Seit dem 7. Oktober 2023 fordern viele Demonstrierende die Freilassung der nach Gaza entführten israelischen Geiseln. Online kursierte eine Luftaufnahme des israelischen Synchronschwimmteams, worauf die Körper der Schwimmerinnen den Slogan „Bring Them Home Now!“ formen. Dazu hieß es in den Postings, das Foto zeige den Protest der Sportlerinnen gegen ein Verbot des Olympischen Komitees. Demnach sei es bei den Olympischen Spielen untersagt, eine gelbe Schleife aus Solidarität mit den israelischen Geiseln im Gazastreifen zu tragen. Diese Behauptungen sind jedoch irreführend, wie AFP nachweisen konnte: Das Foto wurde bereits im November 2023 aufgenommen und hat nichts mit den Olympischen Spielen zu tun.
„Der israelischen Olympiamannschaft war es nicht gestattet, bei den Olympischen Spielen ihre gelben ‚Bring Them Home‘-Anstecker zu tragen. Also beschlossen sie, es so auszusprechen, dass es die ganze Welt sehen konnte“, hieß es in einem viralen Facebook-Post vom 27. Juli 2024. Dazu wurde die Luftaufnahme eines Schwimmbeckens geteilt, auf der mehrere Schwimmerinnen mit ihren Körpern die Wörter „Bring Them Home Now!“ formen. Alle Schwimmerinnen tragen dabei einheitlich blaue Badeanzüge und weiße Badekappen. Das Bild wurde mit ähnlicher Bildunterschrift zehntausendfach in weiteren Facebook-Kanälen geteilt sowie auf X verbreitet.
Auch in weiteren Sprachen wie Englisch, Finnisch, Französisch, Portugiesisch, Slowakisch, Spanisch und Tschechisch zirkulierte das Foto in sozialen Medien.
Der Slogan „Bring Them Home Now!“ („Bringt sie jetzt nach Hause!“) fordert die sichere Rückkehr aller israelischen Geiseln, die sich seit dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 noch immer in deren Gefangenschaft befinden. Der Angriff, bei dem nach offiziellen israelischen Angaben – die von AFP überprüft wurden – rund 1170 Menschen starben und 250 Personen in den Gazastreifen verschleppt wurden, verursachte den seitdem andauernden Krieg zwischen Israel und der Hamas. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei bislang mehr als 39.650 Menschen getötet.
AFP hat bereits zahlreiche Fehlinformationen über den Nahostkonflikt überprüft.
Authentisches Foto, falsche Datierung
Das in sozialen Medien zirkulierende Foto zeigt tatsächlich israelische Synchronschwimmerinnen, allerdings nicht die olympische Delegation in Paris: Mithilfe einer umgekehrten Bildsuche konnte AFP nachweisen, dass das Originalbild am 19. November 2023 auf dem Instagram-Kanal des israelischen Synchronswimmteams gepostet wurde, also acht Monate vor Beginn der Olympischen Spiele in Paris am 26. Juli 2024. Die Botschaft zur Unterstützung der israelischen Geiseln wurde somit nur wenige Wochen nach dem Angriff der Hamas auf Israel veröffentlicht.
In der Bildunterschrift des Instagram-Posts heißt es, dass das Foto im Wingate-Institut, Israels nationalem Sporttrainingszentrum in der Stadt Netanya nahe Tel Aviv, aufgenommen wurde und zehn israelische Synchronschwimmerinnen zeigt. Unter ihnen sind Shelly Bobritsky und Ariel Nassee, die sich in der Kategorie Duett für die Olympischen Spiele 2024 in Paris qualifiziert haben. Israelische Medien berichteten im Jahr 2023 über die politische Geste der Schwimmerinnen.
AFP kontaktierte den israelischen Drohnenfotografen Adam Spiegel, der das Bild am 19. November 2023 auf seinem Instagram-Account veröffentlichte.
In einer E-Mail vom 30. Juli 2024 bestätigte Adam Spiegel gegenüber AFP, dass er das Foto aufgenommen habe. Er habe das Bild als Collage einzelner Drohnenfotos erstellt, die er am 17. November 2023 im Wingate National Pool aufgenommen habe. „Jeder Buchstabe wurde separat fotografiert und in ein Foto zusammenkopiert, um den Slogan darzustellen“, erklärte er.
Spiegel fügte hinzu, er sei „enttäuscht“ darüber, wie seine Arbeit aktuell in sozialen Medien verwendet werde. „Ich wurde nicht als Fotograf genannt und noch dazu wurde eine Fake-Story erfunden“, sagte er abschließend.
Im Mai 2024 fotografierte Spiegel die drei Synchronschwimmerinnen Shelly Bobritsky, Ariel Nassee und Eden Blecher erneut. Dieses Mal formten sie mit ihren Körpern und farblich passenden Badeanzügen eine gelbe Schleife.
