Vorsicht bei dieser Liste mit Behauptungen über Honig und Bienen - Featured image

Vorsicht bei dieser Liste mit Behauptungen über Honig und Bienen

Honig ist für seine gesundheitsfördernde Wirkung bekannt. Online wurde tausendfach eine Liste mit Behauptungen über Bienen und Honig in verschiedenen Sprachen verbreitet. Honig enthalte „lebende Enzyme“, die beim Kontakt mit Metall „sterben“, heißt es etwa darin. Einige dieser Aussagen sind jedoch irreführend oder falsch, erklärten Fachleute gegenüber AFP. 

„Honig ist eines der wenigen Lebensmittel auf der Erde, das allein menschliches Leben erhalten kann“, heißt es in einem Facebook-Post, der seit seiner Veröffentlichung am 27. Juni 2024 über 7000 Mal geteilt wurde. Es folgt eine Liste mit verschiedenen weiteren Behauptungen über Bienen und Honig, etwa dass Honig „lebende Enzyme“ enthalte, die „bei Kontakt mit einem Metalllöffel sterben“ würden, oder dass Honig eine Substanz enthalte, „die das Gehirn besser arbeiten lässt“.

Auch auf Telegram, X und Instagram wurde die Liste vielfach geteilt. Die inhaltlich identischen Aussagen wurden in anderen Sprachen wie Französisch, FinnischSchwedisch und Rumänisch ebenfalls tausendfach geteilt.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 29. November 2024

Mehrere von AFP kontaktierte Fachleute betonten, dass ein paar der genannten Vorteile von Honig und Bienen tatsächlich zutreffen, doch andere seien übertrieben, irreführend oder falsch. „Die Vorteile von Honig, […] und anderen Bienenprodukten sind unbestreitbar. Aber wir sollten keinen Unsinn verbreiten“, sagte Henri Clément, Sprecher des französischen Nationalen Imkerbundes (UNAF), in einem Interview am 2. September 2024 gegenüber AFP.

Honig kann unbedenklich mit jedem Löffel gegessen werden 

Die online kuriserende Behauptung zu „lebenden Enzymen“ sind irreführend: Ein Beiratsmitglied des Deutschen Imkerbundes e.V. erklärte auf AFP-Anfrage am 28. November 2024, dass Enzyme keine Lebewesen seien. Enzyme sind Proteine, die chemische Reaktionen im Körper beschleunigen. Sie spielen eine entscheidende Rolle im Stoffwechsel, indem sie bei der Verdauung Fette, Proteine und Kohlenhydrate abbauen und Nahrung in Energie und Nährstoffe für Wachstum und Zellreparatur umwandeln. Der menschliche Körper produziert auf natürliche Weise Enzyme, aber sie sind auch in Lebensmitteln und industriell hergestellten Produkten enthalten.

Marie-Laure Legroux, Vizepräsidentin der französischen Zentralen Gesellschaft für Bienenzucht (SCA), stimmte dem zu. Sie erklärte gegenüber AFP am 12. September 2024: „Enzyme werden von lebenden Zellen produziert, aber es handelt sich um organische Substanzen“, nicht um Lebewesen. Und weiter: „Jede Biene hat leicht unterschiedliche Enzyme, die in die Umwandlung von Nektar zu Honig eingreifen.“ Von „lebenden“, statt von aktiven Enzymen zu sprechen, sei demnach falsch.

„Höhere Temperaturen zerstören die komplizierte Struktur von aktiven Enzymen“, schrieb der Beirat des Deutschen Imkerbundes per E-Mail. „Der Kontakt mit Metalllöffeln, sofern diese Raumtemperatur haben oder noch kühler sind, zerstören die Aktivität nicht“, fügte er hinzu. In der Imkerei seien zahlreiche Edelstahlgeräte und -gefäße bei der Honigbearbeitung in Benutzung.

