Weniger Waldbrände und mehr Regen widersprechen dem Klimawandel? Dieser Behauptung fehlt Kontext

In einem 39-sekündigen Video auf seinem Tiktok-Kanal behauptet der Mediziner Paul Brandenburg, die Zahl der Waldbrände in Südeuropa sinke. Außerdem sei in Deutschland die Niederschlagsmenge seit 1881 um rund sieben Prozent gestiegen: „Mitnichten also Dürre“ und „alles, was wir an Fakten ermitteln können, spricht gegen die Hypothesen der Klimahysteriker, und die Modelle, die sie präsentieren“, resümiert er. Das Video wurde auf Tiktok 60.000 mal gesehen und auf Telegram weiterverbreitet.

Es ist ein kurzer Ausschnitt aus Brandenburgs Youtube-Format „Paul Brandenburg live“. Das Thema der 90-minütigen Sendung: „Wie viel vom Klimawandel ist menschengemacht?“.

Brandenburgs Aussagen stützen sich auf Zahlen der EU-Kommission und eine weitere Quelle, die er im Video nicht nennt. Wir haben den Bericht der EU-Kommission zu Waldbränden in Europa geprüft, Brandenburg nach seinen Quellen gefragt und die Aussagen zur Niederschlagsmenge mit Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) abgeglichen.

Das Ergebnis: Brandenburg nennt die korrekten Zahlen, lässt für seine Argumentation jedoch relevanten Kontext aus. Mehr Niederschlag gibt es in Deutschland vor allem im Winter. Im Sommer trifft der Regen hingegen auf trockene Böden und fließt zu einem großen Teil ab. So kommt es vermehrt zu Dürren. Der sinkenden Zahl der Waldbrände steht eine Zunahme unkontrollierbarer Feuer gegenüber, auch die Größe der verbrannten Fläche muss in die Betrachtung miteinbezogen werden.

Paul Brandenburg stellt in diesem Tiktok-Video Behauptungen über die Zahl der Waldbrände in Südeuropa und die Niederschlagsentwicklung in Deutschland auf
Paul Brandenburg stellt in diesem Tiktok-Video Behauptungen über die Zahl der Waldbrände in Südeuropa und die Niederschlagsentwicklung in Deutschland auf (Quelle: Tiktok; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Brandenburg bezieht sich auf Zahlen der EU-Kommission zu Waldbränden in Südeuropa

Zum Thema Waldbrände sagt Brandenburg im Video auf Tiktok konkret: „Die Zahl der Waldbrände in Südeuropa und Griechenland sinkt. Selbst nach Zahlen der Europäischen Kommission, aktuelle Zahlen. Mitnichten gibt es mehr Waldbrände.“ Er legt nahe, dass eine gesunkene Anzahl von Feuern dem Klimawandel widerspreche. Doch hier fehlt relevanter Kontext.

Auf Nachfrage teilte uns Brandenburg mit, dass er sich auf den aktuellsten Bericht der EU-Kommission zu Waldbränden aus dem Jahr 2022 beziehe. Dort gibt es ein Kapitel zur Beurteilung der Waldbrandsituation im Süden Europas und auch explizit in Griechenland.

Schauen wir uns zunächst Südeuropa insgesamt an: Im Bericht (Seite 115) heißt es, dass seit Mitte der 2000er Jahre die Zahl der Feuer im Süden Europas gesunken ist. In Zahlen bedeutet das für das Jahr 2021: Es gab 28.944 Feuer, und damit weniger als in den Jahren zuvor und eine der niedrigsten Zahlen der vergangenen Jahrzehnte – soweit trifft Brandenburg Aussage zu.

Doch er lässt außer Acht, dass in dem Bericht der EU-Kommission auch die verbrannte Fläche betrachtet wird. Ein Beispiel: 1985 brannte knapp eine Millionen Hektar Fläche ab, demgegenüber standen knapp 45.000 Feuer. Zum Vergleich: 2005 gab es knapp 80.000 Feuer, die verbrannte Fläche lag bei knapp 600.000 Hektar. Die aktuellsten Zahlen des Berichts der EU-Kommission gehen bis zum Jahr 2021. Da gab es knapp 30.000 Brände in Südeuropa, 391.736 Hektar verbrannten:

