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Auf den Philippinen wurde kein Haftbefehl gegen Bill Gates erlassen

Microsoft-Gründer Bill Gates wird online immer wieder zum Ziel von Falschinformationen. Dazu gehört eine Behauptung, wonach in den Philippinen angeblich ein Haftbefehl gegen Gates erlassen worden sei. Der Grund soll dessen Rolle in der Corona-Impfkampagne sein. Die Behauptung ist allerdings frei erfunden. Der Oberste Gerichtshof der Philippinen bestätigte gegenüber AFP, dass kein solcher Haftbefehl verhängt worden sei. Die Einwanderungsbehörde des Landes erklärte, Gates könne nach wie vor in die Philippinen einreisen. 

Dutzende teilten die Behauptungen zu einem angeblichen Haftbefehl gegen Bill Gates auf Facebook und Twitter. Hunderttausende sahen entsprechende Beiträge auf Telegram. Dort heißt es, der Haftbefehl gegen Gates sei wegen „vorsätzlichen Mordes“ im Zusammenhang mit der Einführung von Impfstoffen erlassen worden.

Als Quelle wird ein Artikel der Website „NewsPunch“ verlinkt, welche bereits in der Vergangenheit mit der Verbreitung von Falschinformationen aufgefallen ist (hier, hier). Darin heißt es, in den Philippinen sei es infolge der Corona-Impfkampagne zu Hunderttausenden Toten gekommen, die sich in einem Anstieg der Übersterblichkeit bemerkbar machten. Daher habe ein philippinisches Gericht den Haftbefehl gegen Gates ausgestellt, der angeblich bereits seit 2016 nicht mehr in das Land einreisen dürfe.

Die Behauptungen und Artikel wurden zudem auf Französisch, Niederländisch, Englisch, Portugiesisch und Spanisch geteilt.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 9. Mai 2023

Bill Gates steht immer wieder im Fokus von Verschwörungserzählungen. AFP widerlegte in der Vergangenheit bereits mehrere Behauptungen, wonach Gates mit Investitionen in Impfstoffe 200 Milliarden US-Dollar verdiente, die Stiftung des Microsoft-Gründers angeblich hunderttausende US-Dollar an TV-Moderatorin Anne Will zahlte oder Gates angeblich ein Interview abbrach, nachdem ihm Fragen zur Corona-Impfung gestellt wurden.

Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung spielte eine wichtige Rolle bei der globalen Reaktion auf die Covid-19-Pandemie, einschließlich der Entwicklung und Verteilung von Impfstoffen, die von der Stiftung auch finanziell vorangetrieben wurde. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) forderte Covid-19 zwischen Januar 2020 und März 2023 mehr als 6,8 Millionen Menschenleben.

Kein Haftbefehl gegen Bill Gates

In den online verlinkten Artikeln heißt es, der Haftbefehl gegen Gates sei angeblich vom „Heinous Crimes Court“ in Manila ausgestellt worden, also wortwörtlich übersetzt einem „Gericht für abscheuliche Verbrechen“.

Ein solches Gericht existiert jedoch gar nicht. Das erklärte Brian Hosaka, ein Vertreter des Obersten Gerichtshofs der Philippinen, am 8. März 2023 gegenüber AFP. Es gebe kein Gericht mit dem Namen „Heinous Crimes Court“ auf den Philippinen. Die Behauptungen zu Gates‘ angeblicher Verhaftung seien „lächerlich“.

Der Oberste Gerichtshof der Philippinen stellte auf AFP-Nachfrage zudem am 14. März 2023 fest, dass die Regional Courts (RTCs) in der Hauptstadt Manila und ihren Vororten keinen Haftbefehl gegen Gates erlassen haben. Es gebe kein Verfahren und es „wurde kein Haftbefehl gegen Bill Gates erlassen“.

In der Antwort hieß es weiter, sogenannte „Gerichte für abscheuliche Verbrechen“ seien in den Philippinen bereits vor fast 20 Jahren abgeschafft worden. Der Oberste Gerichtshof habe am 24. August 2004 „die Einstufung der regionalen Gerichte (RTC) als Gerichte für abscheuliche Verbrechen aufgehoben“.

Wie aus diesem Bericht des philippinischen Senats aus dem Jahr 2006 hervorgeht, hat der Oberste Gerichtshof diese Art von Gerichten aufgrund der geringen Arbeitsbelastung abgeschafft. Zudem seien die Richter für rachsüchtige Prozessbeteiligte leicht zu identifizieren gewesen. „Abscheuliche“ Verbrechen werden nun von mehreren regionalen Gerichten verhandelt. Zwischen 1999 und 2006 seien zehn Richter „in Ausübung ihres Amtes“ ermordet worden, so der Bericht.

