Ozempic ist ein Antidiabetikum in Form eines Injektionsstifts und wird zur Regulierung des Blutzuckerspiegels eingenommen. Das Medikament führt jedoch auch Gewichtsverlust. Seine schlankmachende Eigenschaft hat Ozempic weltweiten Erfolg bei Personen ohne Diabetes eingebracht, die das Medikament ohne Verschreibung und außerhalb seiner angedachten Anwendung verwenden und auf Tiktok Werbung dafür machen. Ein Phänomen, das in einigen Ländern zu Engpässen geführt hat und Ärztinnen und Ärzte beunruhigt, zumal sein Wirkstoff in einigen Ländern auch zur Behandlung von Fettleibigkeit zum Verkauf zugelassen ist. Von AFP befragte Expertinnen und Experten warnten, dass Ozempic auch potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen hat. Wer nur ein paar überflüssige Pfunde verlieren wolle, gehe zu große Risiken ein, da kein therapeutischer Nutzen vorliege.
„Vierzig Kilo in drei Monaten verlieren ist möglich, dank des Peptids Semaglutid (…) besser bekannt unter dem Namen Ozempic“, schwärmt ein französischer Tiktok-User im Dezember 2022 in einem Video, das knapp 50.000 Mal angesehen wurde. „Das ist ein Wunder“, „Ozempic, merkt euch nur diesen Namen“: Auf Tiktok ist die Werbung für Gewichtsabnahme durch Ozempic, oder sein Molekül Semaglutid, durch die Decke gegangen. Ende Februar hatte der Hashtag #Ozempic über 500 Millionen Views erzeugt. Auch deutschsprachige Userinnen und User nutzten den Hashtag.
Auf der ganzen Welt erzählen Männer und Frauen von spektakulären Gewichtsverlusten: sieben Kilo in einer Woche oder 24 Kilo in vier Monaten seien angeblich möglich. In diesem Video erklärt die Tiktokerin beispielsweise: „Ich hatte immer die Tendenz, zuzunehmen und nach meinen zwei Schwangerschaften hatte ich 30 [Kilogramm] zugenommen, ich werde sie nicht wieder los.“ Mit dem Blick in die Kamera fährt sie fort: „Also gehe ich zum Arzt, damit er mir ein Medikament zum Abnehmen gibt und er gibt mir das.“ Dabei zeigt sie eine Packung Ozempic, ein Antidiabetikum in Form eines Injektionspens.
Wie viele andere Userinnen und User hat sie sich die „Ozempic-Challenge“ vorgenommen, auch „Ozempic Journey“genannt, und dokumentiert dafür Woche für Woche ihren Gewichtsverlust. Einige Wochen später nimmt sie freudestrahlend ein Video auf: „Diesen Rock konnte ich nach der Geburt meiner Tochter nicht mehr anziehen und jetzt brauche ich dafür einen Gürtel. Ich bin so glücklich, man sieht die Ergebnisse wirklich von Tag zu Tag mehr.“
Was ist Ozempic?
Ozempic ist ein Antidiabetikum auf der Basis von Semaglutid, das injiziert wird. Semaglutid ist ein Molekül, das durch die Bindung an die Rezeptoren des Hormons Glucagon-like Peptid 1 (GLP-1) wirkt. Dieses Hormon spielt eine Rolle bei der Regulierung des Blutzuckerspiegels.
Diabetes zeichnet sich durch eine chronische Hyperglykämie aus, das heißt durch einen hohen Überschuss an Zucker im Blut und damit einen zu hohen Blutzuckerspiegel.
Laut Vidal, einer Arzneimitteldatenbank, stimuliert Ozempic „die Freisetzung von Insulin, wenn der Glukosespiegel im Blut hoch ist. Es verlangsamt auch die Magenentleerung und verringert die Glucagonsekretion (Abgabe von Glucagon, Anm. d. Red.)“. Es wird zur Behandlung von Typ-2-Diabetes bei Erwachsenen in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Mitteln, einschließlich Insulin, verwendet, „wenn sich diese Antidiabetika in Verbindung mit Diät und körperlicher Betätigung als unzureichend erwiesen haben, um den Diabetes zu kontrollieren“.
