchiven lässt sich nicht nachvollziehen, wann genau der Beitrag aus der Mediathek entfernt wurde. In einer archivierten Version der Sendung vom 8. Februar 2023 stand, dass das Video nur bis 13. Februar 2023 verfügbar sein werde. In einer archivierten Fassung vom 14. März 2023 war es nicht mehr vorhanden.

anne will verweildauer der sendung mit karl lauterbach 2022
Unter jeder Sendung in der Mediathek steht, wie lange ein Video verfügbar ist. In diesem Fall war der 13. Februar 2023 angegeben. (Quelle: ARD Mediathek / Anne Will; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)


Neuere Anne Will-Folgen sind bis zu 24 Monate in der Mediathek verfügbar 

Derzeit steht auf der Website des Ersten zur Verweildauer: „Je nach Rechtelage bietet die ARD-Mediathek Videos zu zahlreichen Sendungen des Ersten viel länger als sieben Tage an – so sehen Sie zum Beispiel Talksendungen wie ‚Anne Will’, ‚Hart aber fair’ oder ‚Maischberger’ in der ARD-Mediathek bis zu 24 Monate“. Darauf wiesen auch einige Nutzer auf Twitter hin und fragten sich, warum die Lauterbach-Sendung bereits nach einem Jahr gelöscht wurde.

Das liegt daran, dass das Telemedienkonzept der ARD-Programmdirektion im Sommer 2022 angepasst wurde. Das neue Verweildauerkonzept sei seit August 2022 in Anwendung und werde in der Regel nicht rückwirkend umgesetzt, schrieb uns der ARD-Sprecher. Nicht-fiktionale Sendungen wie Anne Will dürften demnach seit August 2022 bis zu 24 Monate angeboten werden (PDF zum Download, Seite 9).

Ob das im Einzelfall auch umgesetzt wird und ein Video so lange verfügbar sein wird, hängt jedoch von weiteren Faktoren wie zum Beispiel Lizenzrechten ab, wie uns eine Mitarbeiterin der Redaktion von Anne Will mitteilte. Seit der Sendung vom 26. März mache man nun von der Möglichkeit Gebrauch, die Sendungen für zwei Jahre anzubieten. Ein Blick auf die aktuellste Sendung in der Mediathek bestätigt dies: Sie wird für zwei Jahre verfügbar sein.

anne will verweildauer sendung 26. märz 2023
Unter der aktuellen Sendung steht der Hinweis, dass sie zwei Jahre lang in der Mediathek verfügbar sein wird (Quelle: ARD Mediathek / Anne Will; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)


ZDF
-Journalist stellte Lauterbach kritische Fragen zu seinen Äußerungen über Corona-Impfstoffe 

Die damalige Lauterbach-Aussage verbreitete sich erneut aus folgendem aktuellen Anlass: In einem Interview am 12. März 2023 sprach Lauterbach über Impfschäden und versprach Hilfen für Betroffene. Der ZDF-Journalist Christian Sievers sprach ihn daraufhin auf das damalige Interview bei Anne Will an – und nannte es als Beispiel.

In diesem Kontext konfrontiert Sievers den Minister ab Minute 2:38 damit, dass er „schon immer den Eindruck erweckt“ habe, dass das Thema Nebenwirkungen eigentlich gar kein Thema sei. Lauterbach antwortet, das sei nicht richtig. „Die Zahlen waren mir ja all die Zeit bekannt. Die sind auch relativ stabil geblieben. [Anmerkung der Redaktion: Die Nebenwirkungen im Verhältnis betragen etwa] 1:10.000 – da kann man jetzt sagen, das ist viel und man kann sagen, das ist nicht viel.“ Doch man könne sagen, dass die Corona-Impfung vor sehr schwerer Krankheit schützt.

Redigatur: Gabriele Scherndl, Kimberly Nicolaus

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Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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