Darum sei auch die Behauptung, man solle Honig am besten mit einem Holz- oder Plastiklöffel essen, irreführend: „Es ist eine individuelle Entscheidung, welches Besteckmaterial man für den haptischen Effekt bei der Aufnahme von Honig bevorzugt“, schrieb der Beirat. Die Behauptung, dass die im Honig enthaltenen Enzyme durch den Kontakt mit Metallen beschädigt werden, sei jedoch falsch.

Honig reicht nicht als einziges Nahrungsmittel zum Überleben

In den Beiträgen wird behauptet, dass Honig „eines der wenigen Lebensmittel auf der Erde [sei], das allein menschliches Leben erhalten kann“.

Honig besteht zu 80 bis 85 Prozent aus Kohlenhydraten und zu 15 bis 17 Prozent aus Wasser. Er enthält zudem Spuren von Vitaminen, Mineralien und Antioxidantien. „Honig enthält fast keine Proteine, Fette, Vitamine und so weiter“, schrieb Anneli Salonen, Forschungsberaterin beim finnischen Imkerbund, am 1. Oktober 2024 in einer E-Mail an AFP. „Er enthält zwar einige Pollen, die Proteine, Fette und Mineralien enthalten, aber die Mengen reichen nicht für den menschlichen Bedarf aus.“

Natuschka Lee von der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften stimmte dem zu. „Alles organische Leben auf unserem Planeten benötigt sowohl Kohlenhydrate als auch Proteine. Die Menge an Protein im Honig ist zu gering, um unseren täglichen Proteinbedarf zu decken“, sagte sie. „Selbst Bienen leben nicht nur von Honig, sondern ergänzen ihre Ernährung mit Pollen.“

Eine weitere Behauptung der kursierenden Liste lautet, ein Teelöffel Honig würde ausreichen, um „menschliches Leben 24 Stunden lang zu erhalten“. Von AFP kontaktierte Fachleute wiesen darauf hin, dass auch diese Aussage irreführend sei – schließlich könne man „24 Stunden lang gar nichts essen und am Leben bleiben“, sagte Legroux.

Ein Imker zeigt im jemenitischen Sanaa Honigwaben, 1. August 2023 – MOHAMMED HUWAIS / AFP

Der Beirat des Deutschen Imkerbundes erklärte zudem: „Auf einen Teelöffel passen je nach dessen Größe circa 10 bis maximal 20 Gramm Honig, das sind circa 140 bis 280 Kilojoule“. Da eine Frau mittleren Alters für 24 Stunden durchschnittlich 8000 Kilojoule benötigen würde, ein Mann mittleren Alters sogar bis zu 10.000 Kilojoule, würden 20 Gramm Honig „selbst in einer Hungerphase“ nicht ausreichen, „um den hungerbedingen Abbauprozess von Körpermasse aufzuhalten“.

Honig hat keinen bewiesenen zusätzlichen Einfluss auf Gehirnaktivitäten

In den Beiträgen wird behauptet, dass Honig eine Substanz enthält, „die Ihr Gehirn besser arbeiten lässt“. Als süßes Lebensmittel hat Honig unweigerlich einen Einfluss auf das Gehirn – jedoch nicht stärker als andere zuckerhaltige Lebensmittel, erklärten Expertinnen und Experten

Laut Website der Harvard Medical School ist das Gehirn das Organ mit dem höchsten Energiebedarf. Es verbraucht demnach die Hälfte der gesamten Energie im Körper und ist „auf Zucker als Hauptbrennstoff angewiesen“. Aber selbst wenn das Gehirn Glucose benötigt, kann ein Zuviel dieser Energiequelle zu Komplikationen führen, wie etwa Gewichtszunahme, Diabetes und sogar Gedächtnisstörungen.

„In Honig […] sind insbesondere die schnell verdaulichen Einfachzucker Glucose und Fructose in großen Mengen enthalten“, erklärte der Beirat des Deutschen Imkerverbandes. Darüber hinaus gebe es jedoch „keine Minorsubstanz im Honig, die eine besondere Bedeutung für die Hirnaktivität hätte“. Natuschka Lee von der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften und Forschungsberaterin Anneli Salonen stimmten dem zu.

