USA, das Land der unbegrenzten Patente? In einem Sharepic bei X wird behauptet: «Alle Viren sind patentiert und die meisten von ihnen gehören den Vereinigten Staaten». Dazu wird eine Liste mit mehreren Krankheiten und Erregern geteilt, denen jeweils eine bis zwei angebliche Patentnummern zugeordnet sind. Sind Viren wie Ebola, H1N1 und Sars tatsächlich patentiert worden?
Bewertung
Falsch. Unveränderte Organismen und Viren können in den USA und auch in Europa nicht patentiert werden. Die im Post genannten Patente beziehen sich auf einzelne Gensequenzen, potenzielle Heilmittel, Impfstoffe oder Testverfahren.
Fakten
Viren selbst können in den USA nicht patentiert werden. «Gemäß der US-Rechtsprechung sind bestimmte Dinge von der Patentierung ausgeschlossen, nämlich „abstract ideas, laws of nature and natural phenomena (including products of nature)“», erklärt der Patentanwalt Jan Krauss der dpa schriftlich. Dazu zählten auch Viren, wenn sie nicht wesentlich verändert, also beispielsweise genetisch modifiziert seien. Ein Blick in Kapitel 2106 auf der Website des amerikanischen Patentamtes (USPTO) bestätigt dies.
Um ein Patent zu erhalten, muss eine Erfindung neu sein, da nur Erfindungen und nicht Entdeckungen patentiert werden können. Bei Viren ist das so: Ein Virus ist ein Produkt der Natur («product of nature»). Deshalb muss «ein Virus aus seiner natürlichen Umgebung isoliert oder gentechnisch verändert werden», erklärt Bernd Janssen vom Bundesverband Deutscher Patentanwälte der dpa telefonisch. Das bedeutet, man muss «neue Gensequenzen oder Teile eines Virus herstellen. Zusätzlich braucht man dann für die Gensequenzen eine praktische Anwendung.» Dazu zählen die Herstellung von Impfstoffen, Behandlungen oder diagnostischen Tests – und darauf beziehen sich auch die meisten Patente im Sharepic.
Nicht alle angegebenen Nummern sind Patente
Fast alle der Codes lassen sich mit einer Suche auf patents.google.com schnell finden. Teilweise sind sie bereits abgelaufen, teilweise noch aktiv. Nur eines der Patente (bzgl. Ebola) wurde von den «Vereinigten Staaten», nämlich vom US-Gesundheitsministerium, beantragt. Die erste Patentnummer von SARS wurde hingegen von der kanadischen Gesundheitsbehörde beantragt, die anderen Patente von privaten Unternehmen oder Forschungseinrichtungen aus verschiedenen Staaten.
Eine der angeblichen Patentnummern findet man bei der Suche jedoch nicht: «Zika (ATCC VR-84)». Diese bezieht sich nämlich nicht auf eine Patentanmeldung, sondern ist der Name eines bestimmten Stammes des Zika-Virus. Der gesamte Name lautet Zika-Virus (ATCC VR-84) Stamm MR 766. Dieser Stamm ist bei der American Type Culture Collection (ATCC) hinterlegt, einer Organisation, die Proben verschiedenster Krankheitserreger sammelt, speichert und verkauft.
Das Virus wurde ursprünglich 1953 von Jordi Casals vom Viruslabor der Rockefeller-Stiftung bei der ATCC hinterlegt. Die Rockefeller-Stiftung hat das Virus aber nicht patentiert, wie sie in einer Stellungnahme erklärt.
Patente aus dem Sharepic im Überblick
Die übrigen Nummern sind zwar tatsächlich Patente, beziehen sich aber auf natürlich vorkommendes Virusmaterial, das von Wissenschaftlern isoliert wurde, auf natürlich vorkommendes Virusmaterial, das von Wissenschaftlern verändert wurde oder auf ein völlig anderes Material.
Abgelaufen. Das Patent betrifft «Tetrasilbertetroxid-Molekülkristallgeräte», die die Erfinder als Heilmittel gegen AIDS entwickeln wollten. Beantragt von einem privaten Unternehmen. Das Patent wurde auch für Europa und Israel beantragt, aber nicht genehmigt.
