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Polizei: «Keinerlei Erkenntnisse» über Angriff auf Chrupalla

Bei einer AfD-Veranstaltung im bayerischen Landtagswahlkampf hat es in Ingolstadt einen medizinischen Vorfall gegeben. Der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla klagte am Mittwoch über Beschwerden unter anderem am Oberarm und musste in ein Krankenhaus gebracht werden. Schnell machten Gerüchte die Runde, dass Chrupalla Opfer eines Angriffs geworden sei, etwa mit einer Spritze oder einer Nadel. Auch in den sozialen Netzwerken schlägt der Vorfall Wellen. Zum Beispiel sagt ein Kommentator in einem Video auf Facebook: «Tino Chrupalla – auf ihn wurde ein Anschlag verübt. Das ist jetzt, was bekannt wurde. Von der Polizei bestätigt. Nach einem Selfie ist er zusammengebrochen.» Stimmt es, dass die Polizei von einem «Anschlag» oder Angriff auf den AfD-Politiker spricht?Bewertung

Nein. Die Staatsanwaltschaft hat zwar ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Körperverletzung eingeleitet. Polizei und Staatsanwaltschaft haben aber nach eigenen Angaben «keinerlei Erkenntnisse, dass Herr Chrupalla angegangen oder angegriffen wurde».

Fakten

Das Video mit der Behauptung, die Polizei habe einen Anschlag bestätigt, wurde bereits am Mittwochabend, also kurz nach dem Vorfall in Ingolstadt, als Livestream auf Facebook verbreitet. Der Sprecher beruft sich unter anderem auf Informationen aus AfD-Kreisen. So habe er mit der bayerischen AfD-Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner telefoniert, die in Ingolstadt vor Ort war. Ob die Information über die angebliche Polizeibestätigung von ihr stammt, ist aber unklar.

Fakt ist: Die Polizei hat keinen «Anschlag» oder Angriff auf Chrupalla bestätigt. Weder finden sich vom Zeitpunkt der Veröffentlichung des Videos Meldungen über entsprechende Äußerungen der Polizei oder der Staatsanwaltschaft, noch gab oder gibt es offizielle Mitteilungen der Behörden, die von einem Anschlag oder Angriff berichten.

Was es gibt, sind folgende Äußerungen von Polizei und/oder Staatsanwaltschaft:

  • Am Mittwochabend veröffentlichte das Polizeipräsidium Oberbayern Nord eine Mitteilung, in der von einem «medizinischen Vorfall» die Rede ist. Eine «offensichtliche Verletzung» sei bei Chrupalla am Veranstaltungsort in Ingolstadt nicht erkennbar gewesen. Die Polizei kündigte Ermittlungen an und bat Besucherinnen und Besucher um Fotos und Videos von der Veranstaltung.
  • Ebenfalls am Mittwochabend sagte ein Polizeisprecher, man wolle ermitteln, ob Dritte für den Vorfall verantwortlich sein könnten. Es gebe aber keine Hinweise auf einen Angriff.
  • Am Donnerstagmorgen sagte ein Polizeisprecher, es gebe keinen neuen Erkenntnisstand.
  • Am Donnerstagvormittag teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Ingolstadt mit, dass gegen Unbekannt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung eingeleitet worden sei.
  • Am Donnerstagnachmittag bekräftigten Staatsanwaltschaft und Polizei diesen Stand in einer gemeinsamen Mitteilung. Sie schrieben aber auch: «Es liegen zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Erkenntnisse vor, dass Herr Chrupalla angegangen oder angegriffen wurde.»

An diesem Stand hat sich bislang (Stand: 6.10.2023, 14 Uhr) nichts geändert. Weder Polizei noch Staatsanwaltschaft haben von einem Angriff oder einem Anschlag gesprochen.

AfD spricht von «tätlichem Angriff»

Die AfD-Bundesgeschäftsstelle hingegen nutzte die Formulierungen «tätlicher Vorfall» und «tätlicher Angriff», ein Sprecher von Chrupallas Büro sprach von einer «Einstichstelle». Polizei und Staatsanwaltschaft teilten dagegen nur mit, an Chrupallas Oberarm sei eine «oberflächliche Rötung bzw. Schwellung» festgestellt worden.

Chrupalla war nach Angaben der Bundespartei vom Donnerstag wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden. Er werde sich in «weiterführende ärztliche Behandlung begeben». Alle geplanten Wahlkampftermine in Bayern seien abgesagt worden. Am Freitag berichtete die «Junge Freiheit», dass im Entlassbrief von einer «intramuskulären Injektion» die Rede war. Auch der Deutschen Presse-Agentur wurde das Dokument von Chrupallas Büro zur Einsicht zur Verfügung gestellt. In dem Schreiben ist auch von einem «Nadelstich» im rechten Oberarm die Rede.

Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt bestätigte die Angaben am Freitagnachmittag in einer Pressemitteilung. Sie schrieb aber auch, dass eine von der Behörde in Auftrag gegebene Blutprobe keine Hinweise geliefert habe. Zudem schrieb die Staatsanwaltschaft über die ihr vorliegenden Zeugenaussagen: «Die Beibringung einer Spritze oder einen körperlichen Angriff haben diese Zeugen nicht wahrgenommen.»

Im Video-Livestream vom Mittwochabend (18.18 Uhr deutscher Zeit) heißt es auch, außer der rechten Zeitung «Junge Freiheit» würde niemand über den Vorfall berichten. Doch das ist falsch: Der «Donaukurier» aus Ingolstadt hatte bereits rund eine Stunde zuvor im sozialen Netzwerk X berichtet, dass Chrupalla ins Krankenhaus gebracht werden musste, und dabei auch auf einen eigenen Artikel verlinkt. Eine frühe Version dieses Artikels findet sich mit dem Zeitstempel 18.06 Uhr am Mittwoch in einem Internet-Archiv.

Ungenaue Behauptung über Alice Weidel

Nur einen Tag zuvor hatte die Absage eines Wahlkampfauftritts von Chrupallas Co-Vorsitzender Alice Weidel für Schlagzeilen gesorgt. Der angebliche Grund: eine Bedrohungslage. Auch dies wird in dem Livestream auf Facebook vom Mittwochabend thematisiert. Weidel sei «derzeit mit ihrer Familie an einem sicheren Ort, weil sie geschützt werden muss.»

Tatsächlich aber war Weidel bereits mehr als zehn Tage zuvor, am 23. September, von Schweizer Behörden an einen sicheren Ort gebracht worden – so schildert es ihr Sprecher. Seitdem hat sie öffentliche Termine wahrgenommen und ist einem «Spiegel»-Bericht zufolge am 3. Oktober in einem Restaurant auf Mallorca gesehen worden.

(Stand: 6.10.2023)

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Politik

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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