Jean-François Thébaut ist Vizepräsident des französischen Diabetikerverbands. Er sagte am 20. Februar 2023 gegenüber AFP, dass Semaglutid zu „einer neuen therapeutischen Klasse von Medikamenten“ gehört, „die äußerst wirksam sind, um den Diabetes auszugleichen“.Im Vergleich zu früheren Diabetesbehandlungen, so Thébaut, „haben wir zum ersten Mal einen Rückgang der mit Diabetes verbundenen kardiovaskulären Komplikationen, was bisher nicht der Fall war“.
Auch wenn es nicht seine primäre Funktion ist, hat Semaglutid auch Gewichtsverlust zur Folge, bestätigte Thébaut, „auch wenn dies auf nicht sehr angenehme Nebenwirkungen wie Übelkeit, Appetitlosigkeit und Verdauungsbeschwerden zurückzuführen ist“. Dies ist auch bei anderen Antidiabetika wie Trulicity (Duaglutid) der Fall, mit dem er selbst „15 Kilo abgenommen“ habe, aber vor allem bei Semaglutid wurde dieser Gewichtsverlust durch Studien bestätigt“, erklärte Thébaut.
Vielen Influencerinnen und Influencern sowie Usern geht es vor allem um diesen Schlankheitseffekt. Manche von ihnen warnen aber auch: „Nehmt dieses Medikament nicht, ohne die Meinung eures Arztes einzuholen.
Gefälschte Rezepte
Die französische Tochtergesellschaft des dänischen Labors Novo Nordisk, die Ozempic in Frankreich vermarktet, erklärte auf AFP-Anfrage vom 8. Februar 2023, sie sei sich „bewusst, dass Dritte in sozialen Netzwerken auf eine Verwendung von Ozempic außerhalb seiner Marktzulassung hinweisen“. Novo Nordisk ermutige und fördere nicht die Verwendung seiner Arzneimittel außerhalb der Indikationen für die sie zugelassen seien.
Die Pressestelle des dänischen Hauptsitzes von Novo Nordisk antwortete auf eine AFP-Anfrage am 23. Februar 2023 und erklärte, dass der Konzern „den Gebrauch seiner Medikamente außerhalb einer Verschreibung weder fördert noch vorschlägt oder unterstützt, auch wenn wir anerkennen, dass Ärzte die Freiheit haben, über die Zielgruppe hinaus zu verschreiben“.
In Frankreich kann Ozempic nur mit einem Rezept von einer Ärztin oder einem Arzt in der Apotheke erworben werden. Anschließend werden die Kostenzu 30 Prozent von der Krankenkasse erstattet und wenn der Patient Diabetes hat, sogar zu 100 Prozent.
In Deutschland ist die Abgabe von Ozempic nur an nachweislich an Diabetes erkrankte Personen zulässig, auch in Österreich erhält man das Medikament nur mit Rezept in der Apotheke.
Darum geht es in vielen Kommentaren unter den Tiktok-Videos: „Hallo, nur eine Frage: Wie hast du das Thema dieser Behandlung bei deinem Arzt angesprochen?“, fragt eine Tiktok-Userin, während eine andere sagt: „Glückwunsch, ich habe mit meiner Hausärztin darüber gesprochen und sie meinte, sie würde es auf keinen Fall verschreiben, wenn ich kein Diabetes habe.“
Ein Arzt warf am 22. Februar 2023 auf Twitter genau dieser Frage der Verschreibungspflicht auf, ohne Ozempic explizit zu nennen: „Vergangene Woche ist eine Patientin zu mir gekommen und hat gesagt: ‚Ich würde gerne abnehmen und brauche eine Verschreibung für X‘ (…) X ist ein teures Medikament zur Behandlung von Diabetes. Es hat die beachtliche Nebenwirkung, dass man abnimmt.“
Der Arzt erzählt, wie er und die junge Patientin aneinander vorbeigeredet hättenund wie er sie nach ihren Ernährungsgewohnheiten fragte, sie sich jedoch „für keinen anderen Vorschlag interessierte: X oder nichts“.