Die obere Grafik bildet die verbrannte Fläche durch Waldbrände in Südeuropa zwischen 1980 und 2021 ab, die untere die Anzahl der Brände. Es zeigt sich also deutlich: Die Anzahl der Brände korreliert nicht unbedingt mit der verbrannten Fläche.
Die obere Grafik bildet die verbrannte Fläche durch Waldbrände in Südeuropa zwischen 1980 und 2021 ab, die untere die Anzahl der Brände. Es zeigt sich also deutlich: Die Anzahl der Brände korreliert nicht unbedingt mit der verbrannten Fläche. (Quelle: EU-Kommission; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

2023 liege die Menge der verbrannten Fläche und die Zahl der Waldbrände über dem Durschnitt, schreibt Birgit Schmeitzner, Pressesprecherin der EU-Kommission auf Nachfrage. Einsehen lassen sich diese Zahlen auch auf der Webseite des European Forest Fire Information System:

Das System Copernikus des EFFIS zeigt, wie sich die Feuer in 2023 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2006-2022
Das System Copernikus des EFFIS zeigt, wie sich die Feuer in 2023 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2006-2022 (Quelle: European Forest Fire Information System)

In Griechenland brannte es bislang im Jahr 2023 selten, dafür besonders heftig

Und wie sieht es in Griechenland aus? Auch hier zeigt sich dem Bericht der EU-Kommission zufolge (Seite 32), dass die Tendenz der Anzahl an Feuern seit den 1980er Jahren rückläufig ist, seit 2019 steigt sie wieder leicht. 2021, also dem letzten Jahr des Berichts, ist die viertmeiste Fläche in Griechenland seit 1980 verbrannt:

Die obere Grafik bildet die verbrannte Fläche durch Waldbrände in Griechenland zwischen 1980 und 2021 ab, die untere die Anzahl der Brände
Die obere Grafik bildet die verbrannte Fläche durch Waldbrände in Griechenland zwischen 1980 und 2021 ab, die untere die Anzahl der Brände (Quelle: EU-Kommission; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Über die Waldbrandsaison 2023 wurde medial im Juli und August viel berichtet, vor allem über die Brände auf der griechischen Insel Rhodos. Im Juli 2023 verbrannte in Griechenland so viel Fläche wie seit 2008 nicht mehr, erklärt Birgit Schmeitzner.

Die aktuellen Zahlen des European Forest Fire Information System zeigen darüber hinaus, dass die Anzahl der Feuer in Griechenland im Jahr 2023 bislang sehr klein war, die verbrannte Fläche hingegen sehr groß. Das kann ein Indikator sein, um die Schwere der Brände zu erkennen, schreibt uns die EU-Kommission in einer E-Mail: „Weniger Feuer in Griechenland, dafür intensiver und gefährlicher, verbrannten mehr Fläche als zuvor.“

Das Effis zeigt, dass die Zahl der Brände im Jahr 2023 verhältnismäßig niedrig war, die Menge der verbrannten Fläche dafür aber sehr hoch
Das Effis zeigt, dass die Zahl der Brände im Jahr 2023 verhältnismäßig niedrig war, die Menge der verbrannten Fläche dafür aber sehr hoch (Quelle: European Forest Fire Information System)

Es genügt zur Beurteilung der Schwere einer Waldbrandsaison also nicht, allein die Zahl der Brände zu betrachten – weitere Faktoren wie die verbrannte Fläche sind ebenfalls relevant. Doch wie hängen der Klimawandel und das Auftreten und die Intensität von Waldbränden konkret zusammen?

Wie der Klimawandel das Auftreten von Waldbränden beeinflusst

Alexander Held, Wissenschaftler am European Forest Institute (EFI) erklärt, der entscheidende Faktor dafür, ob Biomasse brennbar wird oder feucht bleibt und auch dafür, wie sich Feuer ausbreitet, seit vor allem das Wetter. Aber: „Der Klimawandel schafft bessere Bedingungen für Feuer.“ Er sorge dafür, dass es in Regionen brennt, in denen es noch nie gebrannt hat und sich Feuerregime (also die Intensität, Saisonalität und Häufigkeit von Waldbränden) verschieben, so Held.

Forscherinnen und Forscher des World Resources Institute berichten, dass sie Daten von Global Forest Watch und einer Studie Forschender aus den USA und China nutzten, um zu berechnen, dass sich Waldbrände immer weiter ausbreiteten. Heute würde fast doppelt so viel Baumbestand wie noch vor 20 Jahren verbrennen und Waldbrände seien für mehr als ein Viertel des gesamten Baumbestandsverlusts in den vergangenen 20 Jahren verantwortlich.

