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Wetter- und Klimawandel-Szenarien können mit hohen Wahrscheinlichkeiten vorausgesagt werden

Kurzfristige Wettervorhersagen treffen mit hohen Wahrscheinlichkeiten auch ein. Dennoch behaupten User in sozialen Medien, das sei nicht möglich. Folglich sei auch die Berechnung der 1,5 Grad-Erderwärmung für einen 100-Jahres-Zeitraum ungenau. Die 1,5-Grad-Marke ist nur eines von mehreren möglichen Szenarien, die von Forschenden berechnet wurden. Dass die Szenarien relativ genau sind, belegen ältere Berechnungen, die mittlerweile eingetreten sind, erklärten Forschende gegenüber AFP.

Tausende User haben die Klima- und Wetterbehauptung auf Facebook geteilt, darunter auch die rechtspopulistische ParteiPro Chemnitz. Auch auf Twitter kursierte die Behauptung.

Die Behauptung: User teilen eine Texttafel mit den Worten: „Man kann den Wetterbericht nicht einmal genau vorhersagen, aber 1,5 Grad kann man in einen Zeitraum von 100 Jahren genau berechnen…“ Weiter heißt es: „Von Leuten, die keine Berufsausbildung haben.“

Screenshot der Behauptung auf Facebook: 16.12.2022

In der Vergangenheit kursierten immer wieder Falschinformationen über den Klimawandel. Immer wiederkehrende Narrative, die AFP bereits widerlegt hat, sind die Erzählungen, dass der Klimawandel überhaupt nicht menschengemacht oder gar eine Lüge sei. Dabei wird auch behauptet, Medien würden falsch über den Klimawandel berichten. Auch die aktuell geteilte Falschbehauptung reiht sich in diese Serie ein und verharmlost ein globales Problem, über das wissenschaftlicher Konsens herrscht. Faktenchecks zum Thema Klima sammelt AFP hier.

3-Tages-Wetterprognosen treffen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein

AFP hat beim Deutschen Wetterdienst (DWD) nach der Behauptung gefragt, das Wetter könne nicht genau vorhergesagt werden. Sprecher Andreas Friedrich widersprach der Behauptung am 13. Dezember 2022 gegenüber AFP. „Die Aussage ist nicht richtig, sie ist überspitzt. Das Wetter lässt sich für die nächsten Tage für einzelne Regionen und Orte recht genau vorhersagen„, sagte er.

Weiter erklärte er: „Wenn wir eine Toleranz von plus minus ein Grad nehmen, liegen wir in über 90 Prozent der Prognosen für den nächsten Tag richtig. Bei sieben Tagen sind das etwa 70 bis 80 Prozent. In der Meteorologie sind nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich.“

Auch die Sprecherin des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK), Marie-Luise Beck, erklärte am 14. Dezember gegenüber AFP: „Das Wetter lässt sich heute insbesondere in Bezug auf die nächsten drei Tage ziemlich genau vorhersagen – immerhin so genau, dass die meisten Menschen, bevor sie sich länger draußen aufhalten, ihre Wetter-App checken und so genau, dass beispielsweise kein Flugzeug in Deutschland starten darf, ohne dass der Deutsche Wetterdienst nach Prüfung der Wettervorhersage die Erlaubnis dazu gibt.“

Das PennState College of Earth and Mineral Science in Pennsylvania schreibt Ähnliches in einer Lektion in einer „Einführung in die Meteorologie„: „Die meisten Wettervorhersagen sind, wenn sie richtig ausgedrückt und kommuniziert werden, genau genug, um nützlich zu sein. […] Temperaturvorhersagen sind oft ein paar Tage in die Zukunft ziemlich genau, aber je weiter die Vorhersage in die Zukunft geht, desto ungenauer wird sie im Allgemeinen.“ Die dortigen Grafiken zeigen, dass die Wetterprognosen über Jahrzehnte auch immer genauer wurden und wie die Genauigkeit berechnet wird.

Andreas Friedrich vom DWD erklärte, dass für noch genauere Vorhersagen viel mehr Daten und Messstationen nötig wären – vom Boden bis in 30 Kilometer Höhe in kleineren Abständen auf dem ganzen Globus. Aktuell stammen die Daten für die Prognosen unter anderem von Satelliten, Messstationen, Schiffen.

Klimawandel-Berechnungen funktionieren anders als Wettervorhersagen

Klima und Wetter sind nicht dasselbe. Während Wetter der kurzfristige Zustand der Atmosphäre sei, fasse Klima diese über viele Jahre beobachteten Wettererscheinungen zusammen, so der DWD. Oft betrachten Meteorologinnen und Meteorologen dafür einen Zeitraum von 30 Jahren.

Auch Jochem Marotzke, Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, sagte am 19. Dezember gegenüber AFP: „Seit Jahrzehnten wird geduldig erklärt, dass es bei Klimaprognosen nicht um die deterministische Vorhersage von einzelnen Wetterereignissen geht, sondern um die Prognose für die Statistik des Wetters.“

Laut DWD-Sprecher Friedrich würde das Wetter anhand von aktuellen und regionalen Wetterdaten konkret prognostiziert, das Klima aber mit speziellen Klimamodellen berechnet. Das 1,5-Grad-Ziel sei dabei nur ein Modell von mehreren.

