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Screenshot zeigt keinen echten Tweet des WEF

Der junge Yale-Professor Yusuke Narita sorgte vor einigen Jahren in Japan für Schlagzeilen. Bei mehreren öffentlichen Auftritten sprach er davon, dass ein Suizid der älteren Bevölkerung eine Möglichkeit darstellt, dem Problem der starken Vergreisung der japanischen Gesellschaft zu begegnen. Im Netz kursiert nun die Behauptung, das Weltwirtschaftsforum (WEF) unterstütze diesen Ansatz. Als Beleg dafür wird ein Screenshot verbreitet, der einen angeblichen Tweet vom Account des WEF zeigen soll. Der Text der Kurznachricht: «Euthanizing the elderly solves many of the challenges we face.» (Die Euthanasie älterer Menschen ist eine Lösung für viele der Probleme, mit denen wir konfrontiert sind.) Doch ist dieser Tweet echt? Und was bedeuten die radikalen Aussagen von Yusuke Narita wirklich?

Bewertung

Der Screenshot zeigt keinen echten Tweet des WEF, wie mehrere Details beweisen. Yusuke Narita verwendete eine provokante Metapher, um ein jahrzehntealtes Problem Japans anzusprechen. Inzwischen vermeidet er laut eigenen Aussagen in diesem Zusammenhang Ausdrücke wie «Massenselbstmord».

Fakten

Es gibt keinen Beleg dafür, dass es sich bei dem Screenshot um das Abbild eines echten Tweets handelt. Eine Twitter-Suche nach dem Wortlaut liefert kein Ergebnis. Auch mehrere optische Details weichen von echten WEF-Tweets ab: So ist im Screenshot die Textgröße deutlich größer und der blau-weiße Verifizierungshaken leicht nach oben verschoben. Schließlich ist der Bogen im WEF-Logo grau und nicht wie im Original blau, obwohl der angebliche Screenshot insgesamt farbig ist.

Yusuke Narita und das Weltwirtschaftsforum

Yusuke Narita ist Assistenzprofessor der Yale University und beschäftigt sich mit der Gestaltung von Entscheidungsalgorithmen in Politik und Wirtschaft. Seit 2023 ist er als Gründer seiner Firma Hanjuku-kaso Mitglied der «Young Global Leaders» (YGLs), einer vom WEF gegründeten Stiftung für junge Führungskräfte. Das Ziel der YGLs besteht darin, die öffentlich-private Zusammenarbeit im globalen öffentlichen Interesse voranzutreiben. Narita hat also seit Kurzem eine Beziehung zum WEF.

Yusuke Narita und das «Seppuku»

Als der Yale-Professor mit seinen Aussagen zum Umgang mit dem wachsenden Anteil älterer Menschen für Aufsehen sorgte, war er jedoch noch kein Mitglied der YGLs. Bei einer Online-Sendung im Jahr 2021 sagte er: «Ich habe das Gefühl, dass die einzige Lösung ziemlich klar ist. Ist es am Ende nicht Massenselbstmord und Massenseppuku von älteren Menschen?» Narita stellte aber klar, dass es ihm nicht um «körperliches Seppuku» gehe – also eine japanische, ritualisierte Art des Suizids – sondern um «soziales Seppuku».

Der Wissenschaftler benutzte die Formulierung als eine radikale Metapher, um darauf hinzuweisen, dass in Japan viele Führungspositionen von älteren Personen besetzt sind. Im Gespräch mit der «New York Times» räumte Narita ein: «Ich hätte vorsichtiger mit ihren möglichen negativen Konnotationen umgehen sollen.» Nach Selbstreflexion habe er 2022 aufgehört, in diesem Kontext die Worte «Massenselbstmord» und «Massenseppuku» zu verwenden.

Alternde Bevölkerung in Japan

Laut UN-Statistiken war Japan in 2022 das Industrieland mit der weltweit ältesten Bevölkerung. Die UN rechnen damit, dass bis 2050 über 35 Prozent der Japaner und Japanerinnen älter als 65 Jahre sein werden. Der bereits erwähnte große Anteil an älteren Menschen in Spitzenpositionen erschwert dabei zunehmend die sozialen Aufstiegsdynamiken der Nachfolgegeneration. Bereits 2006 beobachtete das Deutsche Institut für Japanstudien den «Verlust an sozialer Sicherheit und beruflicher Qualifikation für die jüngere Generation in Japan».

(Stand: 23.3.2023)

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Wirtschaft, Gesellschaft

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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