Laut einem 2023 erschienenen Übersichtsartikel könnte Honig die Gesundheit des Gehirns fördern, indem er Stress und Entzündungen reduziert. Seine Vorteile sind auf seine antioxidativen Verbindungen zurückzuführen. Diese Verbindungen tragen dazu bei, neurotoxische Faktoren zu reduzieren und die Gehirnfunktion zu unterstützen. Es seien jedoch weitere Untersuchungen erforderlich, um das Potenzial von Honig in diesem Bereich vollständig zu erforschen, so der Artikel.

Übertriebene Aussagen zu Propolis

Propolis ist eine harzähnliche Masse, mit der Bienen ihre Waben abdichten und der zahlreiche gesundheitliche Vorteile zugeschrieben werden. Bienen produzieren Propolis, indem sie eine harzähnliche Substanz von den Knospen von Bäumen und Sträuchern sammeln und sie mit Sekreten aus ihren Drüsen vermischen. Es ist für seine antibiotischen Eigenschaften bekannt, obwohl seine Zusammensetzung und Eigenschaften je nach den Pflanzenarten, die die Bienen besucht haben, variieren, führt der Deutsche Imkerbund auf seiner Website aus. „Propolis enthält zahlreiche sekundäre Pflanzenstoffe aus der Gruppe der Polyphenole (unter anderem Flavone), welche tatsächlich eine starke antibiotische Wirkung haben“, fügte der Beirat des Deutschen Imkerbundes hinzu.

Doch wie genau Propolis wirkt, könne sehr unterschiedlich ausfallen, führte Forschungsberaterin Salonen aus: „Die Zusammensetzung von Propolis – und damit auch seine Wirksamkeit – variiert stark je nach Herkunftsregion“, sagte sie gegenüber AFP. „Bienen produzieren auf der ganzen Welt Propolis aus den antibakteriellen Verbindungen, die ihnen die umgebende Vegetation bietet, und verwenden es als chemische Waffe gegen Mikroben im Bienenstock.“

Sie erklärte, dass einer der Vorteile von Propolis darin bestehe, dass Bakterien keine Resistenz gegen die antibiotische Wirkung entwickeln, da es unterschiedliche Wirkstoffe enthalte. „Der Nachteil ist jedoch der gleiche: weil die chemische Zusammensetzung von Propolis so stark variiert, kann es in der EU nicht als Medikament eingestuft werden und es können auch keine verlässlichen gesundheitsbezogenen Angaben gemacht werden“, fügte Salonen hinzu.

Lee von der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften ordnete insgesamt ein, dass die Behauptung, Propolis sei eines der stärksten natürlichen Antibiotika, „übertrieben“ sei.

Antonio Salatino, Professor am Fachbereich für Botanik des Instituts für Biowissenschaften der Universität São Paulo, der umfangreiche Forschungen zu Propolis durchgeführt hat, ist der Ansicht, dass es „schwierig ist, Propolis als ein ‚Antibiotikum‘ zu bezeichnen“. Der Begriff „Antibiotikum“ beziehe sich auf Medikamente, die von pharmazeutischen Laboren zur Behandlung von Infektionskrankheiten hergestellt werden, sagte er am 25. September 2024 gegenüber AFP. „Bisher war noch kein pharmazeutisches Labor an der Herstellung und Vermarktung von Medikamenten auf Propolisbasis beteiligt.“

„Hunderte wissenschaftliche Artikel über Untersuchungen mit Extrakten und isolierten Bestandteilen von Propolis haben jedoch über die Wirkung der Wachstumshemmung mehrerer pathogener Bakterien berichtet“, fügte Salatino hinzu. So zeigte etwa eine Studie aus dem Jahr 2019, dass Propolis gegen verschiedene Arten von Bakterien wirken könnte, auch wenn seine Wirkung von der chemischen Zusammensetzung abhängt und diese je nach Herkunftsort unterschiedlich ist.