Laut DKK-Sprecherin Beck sei das Klima die Statistik des Wetters über einen Zeitraum von 30 Jahren. „Nicht jeder Sommer gleicht dem anderen, sondern ist mal kälter und mal wärmer. In längeren Zeitintervallen gleichen sich diese Schwankungen aus und man kann einen Trend erkennen“, erklärte sie. Das würde schon mehr als hundert Jahre so gemacht. Für moderne Klimamodelle würden Computerprogramme genutzt, die das Klimasystem der Erde simulierten. „Sie beschreiben die naturwissenschaftlichen Gegebenheiten der Erde, insbesondere Abläufe in der Atmosphäre, in den Ozeanen und an Land und simulieren auch das Meereis.“

Dabei würde die Wissenschaft Annahmen treffen, etwa darüber, ob sich die Menschheit zu wirksamem Klimaschutz durchringen wird oder nicht. Die Wissenschaft berechne daher unterschiedliche Szenarien, etwa mit viel, wenig oder gar keinem Klimaschutz.

Das in dem Facebook-Post erwähnte 1,5-Grad-Ziel sei dabei nur eines von mehreren Modellen. Im Pariser Klimaabkommen haben sich fast alle Staaten der Erde dazu verpflichtet, Maßnahmen umzusetzen, um die globale Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad, aber höchstens 2 Grad einzuschränken. Allerdings kann niemand sicher sagen, wie sich die Menschheit verhalten wird und welches der errechneten Wenn-Dann-Szenarien tatsächlich eintrifft.

Szenario der Vergangenheit bereits eingetroffen

Mojib Latif, Leiter des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel, sagte gegenüber dem DKK: „Wir können sehen, dass sehr gut zutrifft, was die Modelle vorhergesagt haben.“ Klimamodelle seien laut DKK sehr verlässlich, vor allem auf großräumige Veränderungen bezogen.

Ein Blick in früher berechnete Modelle belegt, dass sie sich bewahrheitet haben. In einem Bericht erklärte der Weltklimarat IPCC bereits 1990 die Szenario-A-Modellrechnung: Die Emissionen der Treibhausgase würden wahrscheinlich zu einem ungleichmäßigen Anstieg der globalen Temperaturen führen. Diesen bezifferten die Forschenden mit durchschnittlich etwa einem Grad über dem damaligen Wert bis 2025 und drei Grad bis zum Ende des nächsten Jahrhunderts.

Das hat sich bewahrheitet. DKK-Sprecherin Beck erklärte: „Die Temperatur in Deutschland stieg in der Periode 1991 bis 2020 um 1,1 Grad Celsius gegenüber der vorhergehenden Zeitspanne. Bezieht man sich auf den Beginn der Industrialisierung um 1850, haben wir in unserer Region insgesamt schon knapp zwei Grad Erwärmung durch den menschgemachten Klimawandel zu verzeichnen. Diese Anstiege sind mit direkten und indirekten Messungen gut belegt.“

Auch ein wissenschaftliches Papier von 2019, bei dem Zeke Hausfather vom Breakthrough Institute, einem privaten Forschungszentrum in Oakland, Kalifornien, federführend war, analysierte, wie präzise die Klimavorhersagen von 1970 bis 2007 waren.

Im Bericht heißt es: „Wir stellen fest, dass Klimamodelle, die in den letzten fünf Jahrzehnten veröffentlicht wurden, im Allgemeinen ziemlich genau bei der Vorhersage der globalen Erwärmung in den Jahren nach der Veröffentlichung waren.“

Abschließend heißt es: „Diese Forschung sollte dazu beitragen, die öffentliche Verwirrung über die Leistung vergangener Klimamodellierungsbemühungen zu beseitigen und unser Vertrauen zu stärken, dass die Modelle die globale Erwärmung genau projizieren.“

Fünf mögliche Klimaszenarien

Das IPCC veröffentlichte 2021 einen neuen Bericht über den aktuellen Stand des Klimawandels. Darin sind fünf Szenarien enthalten, die zeigen, wie sich je nach Bemühungen der Menschheit das Klima bis 2100 wandeln könnte.

Im Bericht heißt es: „Die globale Oberflächentemperatur wird bei allen betrachteten Emissionsszenarien bis mindestens Mitte des Jahrhunderts weiter ansteigen. Eine globale Erwärmung von 1,5 Grad Celsius beziehungsweise 2 Grad wird im Laufe des 21. Jahrhunderts überschritten werden, es sei denn, es erfolgen in den kommenden Jahrzehnten drastische Reduktionen der CO2- und anderer Treibhausgasemissionen.“

Die Temperaturen würden demnach je nach Szenario bis 2040 mindestens um 1,2 Grad und maximal um 1,9 Grad steigen.

Screenshot aus dem IPCC-Bericht “Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung” von 2021, Seite 14.

Beck vom DKK erklärte mit Blick auf zukünftige Szenarien: „Aussagen über zukünftige Entwicklungen werden immer mit Wahrscheinlichkeiten einhergehen, wobei der größte Unsicherheitsfaktor der Mensch und seine Entscheidungen sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir nichts wissen. Und es ist auch keine Entschuldigung, nichts zu tun.“ Die bis heute eingetretenen Klimaveränderungen würden sich am oberen Rand der wissenschaftlichen Schätzungen bewegen, die ohnehin „eher vorsichtig“ seien.

Die Vereinten Nationen meldeten im Mai 2022 Rekordwerte beim Klimawandel.

Fazit: Die Behauptung, sowohl Wetter- als auch Klimaprognosen seien nicht möglich, ist falsch. Wetter und Klima sind jedoch nicht dasselbe und werden unterschiedlich berechnet werden. Sowohl kurzfristige Wettererscheinungen als auch langfristige Klimaveränderungen können relativ genau vorhergesagt werden. Klimaforschende, die den Klimawandel beobachten, berechnen mehrere Szenarien, je nach Bemühungen der Menschheit, die Erderwärmung zu stoppen. Der vor 30 Jahren prognostizierte Temperaturanstieg ist heute nachweislich eingetreten.

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Wissenschaft, Umwelt

Autor(en): Jan RUSSEZKI, AFP Deutschland

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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