Desinformation über Bauernproteste nimmt weiter zu und schürt Anti-EU-Stimmung

Mit der Zunahme der Bauernproteste im Februar in ganz Europa nahm auch die Verbreitung von Desinformationen über diese zu. In vielen EU-Ländern kursierten verstärkt Falschmeldungen über die protestierenden Landwirte, in denen die Unterstützung oder Größe der Demonstrationen übertrieben wurde. Es wurden Videos verwendet, die alt waren oder aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Die Falschmeldungen gingen zudem oft mit Beschimpfungen gegen die EU oder ihre Umweltvorschriften einher.

Um die negative Stimmung gegen die EU-Institutionen zu verstärken, tauchte zum Beispiel auch ein altes falsches Narrativ über essbare Insekten wieder auf. So wurde behauptet, dass die Bürger Europas gezwungen würden, diese zu essen. Es kursierte auch die Falschnachricht, dass die EU den Verkauf von im Labor gezüchtetem Fleisch genehmigt habe. In anderen Falschmeldungen wurde behauptet, die EU importiere Abfall oder giftige Lebensmittel, die keine Pflanzenschutzkontrollen durchlaufen.

Zu diesem Ergebnis kommt das monatliche Briefing des EDMO-Netzwerks. Die 35 Organisationen, die dazu beigetragen haben, veröffentlichten im Februar 2024 insgesamt 1.488 Faktenchecks. Von diesen Beiträgen beschäftigten sich 71 (5%) mit dem Konflikt zwischen Israel und der Hamas, 101 (7%) mit dem Klimawandel, 152 (10%) mit dem Krieg in der Ukraine, 113 (8%) mit der EU, 98 (7%) mit Covid-19, 98 (7%) mit Migration und 26 (1%) mit LGBTQ+ und Genderfragen.

Im Vergleich zum Januar stieg der Anteil der Desinformation über den Krieg in der Ukraine und über die EU jeweils um drei Prozentpunkte und über Migration und über die EU um einen bzw. zwei Prozentpunkte. Klimawandel und Covid-19 hatten einen leicht geringeren Anteil an allen erfassten Desinformationen, bei den übrigen regelmäßig beleuchteten Themen gab es kaum Veränderungen.

Pro-russische Desinformation über Bauernproteste und den Tod Nawalnys

Auch die Verbreiter prorussischer Desinformation machten sich die Bauernproteste wieder zunutze. Nachdem im Januar behauptet wurde, die russische Botschaft in Berlin habe eine Sirene eingeschaltet, um Solidarität mit den Baurnprotesten zu zeigen, hieß es im Februar, Landwirte hätten die ukrainische Botschaft in Paris mit Mist beworfen, weil diese angeblich die französischen Landwirte zu einem Ende der Demonstrationen aufgefordert hatte. Diese Falschinformation kursierte in mehreren Ländern, darunter in den Niederlanden, Deutschland, Österreich, Italien, Spanien, Griechenland, Bulgarien und Ungarn. Soziale Spannungen in westlichen Gesellschaften auszunutzen, ist eine bekannte Strategie der russischen Propaganda.

Das Hauptthema der pro-russischen Desinformation war allerdings – neben den üblichen wiederkehrenden Falschmeldungen über die Ukraine – der Tod von Alexej Nawalny, dem prominentesten Gegner der russischen Regierung. Sein Tod wurde von mehreren internationalen Organisationen und führenden Politikern dem Kreml angelastet, im Internet kursierten aber zahlreiche Falschmeldungen, die „westlichen Impfstoffen“ die Schuld an seinem Tod gaben. In anderen Falschnachrichten versuchte man ihn zu diskreditieren, indem zum Beispiel fälschlicherweise behauptet wurde, ein Foto zeige ihn beim Hitlergruß, oder dass er versucht habe, mit Hilfe westlicher Länder einen Staatsstreich in Russland durchzuführen.

Seit seine Witwe Julia Nawalnaja angekündigt hat, seine politische Mission fortzuführen, haben die gegen sie gerichteten Falschmeldungen erheblich zugenommen, wie eine kürzlich durchgeführte EDMO-Untersuchung zeigt. Sie wurde fälschlicherweise beschuldigt, außereheliche Beziehungen zu haben und die Rede, die sie auf der Münchner Sicherheitskonferenz hielt, vor dem Tod ihres Mannes geplant zu haben, was nahelege, dass sein Tod geplant war. Zudem wurde eine vermeintliche Audio-Aufnahme von Nawalnys Mutter verbreitet, in der sie Julia  Nawalnaja beschuldigte, seinen Tod verursacht zu haben. Doch dabei handelte es sich um eine mit KI erstellte Fälschung.

