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Erdöl ist ein fossiler Brennstoff und nicht unbegrenzt verfügbar

Der Prozess, der Erdöl entstehen lässt, dauert Millionen von Jahren. Postings in sozialen Netzwerken behaupten hingegen, dass sich Öl schneller regeneriere, als es abgebaut werden könne. Erdöl gelte angeblich nur deshalb als knappe Ressource, um dessen Preis künstlich in die Höhe zu treiben. Es stimmt zwar, dass sich auch heute noch fossile Brennstoffe bilden, dennoch gilt Öl nicht als erneuerbare Energiequelle. Die Förderung von Erdöl könnte nach Auffassung von Expertinnen und Experten unrentabel werden, noch bevor die derzeitigen Reserven erschöpft sind.

Hunderte Nutzerinnen und Nutzer haben einen Beitrag auf Facebook geteilt (hier, hier), in dem behauptet wird, Erdöl sei kein fossiler Brennstoff und regeneriere sich schneller, als es abgebaut werden könne. Die Behauptung kursierte zudem auf Twitter und Telegram sowie auf Englisch, Spanisch und Ungarisch.

Die Behauptung: In dem Beitrag wird behauptet, dass sich Öl „schneller im Boden regeneriert“ als es gefördert werden könne. Die begrenzten Erdölvorkommen der Erde seien eine Erfindung, um dessen Preis in die Höhe zu treiben. Der Text behauptet weiter, der Begriff „fossile Brennstoffe“ sei eine „Lüge“, die Ende des 19. Jahrhunderts auf Betreiben des US-Ölmagnaten John D. Rockefeller eingeführt wurde.

Screenshot der Behauptung auf Facebook: 29.11.2022

Erdöl wird aus den Überresten von Organismen und Pflanzen gebildet und gilt nicht als erneuerbare Energiequelle. Da der Abbau immer kostspieliger und technisch aufwendiger wird und alternative Energiequellen erschlossen werden, erwarten Expertinnen und Experten, dass die Ölproduktion noch in diesem Jahrhundert zurückgehen wird. Der Begriff „fossiler Brennstoff“ wird zudem seit dem 18. Jahrhundert für Erdöl verwendet – lange vor der Geburt John D. Rockefellers im Jahr 1839. Zwar ist der Prozess der Erdölbildung nicht abgeschlossen, das bedeutet aber nicht, dass ständig „neues“ Öl zur Verfügung steht, und es wird daher auch nicht als „erneuerbare“ Energiequelle betrachtet.

Erdölvorkommen regenerieren sich nicht

In den aktuell geteilten Postings wird behauptet, Erdöl regeneriere sich „schneller, als es jemals abgebaut“ werden könne. Das impliziert, dass die Menge an Erdöl, die Menschen nutzen können, praktisch unerschöpflich ist. Von AFP befragte Expertinnen und Experten widersprechen dieser Darstellung jedoch.

Ölbohrturm in der Wüste des Golfemirats Dubai

Mathilde Adelinet ist Geologin und außerordentliche Professorin an der französischen Hochschule für Ingenieurwissenschaften IFP School sowie ehemalige Forschungsingenieurin für Geophysik am französischen Forschungsinstitut IFPEN. Sie erklärte am 24. November 2022 gegenüber AFP, dass sich Erdöl nicht in kurzen Zeiträumen „regeneriere“. Öl fließe nicht – im Gegensatz zu Wasser – frei umher, so die Expertin, sondern finde sich in festen Lagerstätten. Von dort könne es durch Bohrungen gefördert werden, danach fließe jedoch nicht einfach neues Öl an die Stelle der abgepumpten Menge, sagte Adelinet.

Erdöl entsteht wie andere fossile Energieträger – Kohle oder Erdgas – aus den Überresten alter Meeresorganismen. Die organischen Bestandteile abgestorbener Pflanzen, Algen und Bakterien wurden im Laufe von Millionen von Jahren unter großer Hitze und hohem Druck in Substanzen umgewandelt, die heute als Brennstoffe und in der chemischen Industrie verwendet werden.

