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Video zeigt freiwillige Helfer gegen kanadische Brände, keine Brandstifter

In sozialen Medien wird ein Video geteilt, das zeigt, wie Menschen vor einem Feuer davonlaufen. Nutzerinnen und Nutzer behaupten, es handele sich dabei um Brandstifter. Das ist jedoch falsch. Die Person, die das Video hochgeladen hat, erklärte gegenüber AFP: Im Video sind Freiwillige aus Québec zu sehen, die an einem Feuerwehreinsatz teilnahmen.

„#Kanada #Waldbrand #Brandstiftung #Klimaluege“ – mit diesen Hashtags teilte ein Nutzer am 21. August 2023 ein Video auf X (ehemals Twitter), in dem Menschen vor nahenden Waldbränden davonlaufen. Der Beitrag, der das Video beinhaltet und von dem Nutzer geteilt wurde, ist von Zehntausend Nutzerinnen und Nutzern verbreitet worden. Andere Posts enthalten neben dem Clip weitere Behauptungen über die kanadischen Waldbrände.

Posts mit ähnlichen Behauptungen zur Brandstiftung in Kanada kursieren auch auf Englisch.

Facebook-Screenshot der Behauptung, aufgenommen am 4. September 2023

Kanada erleidet derzeit die schlimmste Waldbrandsaison seit Beginn der Aufzeichnungen, die ersten Brände wurden bereits im Mai in den westlichen Provinzen Alberta und British Columbia gemeldet. Insgesamt verbrannten bisher mehr als 16 Millionen Hektar – eine Fläche größer als Griechenland. 200.000 Menschen wurden bislang insgesamt evakuiert, vier Menschen starben.

Die Behauptung, wonach Brandstifter auf dem geteilten Video zu sehen sind, ist falsch. Einer der frühesten Beiträge wurde auf Englisch am 25. Juni 2023 von dem amerikanischen Autoren David Wolfe auf Telegram geteilt. Wolfe teilte bereits in der Vergangenheit Desinformation in sozialen Netzen, wie AFP berichtete.

In dem Clip ist der Profilname Leo Urban zu sehen. Urban veröffentlicht online Beiträge zu Umweltthemen und Parkour.

In einem Instagram-Beitrag vom 25. Juni 2023 schrieb er, das Video zeige keine Brandstiftung, sondern freiwillige Feuerwehreinsätze, zu denen Mitglieder der indigenen Obedjiwan-Gemeinschaft der Atikamekw in der Nähe des Dorfes Obedjiwan in Québec ausgerückt waren.

Instagram-Screenshot des Originalbeitrags von Leo Urban, aufgenommen am 6. September 2023

„Ich traf zufällig den Dorfvorsteher, der mir erzählte, wie sie die Waldbrände bekämpften“, erklärte Urban in einer E-Mail vom 29. Juni 2023 an AFP. „Ich fragte ihn, ob es möglich wäre, sie vor Ort zu begleiten.“

Urbans Sprecherin Louise Vigouroux sagte am 26. Juni 2023 gegenüber AFP, er habe Kanada besucht, um eine Dokumentation des französischen Senders Canal+ über Umweltfragen an verschiedenen Orten der Welt zu drehen. Er sei in Québec gewesen, um sich über den Schutz der Karibus zu informieren. Er habe sich aber auch in der Nähe von Waldbränden aufgehalten und habe den Atikamekw bei der Bekämpfung der Flammen helfen wollen.

„Die Bäume waren gefällt und das Wasser hat nichts gebracht“, sagte Urban. „Frauen weinten und beteten, und Männer hoben ihre Hände symbolisch in Richtung der Flammen, während sie in ihrer Sprache sprachen, als letzte Hoffnung“, erzählte er weiter. „Aber wir mussten evakuieren.“

Urban sagte, Obedjiwan sei sehr abgelegen und verfüge nur über eine einzige Zufahrtsstraße. Die Feuerwehr der Provinz sei nicht in der Lage gewesen, den Ort zu erreichen, da sie sich auf andere Brände konzentriert habe. Berichten zufolge hätten die Freiwilligen der Atikamekw mit französischen Feuerwehrleuten zusammengearbeitet, die zur Hilfe nach Kanada gekommen seien.

Lokale Medien haben über die Bemühungen der Freiwilligen Feuerwehr Obedjiwan berichtet. Bilder von Menschen, die vor den Flammen fliehen (hier archiviert), ähneln der Szene in Urbans Instagram-Video. Ende Juni ist laut Medienberichten Verstärkung von Feuerwehrleuten aus der Provinz in Obedjiwan eingetroffen.

