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Muslimisch geprägte Länder nehmen viele Geflüchtete auf

89,3 Millionen Menschen befanden sich Ende 2021 laut den Vereinten Nationen weltweit auf der Fluchtso viele wie nie zuvor. Große Vertriebenenbewegungen sorgen in den aufnehmenden Ländern seit jeher einerseits für viel Solidarität, andererseits aber auch für viel Ablehnung. In einem seit Langem kursierenden Sharepic wird behauptet, es gebe «57 islamische Länder, die größer sind als die gesamte EU» – gefolgt von der Frage, warum Muslime ausgerechnet in christliche Länder flüchten würden.

Bewertung

Die Anzahl der 57 Länder bezieht sich offenbar auf die Mitgliedsstaaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIZ). Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Länder mit einem großen muslimischen Bevölkerungsanteil. All diese Länder nehmen viele Geflüchtete auf.

Fakten

In dem kursierenden Sharepic wird die Behauptung aufgestellt, es gebe «57 islamische Länder, die größer sind als die gesamte EU». Die Zahl 57 taucht im Zusammenhang mit vermeintlich «islamischen» Ländern nur bei der Organisation für Islamische Zusammenarbeit auf.

Diese umfasst seit der Suspendierung Syriens im Jahr 2012 56 Länder, die zusammen größer sind als die gesamte EU. Allein Kasachstan ist mit 2,72 Millionen Quadratkilometern mehr als halb so groß wie die Europäische Union. Bis auf Palästina sind alle 57 Staaten – also auch Syrien – Mitglieder der Vereinten Nationen (UN).

Die OIZ gibt allerdings keine Definition an, ab wann ein Land als «islamisch» gilt. Indien etwa ist kein Mitglied der Organisation. Dort machten Muslime 2020 nach Schätzungen des Pew Research Centers rund 15 Prozent der Bevölkerung aus. Bei insgesamt mehr als 210 Millionen muslimischen Inderinnen und Indern leben dort mehr als zehn Prozent der weltweiten Muslime. Auf der anderen Seite ist beispielsweise Guyana in Südamerika ein Mitgliedsstaat, obwohl Muslime dort laut Pew Research Center nur einen Anteil von etwas mehr als sechs Prozent ausmachen. Auch das Kosovo mit rund 94 Prozent muslimischem Anteil ist nicht Mitglied der OIZ.

Die Definition von «muslimischen» Ländern ist also ähnlich schwierig wie die von «christlichen», auf die im zweiten Teil der Behauptung als angeblich hauptsächlichem Ziel von Geflüchteten eingegangen wird: «Warum „flüchten“ Moslems ausgerechnet in christliche Länder?» Fakt ist: Laut UN wurden knapp 72 Prozent der bis Ende 2021 weltweit 27,1 Millionen Geflüchteten in ihren direkten Nachbarländern aufgenommen.

Darüber hinaus sind bis auf Deutschland (Platz 4 mit rund 1,26 Millionen Geflüchteten) und Äthiopien acht der zehn Länder, die 2021 die meisten Geflüchteten beherbergten, Mitglieder der OIZ. Auf den Rängen 1 bis 3: die Türkei (3,76 Millionen Geflüchtete), Uganda (1,53 Millionen) und Pakistan (1,5 Millionen).

Nach Angaben der UN gab es zusätzlich zu den Geflüchteten weltweit noch 4,6 Millionen Asylsuchende. Laut UN-Definition war jeder offiziell anerkannte Geflüchtete zuvor ein Asylsuchender.

Bis auf Deutschland (Platz 4 mit rund 250 000 Asylsuchenden), Großbritannien und Spanien befand sich 2021 keines der Länder mit den meisten Asylsuchenden in Europa. Auf den Plätzen 1 bis 3 rangierten die USA (1,3 Millionen Asylsuchende), Peru (537 000) und die Türkei (305 000).

Die drei Länder, aus denen laut UN bis Ende 2021 die meisten Geflüchteten stammten, waren Syrien (6,85 Millionen Menschen), Afghanistan (2,71 Millionen) und der Südsudan (2,36 Millionen). Bei den Asylsuchenden waren es Venezuela, Afghanistan und der Irak. Von den zehn Herkunftsländern, aus denen 2021 die meisten Geflüchteten stammten, sind vier Mitglieder in der OIZ. Zudem ist Syrien ein suspendiertes OIZ-Mitglied.

Die 27,1 Millionen Geflüchteten und 4,6 Millionen Asylsuchenden sind nur ein Teil der bis Ende 2021 weltweit 89,3 Millionen Vertriebenen: Den größten Anteil machten die Binnenvertriebenen mit 53,2 Millionen Menschen aus. Damit sind Menschen gemeint, die innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht sind. Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sind laut UN die Zahlen in allen Bereichen noch einmal drastisch angestiegen. Bislang liegen aber nur Zahlen vor, die bis Mitte 2022 erhoben wurden.

(Stand: 26.1.2023)

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Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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