APA-Faktencheck: Deutsche TV-Wetterkarten wurden 2020 vereinheitlicht - Featured image

Deutsche TV-Wetterkarten wurden 2020 vereinheitlicht

Die Skepsis mancher Menschen gegenüber etablierten Medien macht auch vor den Wetterprognosen nicht halt. Einen Beleg für den angeblich immer panischeren Umgang von Medien mit der Klimakrise sehen User in TV-Wetterkarten, die angeblich vor allem im Sommer in immer dramatischeren Rottönen eingefärbt würden. Aktuell macht ein Beispiel aus Deutschland die Runde (1,2).

Einschätzung: Die deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten haben ihr Design für Wetterkarten im Jahr 2020 vereinheitlicht. Zuvor wurden Karten neben Temperaturwerten auch nach topographischen Kriterien eingefärbt. Dunkle Rottöne waren auch schon vor Jahren auf den Karten zu sehen.

Überprüfung: Der obere Screenshot zeigt die Wetterprognose aus den ARD-„Tagesthemen“ vom 21. Juni 2017 (3). Der Screenshot darunter stammt aus dem Jahr 2022, zeigt aber die Sendung vom 20. Juni (4) und nicht, wie im Posting behauptet wird, vom darauffolgenden Tag.

Auf den ersten Blick unterscheiden sich die beiden Wettervorhersagen deutlich voneinander. 2017 arbeitete die Sendung mit grün hinterlegten Satellitenkarten, die an topographische Darstellungen (5) angelehnt waren. Fünf Jahre später wurde eine sogenannte Temperaturkarte verwendet.

2020 entschlossen sich die deutschen öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten, ihre Wetterredaktionen zu bündeln (6). Damit einher ging eine Vereinheitlichung des verwendeten Kartenmaterials. Silke Hansen, Leiterin der Wetterredaktion des Hessischen Rundfunks, erklärte dazu gegenüber dem ARD-Faktenfinder (7): „Das Wetter für die tagesthemen wird seit 2020 nicht mehr von unterschiedlichen Redaktionen und Firmen angeliefert, sondern vom ARD-Kompetenzzentrum in Frankfurt. Wir haben bei der Übernahme das komplette Design umgestellt und dem Design der tagesschau angepasst.“

Tatsächlich werden in der „Tagesschau“ laut Hansen bereits seit 30 Jahren Temperaturkarten verwendet. Ein Blick in die Ausgabe vom 21. Juni 2017 zeigt, dass schon damals ganz Deutschland in teils dunkle Rottöne getaucht war (8).

Wie Temperaturkarten eingefärbt werden, hängt nicht nur im deutschen Fernsehen, sondern auch beim ORF von der Jahreszeit ab. ORF-Wetterchef Marcus Wadsak erklärte APA-Faktencheck bereits im Juni 2022, seine Redaktion arbeite mit drei Farb-Abstufungen. Für Frühling und Herbst werden dieselben verwendet, Sommer und Winter haben eigene.

Laut Wadsak definieren sich diese Farbspektren als Abweichung von den langjährigen Mittelwerten zur jeweiligen Jahreszeit. Ohne diesen Wechsel zwischen den Jahreszeiten wären Temperaturunterschiede schwieriger zu erkennen. „Fünf Grad sind so im Sommer blau und im Winter gelb oder orange“, schrieb ARD-Faktenfinder Patrick Gensing dazu bereits 2019 (9).

Thomas Wostal, Pressesprecher der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (seit Jahresbeginn 2023 ein Teil der Geosphere Austria), mutmaßte im Gespräch mit der APA im Juni 2022, dass der Eindruck dunklerer Wetterkarten von deren immer höher werdendem Detailgrad herrühren könnte. Während demnach frühere Modelle eine Farbe für eine Fläche von 400 Quadratkilometern verwendeten, wird heute etwa jeder Quadratkilometer Österreichs in einer eigenen Farbe dargestellt.

Wostal schloss aus, dass Temperaturkarten heute absichtlich dunkler eingefärbt würden, um „irgendeine Klimawandel-Propaganda“ zu unterstützen. Dass sie immer häufiger Richtung dunkelrot tendieren, hat viel eher einen banalen Grund: Die tatsächlich steigenden Temperaturen (10, 11).

Quellen:

(1) Facebook-Posting 1: http://go.apa.at/1aB2iTxt (archiviert: https://archive.ph/OgLhA)

(2) Facebook-Posting 2: (nur archiviert: https://archive.ph/KJSbn)

(3) ARD-„tagesthemen“ vom 21.6.2017: http://go.apa.at/oZb58Yfd (archiviert: https://perma.cc/CFD8-RRU8)

(4) ARD-„tagesthemen“ vom 20.6.2022: http://go.apa.at/mocMr0tn (archiviert: https://perma.cc/H62A-HW8P)

(5) Definition topographischer Karten: http://go.apa.at/vkx6Tnhl (archiviert: https://archive.ph/LJKPe)

(6) ARD-Bericht zur Vereinheitlichung: http://go.apa.at/838ZqQnC (archiviert: http://go.apa.at/ShjFz7ro)

(7) Faktenfinder-Faktencheck 2022: http://go.apa.at/kIdI0MCT (archiviert: https://archive.ph/HGaEQ)

(8) ARD-„tagesschau“ vom 21.6.2017: http://go.apa.at/HtJKPIlk (archiviert: https://perma.cc/A6DE-Y7WL)

(9) Faktenfinder-Faktencheck 2019: http://go.apa.at/o70R3eYc (archiviert: https://archive.ph/twgp9)

(10) Neoklima-Daten aus Österreich: http://go.apa.at/nYZiGO1R (archiviert: https://archive.ph/ZLP9v)

(11) Österreichisches Klimabulletin 2022: http://go.apa.at/FwRU4Wws (archiviert: https://perma.cc/AP94-5Q7X)

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Klimawandel, Umwelt

Autor(en): APA

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