Aktiv. Das Patent bezieht sich nicht auf das Virus selbst, sondern auf ein chemisch synthetisiertes Aptamer. Mithilfe des Aptamers lässt sich das Grippevirus nachweisen.
Aufgegeben. Das kann zu verschiedenen Zeitpunkten während der Laufzeit passieren, oft ist dieser Verzicht strategisch bedingt. Die Erlangung und Aufrechterhaltung eines Patents ist teuer. Wenn das kommerzielle Potenzial nicht ausreicht, um die USPTO-Gebühren und Rechtskosten zu decken, kann ein Patent aufgegeben werden.
Die Patentanmeldung betrifft einen Stamm des menschlichen Ebola-Virus namens EboBun, beantragt vom US-Gesundheitsministerium.
Aktiv. Angemeldet in Kanada. Das Patent betrifft ebenfalls den Stamm des menschlichen Ebola-Virus namens EboBun.
Aktiv. Dieses Patent betrifft gentechnisch veränderte Schweinegrippe-Viren, die in Impfstoffen verwendet werden können. Das Patent wurde von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York beantragt.
Aktiv. Das Patent betrifft DNA-Sequenzen des Sars-Virus, die von Wissenschaftlern isoliert wurden. Angemeldet von der kanadischen Gesundheitsbehörde.
Abgelaufen. Es handelte sich um ein Patent für Sars-Impfstoff-Zusammensetzungen und Verfahren zu ihrer Herstellung und Verwendung.
Coronavirus US-Patent 10130701B2
Aktiv. Es gibt mehrere Coronaviren, zum Beispiel Sars und Sars-CoV-2. Die hier genannte Patentnummer bezieht sich auf eine «abgeschwächte» Lebendversion des Vogel-Infektiösen-Bronchitis-Virus (IBV), aus der ein Impfstoff entwickelt werden soll. Angemeldet vom Pirbright Institute aus England.
Was ist ein Patent?
Ein Patent schützt Erfinder und ihre Ideen. Es gibt ihnen das exklusive Recht, ihre Erfindung für einen bestimmten Zeitraum zu nutzen und zu vermarkten.
Das Europäische Patentamt beschreibt es so: Ein Patent ist ein «Rechtstitel, der Erfindern für einen begrenzten Zeitraum (…) das Recht gibt, andere daran zu hindern, ihre Erfindung ohne ihre Zustimmung in den Ländern, für die das Patent erteilt wurde, herzustellen, zu benutzen oder zu verkaufen.» («Legal title that gives inventors the right, for a limited period (usually 20 years), to prevent others from making, using or selling their invention without their permission in the countries for which the patent has been granted.»)
Jan Krauss erklärt: «Ein Patent ist also ein Verbietungsrecht». Das ist wichtig, weil Erfinder oft viel Zeit und Geld in ihre Forschung investieren. Mit einem Patent können sie eine Erfindung zunächst exklusiv vermarkten und so ihre Investitionen refinanzieren. Im Gegenzug machen sie ihr Wissen öffentlich zugänglich, was besonders in der Forschung von großer Bedeutung ist.
Patente sind auf nationale Grenzen beschränkt. Ein US-Patent schützt eine Erfindung daher nur in den Vereinigten Staaten. Trotz unterschiedlicher nationaler Regelungen seien die Patentvorschriften aber weltweit harmonisiert, wie Bernd Janssen betont.
«Ein Patent verbietet aber nicht, dass andere auf demselben Gebiet forschen und experimentieren», erläutert Janssen weiter. «Im Gegenteil: Ein Patent will die Forschung fördern». Das sogenannte Forschungsprivileg fördere explizit die weitere Forschung an der Erfindung, ohne dass die Forscher Lizenzgebühren zahlen müssten. Dieses Privileg gilt also nicht dem Erfinder, sondern für die gesamte Wissenschaft.
(Stand: 17.7.2024)