Ein philippinischer Medienbericht aus dem Jahr 2004 spricht ebenfalls von der Abschaffung dieser Gerichte im selben Jahr. Das ein „Gericht für abscheuliche Verbrechen“ aktuell einen Haftbefehl gegen Bill Gates ausgestellt haben soll, ist also nicht möglich.

Gates kann weiterhin in die Philippinen einreisen

Die philippinische Einwanderungsbehörde teilte auf AFP-Anfrage am 17. März 2023 mit, dass gegen Gates kein Einreiseverbot verhängt worden sei, wie fälschlicherweise online behauptet.

Auch weitere Behauptungen aus den in mehreren Sprachen online geteilten Meldungen seien falsch. Da die Philippinen keinen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt haben, hätte das Land auch nicht, wie behauptet, Interpol gebeten, Polizeibehörden in der ganzen Welt mit einer Verhaftung zu beauftragen.

Mit Stand vom 10. Mai 2023 steht Bill Gates nicht auf der sogenannten „Red Notice“-Liste von Interpol. Ein Vermerk auf dieser List wäre „ein Ersuchen an Strafverfolgungsbehörden weltweit, eine Person ausfindig zu machen und vorläufig festzunehmen, bis sie ausgeliefert, übergeben oder eine ähnliche rechtliche Maßnahme eingeleitet wird“, heißt es auf der Website von Interpol. Ein roter Hinweis sei lediglich „eine internationale Ausschreibung für eine gesuchte Person“ und folge einem Strafverfahren in dem Land, das das Ersuchen erstellt habe.

Impfstoff ist nicht verantwortlich für hunderttausende Todesopfer

Der angebliche Gates-Haftbefehl wird in den Online-Beiträgen mit der Corona-Impfkampagne der vergangenen Jahre in Verbindung gebracht. Angeblich habe diese hunderttausende Todesopfer gefordert. Für diese Angabe wird aber keine Quelle genannt, offizielle Daten widersprechen dem.

Laut eines Berichts der philippinischen Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde wurden seit Einführung der Corona-Impfungen bis zum 31. März 2023 mehr als 170 Millionen Impfdosen in dem Land verabreicht. Bis Januar 2023 seien fast 2800 geimpfte Menschen verstorben, so der Bericht, was allerdings nicht bedeutet, dass der Impfstoff ihren Tod verursacht habe.

„Die Berichte über Todesfälle bedeuten nicht unbedingt, dass der Impfstoff die Ereignisse verursacht hat. Zugrundeliegende oder vorbestehende Erkrankungen, die zu tödlichen Ereignissen führen, fallen in der Regel mit der Verwendung des Impfstoffs zusammen“, heißt es in dem Bericht.

Im Bericht heißt es, die Zahlen stammten aus einer nationalen Datenbank, die Berichte von verschiedenen epidemiologischen Überwachungsstellen des Gesundheitsministeriums, Impfstellen, Krankenhäusern, Patienten und Verbrauchern sowie Inhabern von Notzulassungen enthalte.

Verabreichung einer Corona-Impfung am 6. Dezember 2021 in Taguig City, Philippinen. – TED ALJIBE / AFP

Kein Anstieg von Todesfällen durch Impfung

Auf den Philippinen wurde im März 2021 mit der Impfung gegen Covid-19 begonnen. Entgegen online verbreiteter Falschbehauptungen zeigen Daten der Statistik-Website „Our World In Data“, dass die Zahl der täglich bestätigten Todesfälle im Folgemonat April durch Covid-19 und nicht durch den Corona-Impfstoff anstiegen.

Daten der philippinischen Statistikbehörde belegen ebenfalls, dass Covid-19 und nicht Impfstoffe die häufigste Todesursache für das Jahr 2021 sind. Die meisten Corona-Todesfälle wurden im September 2021 verzeichnet.

„Todesfälle aufgrund des identifizierten Covid-19-Virus und des nicht identifizierten Covid-19-Virus machten zusammen 112.772 oder 12,8 Prozent der Gesamtzahl der Todesfälle aus, was es zur zweithäufigsten Todesursache im Jahr 2021 macht“, heißt es im Bericht der Behörde.

Laut WHO sind auf den Philippinen bisher mehr als 66.000 Menschen an Covid-19 gestorben. Damit rangiert das Land im Mai 2023 nach Angaben des Datenanbieters Statista weltweit an 22. Stelle bei den Covid-Todesfällen in absoluten Zahlen.

