Bewertung
Falsch. Diese Schlussfolgerung lässt die Studie nicht zu. Dass häufiger Herzmuskelenzündungen nach Impfungen registriert werden als nach Infektionen, ist überhaupt nicht überraschend: Denn es gibt viel mehr verabreichte Impfungen als Corona-Fälle – in Schweden zum Beispiel ist die Zahl rund neuneinhalb Mal so hoch.
Fakten
Was die Studie herausgefunden hat
Ihr Augenmerk legt die Untersuchung aus Nordeuropa auf die Schwere und den Verlauf einer Herzmuskelentzündung – je nachdem, ob sie nach einer Covid-Impfung, nach einer Corona-Infektion oder nach einer anderen Virusinfektion auftritt.
Die Studie, an der neben Kollegen aus Schweden, Norwegen und Finnland auch Wissenschaftler der Abteilung für epidemiologische Forschung am Statens Serum Institut (SSI) in Kopenhagen beteiligt waren, wurde jüngst in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift «BMJ Medicine» veröffentlicht.
Sie kommt zu dem Schluss, dass eine Myokarditis nach einer Impfung weniger schwerwiegend verläuft als nach Virusinfektionen, wie es in einer Mitteilung des SSI vom 2. Februar 2023 heißt.
Die auf der mRNA-Technologie basierenden Covid-19-Impfstoffe können in seltenen Fällen eine Entzündung des Herzmuskels hervorrufen. Das ist auch nach viralen Infektionen ein bekanntes Phänomen. Es tritt am häufigsten bei jungen und gesunden Männern auf. «Glücklicherweise deutet mittlerweile alles darauf hin, dass Fälle, die nach einer Impfung auftreten, milder verlaufen als eine Myokarditis nach einer Infektion», schreibt das SSI.
In der Studie heißt es explizit: Bei jüngeren, ansonsten gesunden Patienten ist das Risiko eines Herzversagens oder eines Todes innerhalb von 90 Tagen sechsmal höher, wenn die Herzmuskelentzündung nach einer Covid-19-Erkrankung auftrat als nach einer Impfung.
So interpretieren Impfgegner die Studie
Anstatt auf die Schwere der Erkrankung fokussieren sich Gegner von Corona-Impfungen allein auf die Fallzahl, die in der Studie aufgeworfen wird.
Die Forschungsgruppen aus Nordeuropa haben 7292 Fälle von Entzündungen des Herzmuskels in Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland im Zeitraum 2018 bis 2022 untersucht. Der größte Teil (6653 Fälle) trat demzufolge höchstwahrscheinlich nach einer Virusinfektion (ohne Corona) auf, 109 Fälle wurden in einem gewissen zeitlichen Abstand nach einer Corona-Infektion ausgemacht und 530 nach einer Impfung.
Aus diesen Zahlen wird nun in Blog-Artikel und sozialen Medien fälschlicherweise geschlossen, dass fünfmal mehr Myokarditisfälle nach einer Corona-Impfung aufträten als nach einer Corona-Infektion. Doch so einfach ist es nicht.
Was an dieser Auslegung falsch ist
Eine solche Gegenüberstellung wäre überhaupt nur denkbar, wenn die Zahlen für Infizierte und für Geimpfte in der nordischen Bevölkerung gleich hoch wären. Doch dem ist bei weitem nicht so.
In Schweden zum Beispiel sind der offiziellen Statistik zufolge bis Mitte Februar 2023 rund 2,7 Millionen Fälle registriert worden, in denen sich Menschen mit dem Coronavirus infiziert haben. Zugleich wurden in dem skandinavischen Land mehr als 25,6 Millionen Dosen an Corona-Impfstoffen verabreicht – die zugrundeliegende Vergleichsgröße ist also rund neuneinhalb Mal so hoch.
Ähnlich sieht es in den anderen drei betrachteten Ländern aus, hier liegt die Zahl der Impfungen um das viereinhalb- bis neunfache höher als die jeweiligen Corona-Fälle:
- In Finnland gab es bis Mitte Februar 1,46 Millionen Corona-Nachweise, aber mehr als 13 Millionen Corona-Impfungen.
- Dänemark verzeichnete bis Mitte Februar 3,4 Millionen Corona-Fälle. Dem gegenüber stehen mehr als 15 Millionen Corona-Impfungen.
- Norwegen registrierte bis Mitte Februar knapp 1,5 Millionen Corona-Fälle, mehr als 12 Millionen Impfdosen (S. 64) wurden verabreicht.
Ein vereinfachtes Gedankenexperiment: Angenommen wird, das Risiko einer Herzmuskelentzündung wäre nach Impfung wie nach Infektion gleich hoch. Im statistischen Mittel wäre dann zu erwarten, dass die Zahl der Erkrankungen nach einer Impfung je nach Land 4,5 bis 9,5 Mal höher läge als Myokarditis-Fälle nach einer Infektion. Doch dem ist nicht so – wie die Studie aus Nordeuropa eindeutig zeigt.
Wie die Lage in Deutschland ist
Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und Perikarditis (Herzbeutelentzündung) sind äußerst seltene Nebenwirkungen der Corona-Impfungen, wie es erneut im jüngsten Sicherheitsbericht vom Dezember 2022 des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) heißt. Das PEI ist in Deutschland für die Überwachung der Impfstoffe verantwortlich.
In den meisten Fällen heilen Herzmuskelentzündungen rasch und problemlos. Allerdings treten sie statistisch gehäuft bei männlichen Jugendlichen und jungen Männern nach Immunisierungen mit mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna auf – und das in der Regel wenige Tage nach der Impfung.
Dieses Krankheitsbild beschreibt das PEI unter anderem sehr ausführlich in seinem Sicherheitsbericht vom September 2022. Demnach gab es nach den mehr als 183 Millionen verabreichten Impfungen zwischen 27. Dezember 2020 und 30. Juni 2022 gut 2500 Meldungen von Verdachtsfällen einer Myokarditis und/oder Perikarditis. Aus Verdachtsmeldungen ist allerdings nicht abzuleiten, ob die Impfung schlussendlich Auslöser für die Krankheit war.
(Stand: 16.02.2023)