Die französischen Gesundheitsbehörden haben sich des Themas Ende 2022 angenommen und haben Ärztinnen und Ärzte alarmiert: Die ANSM, ist die französische Behörde für Arzneimittelsicherheit. Die Behörde forderte im September 2022 die verschreibenden Ärztinnen und Ärzte auf, „sich strikt an die Indikation der Zulassung zu halten und diese Medikamente nur Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes zu verschreiben“. Apothekerinnen und Apothekern empfahl die ANSM: „Raten Sie Patientinnen und Patienten, die über ein Rezept für Ozempic oder Trulicity verfügen, das Sie nicht ausgeben können, sich an ihre Ärztin oder ihren Arzt zu wenden. Falls nötig, kann diese oder diese eine dem Profil entsprechende Alternative vorschlagen.“
Jean-Luc Faillie ist Professor für medizinische Pharmakologie in Montpellier und zuständig für die Pharmakovigilanz, also die Überwachung der Sicherheit, von Semaglutid. Er sagte gegenüber AFP am 10. Februar 2023, dass Apothekerinnen und Apotheker sogar von „gefälschten Rezepten, die mehrere Personen verwendeten“, berichtet hatten. Er betonte: „Das war vor allem in der Region Okzitanien der Fall und das könnte auf eine Art Handel hindeuten.“ Laut einem Artikel der französischen regionalen Tageszeitung „La Manche Libre“ hat die Polizei Mitte Februar 2023 einen Mann festgenommen, der verdächtigt wurde, Ozempic in osteuropäische Länder weiterzuverkaufen.
Trotz dieser Berichte aus dem medizinischen Umfeld versicherte die ANSM in einer Mail an AFP am 9. Februar 2023, dass „es in den letzten Monaten weder eine besondere Spitze oder einen plötzlichen Anstieg des Konsums in Frankreich noch saisonale Schwankungen gibt, die auf eine Off-Label-Verwendung zum Abnehmen hindeuten könnten“.
Angespannte Versorgungslage aufgrund des Hypes
Am 1. März 2023 gab die ANSM jedoch gemeinsam mit der Krankenversicherung „L’Assurance Maladie“ eine Pressemitteilung heraus, in der sie ankündigten, dass Ozempic in Frankreich „einer verstärkten Überwachung“ unterzogen werden sollte.
Die Überwachung soll durch die Verfolgung verschiedener Daten verstärkt werden: der Verkaufs- und Erstattungsdaten aus dem nationalen System der Gesundheitsdaten (SNDS), der Meldung über nichtkonforme Verwendung und der Meldungen von Nebenwirkungen an die regionalen Zentren der Pharmakovigilanz.
Nach den von der ANSM zitierten Daten haben zwischen Oktober 2021 und Oktober 2022 „etwa 600.000 Patientinnen und Patienten ein Arzneimittel aus der Klasse der GLP-1-Analoga erhalten, davon 215.000 speziell Ozempic“. Davon können „2.185 Ozempic-Empfänger nach Schätzungen der Krankenversicherung als Nichtdiabetiker betrachtet werden“, stellte die Krankenversicherung fest und schätzte den Missbrauch so auf rund ein Prozent.
Die Behörden bezeichnen den Missbrauch als „begrenzt“, sind jedoch besorgt über die Auswirkungen auf die Verfügbarkeit des Produkts für Diabetespatientinnen und -patienten.
Die ANSM bemerkte seit Mitte September 2022 eine angespannte Versorgungslage, die „auf eine erhöhte weltweite Nachfrage und insbesondere auf die Nachfrage in den USA“ zurückzuführen sei. Das antwortete die ANSM auf AFP-Anfrage im Februar 2023.
Das Labor Novo Nordisk bestätigte AFP gegenüber diese Spannungen, wobei die französische Zweigniederlassung einräumte, dass seine „derzeitige Lieferkapazität nicht immer dieser zusätzlichen Nachfrage entspricht“ und beklagte „eine unregelmäßige Verfügbarkeit und regelmäßige Fehlbestände“.
Während in Frankreich noch kein Mangel im eigentlichen Sinn herrscht, sind andere Länder davon betroffen, wie beispielsweise Australien, wo es Anfang 2022 an Ozempic fehlt. Neue Dosen konnten erst wieder ab Anfang 2023 geliefert werden, wie die australische Regierung auf ihrer Webseite bekannt gab.
Australien führt den erlittenen Engpass „auf einen unerwarteten Anstieg der Nachfrage aufgrund von Off-Label-Verschreibungen zur Gewichtsabnahme“ zurück. „Die Produktion von Ozempic erfordert einen komplexen Prozess zur Herstellung von Semaglutid mithilfe einer einzigen Anlage in einer einzigen Fabrik, was bedeutet, dass die Wiederherstellung der Versorgung bei einem weltweiten Mangel Zeit braucht“, so die australische Regierung weiter. Der Wirkstoff von Semaglutid wird in Dänemark hergestellt, bestätigte das Labor.