Erdölbildung dauert Millionen von Jahren

Adelinet erklärte AFP, dass Erdöl nur an Orten entstehe, an denen die Voraussetzungen für diesen Umwandlungsprozess bestehen. „Zunächst muss das organische Material absterben – üblicherweise in den Ozeanen – und dann auf den Meeresboden sinken, bis es eine ausreichende Tiefe, Temperatur und Druck erreicht, um in Öl oder Gas umgewandelt zu werden.“

Die Geophysikerin wies darauf hin, dass dieser Prozess keineswegs innerhalb eines Jahrzehnts oder Jahrhunderts ablaufe, sondern vielmehr Millionen von Jahren dauere. „70 Prozent des Erdöls, das wir heute nutzen, entstand vor rund 250 Millionen Jahren“, erklärte sie. Der Abbau von Erdöl benötigt demnach nur einen winzigen Bruchteil der Zeit, in der der Rohstoff entstanden ist. Wie in diesem spanischen Faktencheck von AFP dargestellt, sind selbst die jüngsten Ölquellen vor mehreren Millionen Jahren entstanden. Die ältesten gehen gar auf die Devon-Periode zurück, die vor etwa 410 Millionen Jahren begann.

Ähnlich wie Mathilde Adelinet äußerte sich Zoltán Turzó, Direktor der Abteilung für Erdöltechnik an der Universität Miskolc in Ungarn, am 16. November 2022 per E-Mail gegenüber AFP. Es sei falsch zu glauben, dass neu gebildetes Öl die geförderten Mengen ersetzen könne, so Turzó. „Obwohl auch heute noch Kohlenwasserstoffe gebildet werden, dauert es unvergleichlich  länger, sie aus ihrem Ausgangsgestein freizusetzen und in neue Lagerstätten zu bringen, als die bereits angesammelten Reserven zu fördern. Daher wird kein ’neues‘ Öl in nennenswertem Umfang gebildet“, so der Experte gegenüber AFP.

Erdölförderung wird in Zukunft zurückgehen

Nach der Definition der Vereinten Nationen stammen „erneuerbare Energien“ aus natürlichen Quellen, die „sich schneller regenerieren, als sie verbraucht werden“, wie etwa Sonnenlicht und Wind. Erdöl zählt hingegen nicht dazu. „Öl ist eine nicht erneuerbare Ressource, die sich im Laufe der Erdgeschichte über Millionen von Jahren gebildet hat“, schrieb Heiko Balzter, Direktor des Instituts für Landschafts- und Klimaforschung an der Universität Leicester in Großbritannien, am auf AFP-Anfrage 21. November 2022 per E-Mail.

Zudem stelle sich nicht nur die Frage, ob es unter der Erde genügend Öl gebe, sondern auch, ob es überhaupt gefördert werden könne, sagte Arndt Peterhänsel, Geologe und Erdölspezialist am Geowissenschaftlichen Institut der Universität Heidelberg am 21. Juni 2022 gegenüber AFP. „Die Erdölförderung ist eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Große Mengen Öl werden in ihren unterirdischen Lagerstätten verbleiben, weil es sich wirtschaftlich nicht lohnt, sie zu fördern.“

Expertinnen und Experten und Ölkonzerne gehen derzeit davon aus, dass die Erdölförderung noch in diesem Jahrhundert zurückgehen wird. „Wir verbrauchen das Öl so schnell, dass der Höhepunkt der weltweiten Erdölproduktion je nach Angebot und Nachfrage bereits im Jahr 2050 oder möglicherweise zwischen 2070 und 2080 erreicht sein wird“, erklärte Heiko Balzter.

Ein Arbeiter kontrolliert das Wassersystem in der ungarischen Donau-Raffinerie

„Die Ölproduktion wird zurückgehen, sobald wir den ‚Peak Oil‘ überschritten haben. Die globalen Ölkonzerne bereiten sich darauf vor und suchen bereits nach alternativen Energiequellen, um Öl zu ersetzen“, so der Experte weiter. Laut der „Peak Oil“-Theorie wird die konventionelle Ölförderung in den kommenden Jahrzehnten ihren Höhepunkt erreichen und daraufhin abnehmen. Wann genau dieser Zeitpunkt erreicht sein wird und welche Auswirkungen damit verbunden sind, ist jedoch umstritten.

Auch unter den Ölproduzenten herrscht keine Einigkeit, wann der Höhepunkt der Ölförderung erreicht ist, aber selbst Ölgiganten wie Saudi Aramco und Shell rechnen mit einem künftigen Rückgang der Ölproduktion. Shell erklärte etwa im Jahr 2021, das Unternehmen habe den Höhepunkt seiner Ölproduktion bereits im Jahr 2019 erreicht.