Zum Zusammenhang mit dem Klimawandel schreiben sie: „Der Klimawandel ist eine der Hauptursachen für die zunehmende Feueraktivität. Extreme Hitzewellen sind heute bereits fünfmal wahrscheinlicher als vor 150 Jahren, und es wird erwartet, dass sie mit der weiteren Erwärmung des Planeten noch häufiger auftreten werden.“ Heißere Temperaturen trockneten die Landschaft aus und schafften das perfekte Umfeld für größere und häufigere Waldbrände. Dies wiederum führe zu höheren Emissionen durch Waldbrände, was den Klimawandel weiter verschärfe und als Teil einer „Feuer-Klima-Rückkopplungsschleife“ zu weiteren Bränden beitrage.

Auch die Tatsache, dass die Anzahl an Waldbränden in südeuropäischen Ländern sinke, kann aus Helds Sicht nicht als Beleg gegen den Klimawandel herhalten: „Wir sehen, dass die „normalen“ Feuer immer effektiver bekämpft werden. Gleichzeitig sehen wir immer mehr und häufiger unkontrollierbare Feuer“. Über die reine Anzahl an Bränden lasse sich das jedoch statistisch nicht abbilden. Stattdessen zeige die Statistik sinkender Brände, dass die durchschnittlichen Feuer durch eine effizientere Bekämpfung, aber auch bessere Prävention beherrschbarer geworden sind.

Auch die EU-Kommission schreibt in ihrem Bericht, dass die Anzahl und Größe der Feuer sowie die verbrannte Fläche stark von den meteorologischen Gegebenheiten in der Brandsaison abhänge. Der Klimawandel fördere wärmere Temperaturen und trockenere Sommer, wodurch die Waldbrandsaison länger werde.

Durchschnittliche Niederschlagsmenge in Deutschland seit 1881 im Winter gestiegen, im Sommer gesunken

Eine weitere Behauptung im Tiktok-Video bezieht sich auf den Niederschlag: „Wir lesen: Die jährliche Niederschlagsmenge in Deutschland ist seit 1881 um rund sieben Prozent gestiegen. Mitnichten also Dürre oder weniger Niederschlag.“ Nach unserer Recherche greift Paul Brandenburg dabei auf Zahlen des Deutschen Wetterdienstes zurück, was er uns per E-Mail bestätigte.

Tatsächlich ist die Niederschlagsmenge gestiegen, doch auch hier fehlt Brandenburgs Behauptung Kontext. Denn die Aufzeichnungen des DWD zeigen, dass die Niederschlagsmenge zwar im gesamten Jahresverlauf gestiegen, aber im Sommer um 11,2 Millimeter gesunken ist. Die Winter sind seit 1881 hingegen regenreicher geworden, konkret um 48,7 Millimeter.

Laut Umweltbundesamt gibt es weniger Niederschlag im Sommer in Kombination mit einer seit 1881 steigenden mittleren Temperatur ebenfalls im Sommer von 1,7 Grad Celsius. Diese Auswirkungen des Klimawandels sorgen laut World Resource Institute für mehr Trockenheit. Schlimmer noch: Wenn auf eine längere Trockenperiode ein regenreicher Sommer wie 2023 trifft, kann trotzdem eine Dürre auftreten, wie uns Axel Bronstert, Hydrologe und Professor am Institut für Umweltwissenschaften und Geografie an der Universität Potsdam, für einen Faktencheck im August erklärte. Das liege daran, dass der Boden wie ein Schwamm funktioniere: „Wenn er ziemlich trocken ist, nimmt er das Wasser zwar auf, aber unten sickert nichts durch.“

Weiter erklärt Bronstert an einem Beispiel: „In Brandenburg gehen etwa 80 Prozent des Regenwassers in den Boden, 20 Prozent fließen über das Grundwasser in die Flüsse der Region.“ Von den 80 Prozent Wasser, die im Boden versickerten, werde dann ein Großteil von den Pflanzen aufgenommen und über die Blätter verdunstet – das sei insbesondere im Frühjahr, Sommer und frühen Herbst der Fall, weil die Pflanzen sich dann in ihrer Vegetationsphase befinden. Daher lande, solange der Oberboden bei Beginn des Regens recht trocken sei, nur ein geringer Teil des Wassers in tieferen Bodenlagen – also im Gesamtboden, sagt Bronstert.