Anfang Februar 2023 gab Novo Nordisk, weltweit auch Nummer eins in der Produktion von Insulin, einen um 16 Prozent höheren Nettogewinn für 2022 bekannt. Dieses Plus verdankt das Pharma-Unternehmen vor allem Ozempic, dessen Umsatz im Jahr 2022 um 61 Prozent anstieg.
Neben der starken weltweiten Nachfrage nach Ozempic stellt das Labor auch Semaglutid für ein anderes Medikament, Wegovy, her. Für dieses Medikament hatte der Konzern die Zulassung zur Behandlung von Fettleibigkeit beantragt und in den USA 2021 erhalten. „Auch wenn Ozempic und Wegovy beide Semaglutid enthalten, handelt es sich dabei nicht um das gleiche Produkt und ist nicht austauschbar“, betonte Novo Nordisk gegenüber AFP. Laut sämtlichen Quellen die AFP angefragt hatte, liegt der grundsätzliche Unterschied zwischen den beiden Medikamenten in seiner Dosierung, die bei Wegovy höher ausfällt.
Wegovy wird derzeit in den USA, Norwegen und Dänemark vermarktet. Theoretisch ist das Medikament nur für übergewichtige Menschen mit einem Body Mass Index (BMI) von über 30 und mindestens einer Krankheit, die mit Fettleibigkeit in Verbindung gebracht wird, als Ergänzung zu einer Diät und mehr körperlicher Aktivität geeignet. Trotzdem wird es auch in sozialen Netzwerken, insbesondere in den USA, stark beworben, um „überflüssige Pfunde“ zu verlieren.
Der Milliardär Elon Musk hatte selbst auf Twitter dafür geworben, als eine Nutzerin ihn nach seinem Abnehmgeheimnis gefragt hatte: „Eine Diät machen + Ozempic / Wegovy + kein leckeres Essen in meiner Nähe“.
In Frankreich erhielt Wegovy Ende Dezember ebenfalls eine Marktzulassung für die Behandlung von „Fettleibigkeit bei einem BMI von über 30 oder über 27, sofern eine Begleiterkrankung vorliegt, es wird aber noch nicht vermarktet“, gab die ANSM gegenüber AFP an. Bisher wird es nur in Ausnahmefällen mit einem verbindlichen Ausnahmeverfahren für fettleibige Patientinnen und Patienten (BMI über 40) mit einer Begleiterkrankung (Bluthochdruck, Schlafapnoe, Herz-Kreislauf-Erkrankungen) ausgestellt.
Karine Clément ist Spezialistin für Fettleibigkeit bei der französischen Forschungs- und Entwicklungseinrichtung Inserm, die unter Verantwortung des französischen Gesundheits- und Forschungsministeriums steht. Sie sagte gegenüber AFP am 22. Februar 2023, dass „Wegovy bei klinischen Effekten eine recht interessante Wirkung gezeigt“ hat, „mit einem Gewichtsverlust von zehn Prozent über ein Jahr“. Für sie ist dieses Medikament „eine neue Saite im Bogen des Kampfes gegen Fettleibigkeit“, aber es könne keinesfalls ausreichen: „Die Behandlung von Fettleibigkeit muss umfassend sein, verhaltensorientiert und manchmal auch psychologisch.“
Weiterhin erklärte Clément: „Das ist wie beim Bluthochdruck: Die Tatsache, dass es eine Kombination von Medikamenten gibt, die auf verschiedene biologische Faktoren wirken, aber dass die Patientinnen und Patienten auch aufgefordert werden, mit dem Rauchen aufzuhören oder den Salzkonsum einzuschränken oder versuchen, Gewicht zu verlieren, schockiert niemanden.“
Wenn Wegovy für eine größere Anzahl von Patientinnen und Patienten zugänglich wird, betont die Expertin, „muss man die Verschreibung gut eingrenzen und wirklich vorsichtig sein, denn es handelt sich nicht um ein ‚magisches‘ Medikament, sondern wie immer bei Fettleibigkeit muss es von einer umfassenden Betreuung begleitet werden“.
Gallenprobleme und Schilddrüsenkrebs
Die Einnahme von Semaglutid erfolgt in der Regel über einen längeren Zeitraum (Monate oder Jahre), da die gewichtsreduzierende Wirkung mit dem Absetzen der Behandlung endet, was häufig mit einer erneuten Gewichtszunahme einhergeht. „Sobald man aufhört, nimmt man wieder zu“, sagte Jean-François Thébaut vom Diabetikerverband.