Desinformation über Migration

Desinformation über Migration wurde im Februar vor allem in Irland und in Spanien verbreitet. In beiden Ländern wurde mittels Falschinformationen versucht, die EU oder die nationalen Regierungen als Befürworter einer unkontrollierten Zuwanderung darzustellen.

In Spanien wurde fälschlicherweise behauptet, dass die EU alle irregulären Migrantinnen und Migranten in das Land abschiebe und dass Japan arbeitslosen Zugewanderten verbiete, sich auf der Straße zu versammeln, womit suggeriert wird, dass diese gewalttätig seien. Zudem wurde behauptet, der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez habe den Einsatz öffentlicher Gelder in Marokko angekündigt, obwohl das afrikanische Land angeblich Produkte importiert, die den fairen Wettbewerb auf dem Agrarmarkt verletzen.

In Irland wurden Aufkleber in Umlauf gebracht, die angeblich vom irischen Muslimrat erstellt wurden, um die Einführung der Scharia im Land zu unterstützen. Es wurde auch behauptet, dass Einwanderer aus Indien 80.000 Euro bekämen, wenn sie auf eine irische Insel zögen. Desweiteren ging ein Meme viral, in dem es heißt, dass Norwegen kürzlich 1.600 Somalier abgeschoben habe. Eine andere weit verbreitete Falschmeldung verwendete eine – wahrscheinlich KI-generierte – Audioaufnahme des britischen Starkochs Gordon Ramsay, der zufolge er irische Anti-Migrations-Demonstranten unterstützt.

Die vier am weitesten verbreiteten Falschbehauptungen im Februar

Neben der bereits erwähnten KI-generierten Audioaufnahme der Mutter von Alexej Nawalny zogen weitere KI-generierte Inhalte weite Kreise, darunter Bilder von Traktoren und hohen Strohbergen vor dem Eiffelturm in Paris und ein Deepfake eines Moderators des französischen Auslandssenders France24, der angeblich berichtete, dass Präsident Emmanuel Macron einen Besuch in Kyjiw wegen eines ukrainischen Attentats auf ihn abgesagt habe. Weit verbreitet wurde auch ein Video, das angeblich Raketen zeigte, die von Huthi-Truppen im Roten Meer gegen Schiffe der US-Marine (einschließlich USS Laboon) gefeuert wurden – in Wirklichkeit handelte es sich um Material aus dem Videospiel „Arma 3“.

Falschinformationen mit nationalem Schwerpunkt

In Portugal kursierte im Zusammenhang mit der Parlamentswahl ein manipuliertes Bild, das André Ventura, Vorsitzender der rechtspopulistischen Chega-Partei, mit dem Nationalsozialismus in Verbindung brachte.

In der Slowakei teilten zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl Tausende Nutzer in sozialen Netzwerken gefälschte Dokumente, in denen behauptetet wurde, dass der wichtigste Kandidat der Opposition, Ivan Korčok, Mitte der 1980er Jahre mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet habe.

In Frankreich machte die Falschinformation die Runde, dass der französische Präsident Macron Vergewaltigung legalisiert habe.

In Griechenland wurde die Falschmeldung verbreitet, dass ein Molkereiunternehmen das Bild einer traditionellen Familie von einem Milchkarton entfernt habe, um eine Regierungsinitiative zur Legalisierung von Ehe und Adoption für gleichgeschlechtliche Paare zu unterstützen.

Methodik

Die in diesem Briefing enthaltenen Informationen wurden mittels eines Fragebogens erhoben, der an die Mitgliedsorganisationen des EDMO-Faktencheck-Netzwerks geschickt wurde. Bezugszeitraum: 1. bis 29. Februar 2024. Anzahl der Befragten: 35. Hauptherausgeber dieses Dokuments: Tommaso Canetta und Enzo Panizio, Pagella Politica/Facta.

Organisationen, die zu diesem Briefing beigetragen haben: 15min, AFP, APA, Correctiv, Check4facts, Delf, Demagog.cz, Demagog.sk, DPA, Eesti Päevaleht, EFE Verifca, Ellinika Hoaxes, Fact Check Cyprus, Factcheck Vlaanderen, FactReview, Faktabaari, Faktisk, FranceTV, Funky, Greece Fact Check, Källkritikbyrån, Lakmusz, Logically Facts, Maldita, Medizin transparent, Newtral, Oštro, PagellaPolitica/Facta, Polígrafo, Pravda, Re:Baltica, The Journal Fact-Check, TjekDet, Verifca RTVE, Verifcat.

Das ausführliche Briefing in Englisch mit weiteren Informationen zu Falschinformationen in verschiedenen EU-Staaten finden Sie hier.

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