Die Niederschlagsmenge ist zwar insgesamt gestiegen, aber gerade in den Sommermonaten ist sie gesunken
Die Niederschlagsmenge ist zwar insgesamt gestiegen, aber gerade in den Sommermonaten ist sie gesunken (Quelle: Deutscher Wetterdienst (DWD), 08.03.2023)

Folglich schließen sich insgesamt im Jahresdurchschnitt eine höhere Niederschlagsmenge und das Auftreten von Dürre nicht aus. Und: Gerade die tieferen Bodenschichten ab 1,8 Metern sind in vielen Regionen Deutschlands viel trockener als in den vergangenen 70 Jahren, wie uns Sabine Attinger, Wissenschaftlerin am Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und Professorin für Mathematische Hydrologie an der Universität Potsdam, für einen Faktencheck im August erklärte. Einen solchen Langzeitvergleich zeigt auch eine Karte des UFZ mit Daten seit 1952:

Diese Karte des Dürremonitors zeigt die Trockenlage des Gesamtbodens in Deutschland seit 1952 an. Seit 2018 waren große Teile Deutschlands mehrere Jahre in Folge von Dürre betroffen.
Diese Karte des Dürremonitors zeigt die Trockenlage des Gesamtbodens in Deutschland seit 1952 an. Seit 2018 waren große Teile Deutschlands mehrere Jahre in Folge von Dürre betroffen. (Quelle: UFZ/Dürremonitor; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Gleich drei Dürrejahre in Folge gab es seit 2018. 2021 entspannte sich die Lage aufgrund von ausgeglichenem Niederschlag etwas, doch 2022 war es in Teilen Deutschlands wieder zu trocken, berichtet das Umweltbundesamt. Bislang geht das Umweltbundesamt zudem davon aus, dass bis zum Ende des Jahrhunderts mit mehr Trockenheit in Deutschland gerechnet werden muss.

Fazit: Weniger Waldbrände und mehr Niederschlag stellen den Klimawandel nicht in Frage

Die Anzahl der Waldbrände in Südeuropa ist im Vergleich zu 1980 gesunken, aber auch die verbrannte Fläche und die Intensität der Brände müssen mitbetrachtet werden. Im Video des Mediziners Brandenburg fehlt diese Einordnung. Zudem ist es laut Forschenden wahrscheinlich, dass die Intensität von Waldbränden durch den Klimawandel immer weiter steigt.

Die Niederschlagsmenge insgesamt ist in Deutschland gesunken. Davon berichtet Brandenburg korrekt, aber lässt außer Acht, dass es im Sommer im Mittel seit 1881 weniger regnet, lediglich die Winter sind regenreicher. Ein trockener Boden im Sommer mindert die Fähigkeit der Böden, Wasser aufzunehmen. Dürren in tieferen Bodenschichten nahmen in den vergangenen Jahrzehnten zu. Auch hier gibt es keinen Widerspruch zum Klimawandel.

Paul Brandenburg schrieb uns hingegen auf Anfrage, die von ihm gesammelten Daten belegten eine „planvolle staats-/mediale Irreführung der Öffentlichkeit beim Thema Klimawandel“. Als weitere Belege führt er unter anderem angeblich bewusst manipulierte Wetterkarten der Tagesschau an. Diese Erzählung wird seit Jahren immer wieder verbreitet, was dahintersteckt, berichteten wir zum Beispiel hier.

Brandenburg war jahrelang Kritiker des medizinischen Systems. Während der Corona-Pandemie betrieb er Corona-Testzentren, obwohl er öffentlich als Kritiker der Corona-Politik auftrat und mit fragwürdigen Äußerungen über die Bundesregierung auffiel.

Transparenzhinweis: Paul Brandenburg war im Jahr 2016 Protagonist in der CORRECTIV-Recherche „Befehl von oben“. 

Redigatur: Matthias Bau, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Forest Fires in Europe, Middle East and North Africa, EU-Kommission, 2022: Link (archiviert)
  • Waldbrände weltweit, WWF, 12.08.2021: Link (archiviert)
  • Zeitreihen und Trends, Deutscher Wetterdienst: Link
  • „The Latest Data Confirms: Forest Fires Are Getting Worse“, World Resources Institute, 29. August 2023 : Link
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Umwelt, Katastrophen

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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