Verhaftungen wegen Brandstiftung nicht in Québec

Auch auf Facebook sind Beiträge mit einem Screenshot des Videos zu sehen. Er ist Bestandteil eines Artikels des Blogs „Freie Welt“, in dem berichtet wird, dass vier Frauen wegen Brandstiftung in Yellowknife, Kanada, festgenommen worden und zwei Männer noch auf der Flucht seien. Das vielfach geteilte Video wird in dem Artikel ebenfalls erwähnt. Darin würde ein Mann sagen: „Es ist getan, wir müssen weg“.

In dem Blogartikel wird berichtet, dass vier Frauen wegen Brandstiftung in Yellowknife festgenommen worden und zwei Männer auf der Flucht seien. Die Behauptung deckt sich mit einem Polizeibericht der Royal Canadian Mounted Police vom 16. August 2023 (hier archiviert), der auch im Artikel erwähnt wird.

Obedjiwan im Osten des Landes, wo das Video aufgenommen wurde, liegt allerdings mehrere tausend Kilometer südöstlich von Yellowknife (Hauptstadt der kanadischen Nordwest-Territorien) und hat somit nichts mit den Beschuldigten im Polizeibericht zu tun.

Keine Einschränkung von Waldbrandinhalten in sozialen Medien

Auf Tiktok wurde ein ähnlicher Clip vom 20. August 2023 über 2000 Mal geteilt. Darin sind ebenfalls die Aufnahmen der vor den Flammen fliehenden Menschen zu sehen. Zusätzlich wird darin behauptet, dass Berichterstattung über die Brände in Kanada durch ein Gesetz zensiert werde.

Die Behauptung aus dem Tiktok-Video, wonach Kanadierinnen und Kanadier aufgrund des Online Streaming Acts, dem sogenannten C-11-Act, keine Informationen über die Waldbrände in den sozialen Medien erhielten, da sie zensiert würden, ist ebenfalls falsch. Dem Gesetz zufolge muss ein gewisser Prozentsatz der Inhalte auf Streaming-Plattformen kanadisch sein. Einschränkungen von Nutzerinhalten in sozialen Medien sind nicht Gegenstand des Gesetzes, wie AFP hier bereits widerlegt hat.

Desinformation zu den Waldbränden

Seit Beginn dieser bisher schlimmsten Waldbrandsaison in Kanada hat AFP bereits verschiedene Behauptungen über heimtückische Brandstiftungen widerlegt. Außerdem wird in sozialen Medien fälschlicherweise behauptet, bei den kanadischen Waldbränden würden keine Bäume brennen.

Speziell in Québec behaupteten Nutzerinnen und Nutzer sozialer Medien fälschlicherweise, dass der fast gleichzeitige Ausbruch vieler intensiver Brände auf eine Art von Angriff hinweise. Die Waldbrandschutzbehörde von Québec erklärte jedoch gegenüber AFP am 7. Juni 2023, die Brände seien auf Blitzeinschläge zurückzuführen, die sie etwa zur gleichen Zeit entfachten.

Die Beiträge befeuern damit auch verschiedene Verschwörungstheorien, etwa dass Extremwetterereignisse absichtlich herbeigeführt seien und damit nicht dem Klimawandel zuzuschreiben seien. Andere Beiträge vermuten dahinter auch eine mithilfe von Bränden umgesetzte „Umweltagenda“, um beispielsweise von der Regierung auferlegte „Klimalockdowns“ durchzusetzen.

Expertinnen und Experten haben gegenüber AFP jedoch erklärt, dass Trockenheit bei hohen Temperaturen die Waldbrandsaison verschlimmert. Bis zum 5. September 2023 sind nach Angaben des Ressourcenministeriums Natural Resources Canada mehr als 16 Millionen Hektar Land verbrannt – ein Rekord für das Land in einer einzigen Saison.

Fazit: In einem Video, das angeblich Brandstifter in Kanada zeigt, sind Freiwillige zu sehen, die bei der Bekämpfung der Flammen helfen, wie der Urheber des Videos gegenüber AFP erklärte. Festgenommene Brandstifterinnen aus Yellowknife sind in dem Video aus Québec nicht zu sehen. Der Online Streaming Act schränkt darüber hinaus keine Nutzerinhalte ein, sondern schreibt einen bestimmten Anteil kanadischer Inhalte auf Streaming-Plattformen vor.

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Umwelt, Katastrophen

Autor(en): Gwen Roley / Johanna LEHN / AFP Deutschland / AFP Kanada

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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