Bewertung
Nein, selbst beim Spitzensteuersatz gehen in Deutschland über Steuern keine 75 Prozent der Einkünfte an den Staat.
Fakten
Das Video mit der Behauptung hat der AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Bernhard selbst hochgeladen und ist zum Beispiel auf seinem Instagram-Account zu finden. Seitdem verbreitet es sich über verschiedene Kanäle wie Facebook im Netz.
Zu Beginn des Videos behauptet der Politiker: «75 Prozent ihres Einkommens bezahlen Sie an Steuern». Das ist allerdings so nicht korrekt. Zunächst ist der Steuersatz von der Höhe des Jahreseinkommens abhängig. Ein Institut für Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen hat dazu eine Grafik erstellt, die zeigt, wie der Steuersatz mit der Höhe des Einkommens ansteigt.
Spitzensteuersatz liegt in Deutschland bei 42 Prozent
Zunächst gilt es den Verlauf des Steuersatzes zu betrachten (blaue Linie). Es gibt einen Grundfreibetrag von 12.096 Euro im Jahr. Danach beginnt die Besteuerung mit einem Eingangssteuersatz von 14 Prozent und steigt auf 42 Prozent. Dabei handelt es sich um den Spitzensteuersatz in Deutschland und nicht wie behauptet 75 Prozent. Er gilt bei einem Jahreseinkommen von über 68.480 Euro. Darüber hinaus gibt es noch einen Reichensteuersatz von 45 Prozent ab einem Jahreseinkommen von 277.826 Euro.
Für diese Grafik wurde zudem die effektive Steuerbelastung ausgerechnet (dunkelrote Linie). Hier gilt das zu versteuernde Einkommen, nicht das Bruttoeinkommen. Es errechnet sich aus dem Bruttoeinkommen abzüglich von Abzügen, Freibeträgen und Sonderregelungen. Es geht also um den Betrag, der nach diesen Abgaben übrig bleibt und auf den dann Steuern anfallen. Wie anhand der Grafik zu sehen ist, ist dieser niedriger als die Steuersätze. Die höchste Steuerbelastung liegt hier bei 26,4 Prozent.
Selbst mit Soli und Kirchensteuer werden es keine 75 Prozent
In dieser Rechnung ist bisher kein Solidaritätszuschlag oder eine mögliche Kirchensteuer einbezogen. Der Soli liegt im Jahr 2025 bei 5,5 Prozent und wird nur noch bei sehr hohen Einkommen erhoben. Die Kirchensteuer liegt je nach Bundesland zwischen acht und neun Prozent. Zusammen addiert mit dem Spitzensteuersatz liegt die Besteuerung in beiden Fällen weiterhin deutlich unter 75 Prozent.
In dem Instagram-Post von Marc Bernhard ist unter dem Video zusätzlich zu lesen, dass sich die angegebenen 75 Prozent auf «Steuern und Abgaben» beziehen sollen.
Steuern und Abgaben: Ein Single zahlt fast 50 Prozent
Die Organisation OECD hat in einer Studie die Belastung durch Steuern und Abgaben ihrer Mitgliedsstaaten verglichen. Demnach gehört Deutschland tatsächlich zu den Ländern mit der höchsten Abgabenlast. Für einen Singledurchschnittsverdiener liegt diese bei 47,9 Prozent, für ein Ehepaar mit zwei Kindern 33,1 Prozent – in beiden Fällen werden wieder keine 75 Prozent erreicht.
Die Ergebnisse der Studie wurden vom «Handelsblatt» in einem Artikel eingeordnet: Darin wird Deutschland aus Sicht von konservativen Ökonomen als Hochsteuerland bezeichnet. Einige steuerliche Aspekte blieben in der OECD-Studie aber unberücksichtigt. Im Ländervergleich erhebe Deutschland etwa eine niedrige Mehrwertsteuer und belaste darüber die Verbraucherinnen und Verbraucher weniger.
(Stand: 15.04.2025)