Irreführender Bezug zu den Olympischen Spielen
In den irreführenden Online-Beiträgen wurde zudem behauptet, dass die israelischen Synchronschwimmerinnen die Fotocollage als Zeichen ihres Protests gegenüber dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) veröffentlicht hätten. „Das IOC hat der israelischen Nationalmannschaft verboten, ihre gelben #BringThemHome-Anstecker zu tragen“, schrieb beispielsweise ein X-Nutzer.
Eine gelbe Schleife als Ansteckpin gilt als Zeichen der Solidarität mit politischen Gefangenen oder Militärangehörigen. Seit dem 7. Oktober 2023 wird sie hauptsächlich zum Ausdruck der Solidarität mit den israelischen Geiseln genutzt.
Der israelische öffentlich-rechtliche Sender Kan 11 berichtete am 3. Juli 2024, dass „mehrere Athleten darum gebeten haben, die [gelben] Schleifen zu tragen“, ihnen das aber verboten wurde. In dem Artikel heißt es weiter: „Das Israelische Olympische Komitee lehnte es ab, sich offiziell zu diesem Thema zu äußern, aber laut hochrangigen Beamten ist es verboten, während der Spiele irgendein Zeichen mit politischer oder sonstiger Bedeutung zu verwenden oder zu tragen.“
Yona Berkovitz, Vertreterin des Israelischen Olympischen Komitees, teilte AFP in einer E-Mail vom 1. August 2024 mit, dass „das Israelische Olympische Komitee vor einigen Monaten vom IOC angewiesen wurde, die gelben Anstecknadeln nicht zu tragen, obwohl es sich um eine humanitäre Angelegenheit ersten Ranges handelt.“
Sie fügte hinzu, dass die Athletinnen und Athleten und die gesamte olympische Delegation entsprechend instruiert worden seien. „Die israelische Delegation von 88 Athleten hält sich trotz aller Schwierigkeiten und Erwartungen in Israel mit überwältigender Mehrheit an die Anweisungen“, sagte Berkovitz.
AFP hatte das IOC wiederholt zu diesem Thema kontaktiert, aber bis zur Veröffentlichung des Artikels keine Antwort erhalten.
Keine politischen Gesten erlaubt
Grundsätzlich verfolgt die Olympische Charta politische Neutralität. In Artikel 50.2 heißt es, dass „keine Art von Demonstration oder politischer, religiöser oder rassistischer Propaganda in den olympischen Stätten, Austragungsorten oder anderen Bereichen erlaubt ist“. Diese Regel gelte für alle teilnehmenden Athletinnen und Athleten.
Gleichzeitig legt Artikel 40.2 der Charta fest, dass die Sportlerinnen und Sportler „in Übereinstimmung mit den von der IOC-Exekutive festgelegten Richtlinien das Recht auf freie Meinungsäußerung (…) haben“.
In den für die diesjährigen Spiele in Paris herausgegebenen olympischen Richtlinien zur Meinungsäußerung von Athletinnen und Athleten heißt es weiter, dass die Teilnehmenden die Möglichkeit haben, ihre Meinung gegenüber den bei den Olympischen Spielen anwesenden Medien oder über soziale Medien zu äußern. Äußerungen seien auch „auf dem Spielfeld vor Beginn der Wettkämpfe“ erlaubt, sofern sie mit den grundlegenden olympischen Prinzipien in Einklang stünden und sich nicht „direkt oder indirekt gegen Personen, Länder, Organisationen und/oder deren Würde richten“.
Die Einschränkung der Meinungsäußerung gelte somit nur „während der offiziellen Zeremonien (einschließlich der olympischen Medaillenzeremonien, der Eröffnungs- und der Schlussfeier), während der Wettbewerbe auf dem Spielfeld und im Olympischen Dorf“. Laut Leitlinie könnten Teilnehmende, die sich nicht an diese Regeln halten, vom IOC gemäß der Charta disziplinarisch belangt werden.
Die genannten Regeln des IOC gelten nicht nur für israelische Athletinnen und Athleten, sondern für alle Teilnehmenden – unabhängig von dem Land, das sie vertreten.
Fazit: Online kursierte eine Fotocollage israelischer Schwimmerinnen mit einer Solidaritätsbekundung für israelische Geiseln. Die irreführende Behauptung in sozialen Medien, das Foto zeige den Protest der Sportlerinnen gegen IOC-Regularien, ist jedoch falsch, wie AFP nachweisen konnte. Das Foto ist zwar authentisch, entstand jedoch bereits acht Monate vor den Olympischen Spielen von Paris und hat somit nichts mit den Wettbewerben zu tun.