„Verfallsdatum“ versus „Mindesthaltbarkeitsdatum“

Eine weitere Behauptung in den online kursierenden Beiträgen ist, dass Honig kein Verfallsdatum haben soll.“Ein Verfallsdatum haben leicht verderbliche Lebensmittel“, stellte der Beirat des Deutschen Imkerbundes klar. Honig ist kein leicht verderbliches Lebensmittel und müsse darum ein Mindesthaltbarkeitsdatum aufweisen.

Honig besitzt natürliche Konservierungseigenschaften: Der niedrige Feuchtigkeitsgehalt, ein saurer pH-Wert und eine hohe Zuckerkonzentration verhindern das Wachstum von Bakterien und Schimmel. Darum verdirbt Honig nicht. Allerdings kann sich die Textur, Farbe und der Geschmack von Honig mit der Zeit verändern, insbesondere wenn er nicht richtig gelagert wird.

Eine Biene sammelt in der Nähe von Dortmund Pollen, 29. August 2024 – THOMAS KIENZLE / AFP

„Honig ist im Gegensatz zu fast allen anderen Nahrungsmitteln bei entsprechender Lagerung über Jahre hinweg ohne Qualitätseinbußen lagerfähig“, heißt es etwa auf der Website des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Doch die Qualität könne sich bei falscher Lagerung verschlechtern: Hitze beschleunigt den Abbau von Zucker, was zur Bildung von Hydromethulfur führen kann, einer für Bienen giftigen Verbindung. Für den menschlichen Verzehr ist Honig auch deutlich jenseits des Mindesthaltbarkeitsdatums gesundheitlich unbedenklich.

Unterschiedliche Lebensdauer von Bienenarten

In der Liste von Behauptungen heißt es auch: „Eine Biene lebt weniger als 40 Tage, besucht mindestens 1000 Blüten und produziert in ihrem Leben weniger als einen Teelöffel Honig“. Das ist laut Fachleuten ungenau.

Der Beirat des Deutschen Imkerbundes führte aus: „Die Arbeiterin im Honigbienenvolk lebt als Sommerbiene tatsächlich nur circa 30 bis 35 Tage.“ Doch Winterbienen leben deutlich länger, bis maximal 270 Tage. Dieser Unterschied liegt daran, dass Arbeitsbienen im Sommer Stress ausgesetzt sind und mehr Energie verbrauchen, während sie im Winter keine Larven füttern oder Nahrung sammeln müssen.

In einem einzigen Sammelflug kann eine Arbeitsbiene mehrere hundert Blüten besuchen, was im gesamten Leben 6000 bis 20.000 Blüten ergeben könne, erklärte der Beirat weiter. „Dabei trägt sie so viel Nektar ein, dass daraus im Stock maximal ein Gramm Honig, also circa ein Zehntel Teelöffel entsteht.“

Weitere historische Aussagen über Bienen treffen zu. Tatsächlich befand sich auf einer der ältesten gefundenen Münzen der Welt ein Bienensymbol – dabei handelte es sich laut Aussage des Beirats des Deutschen Imkervereins um eine Silbermünze von Ephesos von circa 600 vor Christus. Auch sei Honig in einigen Pharaonengräbern tatsächlich als Grabbeigabe gefunden worden.

Fazit: Honig hat laut Fachleuten zwar viele gesundheitsfördernden Eigenschaften, doch eine online kursierende Liste enthält einige falsche und irreführende Behauptungen. So werden die Enzyme in Honig nicht durch den Kontakt mit Metall zerstört und ein Mensch kann sich auch nicht auf Dauer nur von Honig ernähren.

Fact Checker Logo

Verbraucher, Gesundheit

Autor(en): Gundula HAAGE / Alexis ORSINI / AFP Frankreich / AFP Finnland / AFP Rumänien / AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

Nach oben scrollen