Ölreserven werden rasant abgebaut

In den aktuell geteilten Postings wird weiter behauptet, Öl sei nach Wasser die zweithäufigste Flüssigkeit auf der Erde. Es ist richtig, dass es unter der Erdoberfläche beträchtliche Mengen an Erdöl gibt. „Schätzungen des U.S. Geological Survey gehen von etwa 78 Milliarden Tonnen Öl im Untergrund aus, die sich über Millionen von Jahren gebildet haben“, sagte Arndt Peterhänsel und wies darauf hin, dass Öl tatsächlich eine der häufigsten Flüssigkeiten auf der Erde sei.

Die Website Worldometers zeigt die geschätzte Menge der verbleibenden weltweiten Ölreserven auf Grundlage von Daten der US-Energieinformationsbehörde EIA und dem britischen Ölkonzern British Petroleum an.

Eine abschließende Antwort auf die Frage, was die zweithäufigste Flüssigkeit nach Wasser auf der Erde ist hängt davon ab, was als Flüssigkeit gelte: Zählt zum Beispiel Magma dazu zählen, dann ist es häufiger als Wasser, wie Heiko Balzter und Mathilde Adelinet gegenüber AFP betonten.

Erdöl gilt seit dem 18. Jahrhundert als „fossiler Brennstoff“

Laut den Postings soll der US-amerikanische Ölmagnat John D. Rockefeller den Internationalen Chemieausschuss 1892 in Genf dafür „bezahlt“ haben, die Bezeichnung „fossiler Brennstoff“ für Erdöl festzulegen. Der Internationale Chemieausschuss tagte vom 19. bis 22. April 1892 im schweizerischen Genf, um Regeln für die Nomenklatur organischer Stoffe festzulegen. Die Beschlüsse der Kommission können hier im Original auf Französisch nachgelesen werden. Der Abschlusstext entwirft ein System für die Bezeichnung von Kohlenwasserstoffen.

Chemische Verbindungen auf Kohlenstoffbasis gelten in der Chemie als organische Verbindungen. Auch Erdöl besteht hauptsächlich aus solchen Verbindungen. Die Beschlüsse des Internationalen Chemieausschusses erwähnen jedoch weder „fossile Brennstoffe“ noch andere umgangssprachliche Bezeichnungen, sondern befassen sich ausschließlich mit der standardisierten wissenschaftlichen Benennung.

Die erste dokumentierte Verwendung des Begriffs „fossiler Brennstoff“ findet sich in einem Werk des Berliner Chemieprofessors Caspar Neumann aus dem Jahr 1759, wie Arndt Peterhänsel gegenüber AFP erklärte. „Neumann verwendete den Begriff ‚fossiler Brennstoff‘ zum ersten Mal, dokumentiert in einer Ausgabe seiner chemischen Werke, die 1759 in englischer Sprache veröffentlicht wurde.“ Der Begriff ist hier im Index des Buches vermerkt.

Die Bezeichnung „fossiler Brennstoff“ in der englischen Übersetzung der Werke von Caspar Neumann auf Google Books. Screenshot vom 25. November 2022. Hervorhebung durch AFP.

„Öl ist ein fossiler Brennstoff. Erdöl, Kohle und Erdgas haben sich über Millionen von Jahren unter großer Hitze und hohem Druck aus den Überresten uralter Meerespflanzen, Algen und Bakterien gebildet. Weil diese Brennstoffe aus den Überresten dieser Meeresorganismen entstanden sind, nennt man sie ‚fossile Brennstoffe'“, sagte Heiko Balzter gegenüber AFP.

Fazit: Der geologische Prozess der Erdölbildung dauert Millionen von Jahren. Menschen bauen Erdöl bisher wesentlich schneller ab, als es sich regenerieren kann. Der früheste Nachweis für die Verwendung des Begriffs „fossiler Brennstoff“ für Erdöl stammt von 1759 – Jahrzehnte Jahre vor der Geburt John D. Rockefellers.

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Wirtschaft, Wissenschaft, Umwelt

Autor(en): Ede ZABORSZKY, Feliks TODTMANN, AFP Ungarn

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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