Daher befürchtet Thébaut nach der Einführung von Wegovy auf dem französischen Markt einen Ansturm auf Semaglutid, der die Chancen von Diabetikerinnen und Diabetikern verringern könnte, an das Medikament zu kommen.
Für Jean-Luc Faillie, zuständig für die Pharmakovigilanz von Semaglutid, „ist der entscheidende Punkt, dass dieses Medikament bei Diabetes eingesetzt wird, mit Vorteilen bei der Verringerung von Diabeteskomplikationen. Bei Fettleibigkeit gibt es derzeit noch keine Ergebnisse zur Reduzierung von Komplikationen, daher sollte man dieses Medikament eher sehr fettleibigen Menschen vorbehalten, die potenziell von einem sehr großen therapeutischen Effekt profitieren werden. In diesen Fällen wird man die mit dem Medikament verbundenen Risiken in Kauf nehmen.“
Semaglutid zu nehmen ist nämlich nicht harmlos: Auf Tiktok klagen viele über lästige Nebenwirkungen, im Wesentlichen die Verdauung betreffend: Ekel vor bestimmten Lebensmitteln, Übelkeit, Müdigkeit, Sodbrennen, oder Schwindelgefühl nach dem Aufstehen.
Laut Jean-Luc Faillie, der die Meldungen der regionalen Pharmakovigilanz-Behörden CPRV einsieht, würden nicht alle Nebenwirkungen gemeldet: „Das ist das Problem [des Gebrauchs] ‚außerhalb des Rahmens‘: Weder die verschreibenden Ärztinnen und Ärzte noch die Patientinnen und Patienten haben große Lust, diese Nebenwirkungen zu melden.“
Zudem sagte Faillie: „Es gibt auch seltenere, aber schwerwiegende Risiken wie akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse, die auch bei niedrigen Dosen auftreten kann, Gallenstörungen, seltene Fälle von schwerer Verstopfung, die auch zu einem Darmverschluss führen kann.“ Ebenso wies er auf ein „erhöhtes Risiko für Schilddrüsenkrebs“ nach mehreren Jahren Behandlung hin.
„Die SFPT kann die Verwendung von GLP-1-Rezeptoragonisten als Schlankheitsmittel nicht empfehlen, solange keine Beweise für einen nachgewiesenen klinischen Nutzen vorliegen, der über den reinen Gewichtsverlust (der nach Absetzen der Behandlung nicht anhält) bei potenziell schwerwiegenden Risiken einer Langzeitbehandlung hinausgeht“, schloss die Société française de pharmacologie et de thérapeutique, die französische Gesellschaft für Pharmakologie und Therapeutik.
In sozialen Netzwerken fragen sich Userinnen und User: Und wenn Ozempic „das neue Mediator ist?“. Mediator wurde 1976 als Antidiabetikum vermarktet, unberechtigterweise bis zu seinem Verbot im Jahr 2009 aber auch als appetithemmendes Mittel verschrieben. Das Medikament führte bei Tausenden von Patientinnen und Patienten zu schweren, kardiovaskulären Auswirkungen und einige von ihnen starben anschließend.
Faillie sagte dazu jedoch: „Wir alle haben Mediator im Kopf, aber wir befinden uns nicht in derselben Situation, weil wir mehr Erfahrung mit dieser pharmakologischen Klasse haben, die positive Auswirkungen bei Diabetes und kontrollierten Risiken gezeigt hat, auch wenn es noch Unsicherheiten gibt, insbesondere bei fettleibigen Patientinnen und Patienten auf lange Sicht.“
Weiter gab Faillie zu bedenken: „Man muss vorsichtig sein, was Nebenwirkungen angeht, weil es sich um Medikamente handelt, die in einer höheren Dosis als bei Diabetes eingenommen werden, für eine lange Zeit zur chronischen Behandlung von Fettleibigkeit. Die Medikamente werden außerdem in höherem Maße verschrieben, weil Fettleibigkeit ein großes Problem der allgemeinen öffentlichen Gesundheit ist.“
Abschließend fügte er hinzu: „Daher sollte man das Medikament vor allem sehr fettleibigen Menschen verabreichen, die daraus wahrscheinlich einen hohen therapeutischen Nutzen ziehen werden, was höhere Risiken von Nebenwirkungen rechtfertigen würde. Setzt man es bei leichtem Übergewicht oder zur Gewichtsabnahme ein, ist der therapeutische Nutzen gleich null, da es lediglich um Ästhetik geht, während die Risiken immer noch vorhanden sind.“