Tetanusimpfung auf den Philippinen

In den online verlinkten Artikeln heißt es zudem, die Philippinen hätten 1995 ein Unicef-Tetanusimpfprogramm in der Region eingestellt, da Impfungen mit einem „Abtreibungsmedikament“ vermengt gewesen seien. Die Impfungen wurden allerdings nur vorübergehend ausgesetzt.

Medienberichten aus dem Jahr 1995 zufolge, darunter dieser Bericht der Nachrichtenagentur Inter Press Service, erließ ein Richter in Manila eine einstweilige Verfügung gegen das Tetanus-Impfprogramm. Zuvor waren Befürchtungen aufgekommen, wonach der bei der Impfung verwendete Tetanus-Toxoid-Impfstoff ein Hormon enthalte, das bei schwangeren Frauen angeblich Fehlgeburten verursachen und zu unfreiwilliger Sterilisation führen könne.

In einem 1995 auf der Plattform Pubmed erschienen Artikel zu den Geschehnissen auf den Philippinen ist von einer „Misinformationskampagne“ die Rede, die von Abtreibungsgegnern organisiert würde. Die in den Philippinen verwendete Impfung sei zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 50 Jahre lang in verschiedenen Ländern verwendet worden. Seit im Jahr 1990 die Bemühungen zur Tetanus-Impfung in den Philippinen verstärkt wurden, habe es laut Daten der dortigen Gesundheitsbehörde keinen auffälligen Anstieg an Abtreibungen gegeben.

Das Programm wurde jedoch wieder aufgenommen und 2017 gaben das philippinische Gesundheitsministerium und Unicef bekannt, dass das Land nach einer 30-jährigen Kampagne den Status der Eliminierung des mütterlichen und neonatalen Tetanus (MNTE) erreicht habe. Das bedeutet, dass es in jeder Provinz oder Stadt der Philippinen weniger als einen Fall von neonatalem Tetanus pro 1000 Lebendgeburten pro Jahr gibt.

Nach Angaben der WHO treten fast alle Fälle von Tetanus, der schmerzhafte Muskelkontraktionen verursacht, bei ungeimpften Menschen auf. Am häufigsten tritt er bei Neugeborenen und ihren Müttern auf, wenn die Mutter nicht geimpft wurde. In einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation von 2019 empfiehlt sie der breiten Bevölkerung eine Impfung gegen Wundstarrkrampf.

Falschbehauptungen zu Tetanusimpfstoffen kursieren nicht nur auf den Philippinen. In diesem Artikel der „Washington Post“ wird eine ähnliche Auseinandersetzung zwischen der katholischen Kirche und den Behörden in Kenia im Jahr 2014 beschrieben. Die Bedenken konzentrieren sich auf die Behauptung, dass der Tetanus-Toxoid-Impfstoff ein Hormon namens hCG enthält, das während der Schwangerschaft Komplikationen, wie zum Beispiel Spontanaborte, angeblich verursachen könne.

Die WHO wies solche Bedenken zurück. Im Jahr 2006 stellte die Organisation klar, dass „tetanustoxoidhaltige Impfstoffe trotz gelegentlicher gegenteiliger Gerüchte keine Substanzen enthalten, die empfängnisverhütende oder abtreibende Wirkungen haben“.

Dies wird durch weitere Forschungsergebnisse gestützt, unter anderem durch einen Bericht in der Fachzeitschrift „Reproductive Health Matters“ aus dem Jahr 1995: „Experten auf dem Gebiet der Gynäkologie und der Immunisierung sind sich einig, dass die Behauptung, Tetanus-Toxoid-Impfstoffe enthielten einen Wirkstoff, der die Fruchtbarkeit oder die Schwangerschaft hemmt, unbegründet ist“, heißt es in dem Artikel.

Fazit: Nein, gegen Bill Gates wurde kein Haftbefehl auf den Philippinen ausgestellt. Das bestätigte der Oberste Gerichtshof des Landes gegenüber AFP. Gates dürfe auch weiterhin in das Land einreisen, wie die dortige Immigrationsbehörde bestätigte. Angaben zum Verlauf der philippinischen Corona-Impfkampagne und Tetanus-Impfungen sind ebenfalls irreführend bis falsch.

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Politik, Wirtschaft, Corona, Gesundheit

Autor(en): Saladin SALEM / Charlotte STEENACKERS / AFP Niederlande

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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