Satire-Beitrag zu Putins Rede: Dieses Foto zeigt keine Mitarbeiterin von Sahra Wagenknecht - Featured image

Satire-Beitrag zu Putins Rede: Dieses Foto zeigt keine Mitarbeiterin von Sahra Wagenknecht

„Die russischstämmige Mitarbeiterin von Wagenknecht war heute auch bei der Rede von Putin zur ‚Lage der Nation‚“, twitterte das Profil Anonymous9775 am 21. Februar. Zu sehen ist ein Foto einer Frau mit pinkem Sakko, Sonnenbrille und blonder Kurzhaar-Frisur. Der Beitrag erhielt mehr als 2.000 „Gefällt mir“-Angaben und wurde fast 270.000 Mal angezeigt.

Und er provozierte zahlreiche Reaktionen: Einige Journalistinnen und Journalisten stellten in den Kommentaren klar, dass es sich bei der Frau im Foto vermutlich um die russische Duma-Abgeordnete Rima Akberdinovna Batalova handelt. Das anonyme Profil schrieb daraufhin: „Das war als Satire gedacht!! Es ist ja wohl klar, dass die russischstämmige Mitarbeiterin von Wagenknecht kaum Mitglied der Duma oder einer anderen staatlichen Einrichtung in Russland sein kann! Oder vielleicht doch??“ Manche nahmen den Tweet ernst: „Pass einziehen, soll bleiben, wo sie ist!“, kommentierte eine Nutzerin. Andere Nutzer verbreiteten den Beitrag mit dem Foto ohne Hinweis auf Satire weiter.

Kommentare unter dem Tweet stellen richtig, dass darin Rima Akberdinovna Batalova zu sehen ist
Auf den Hinweis des Journalisten Daniel Laufer, dass es sich bei der Frau im Foto wohl eher um Rima Batalova handele, kommentierte Anonymous9775: „Das war als Satire gedacht!!“ (Quelle: Twitter; Screenshots und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Twitter, Phoenix; Screenshot: CORRECTIV.FaktencheckNein, es handelt sich nicht um eine Mitarbeiterin von Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht bei Putins Rede zur Lage der Nation

Das Büro von Sahra Wagenknecht teilte uns per E-Mail mit: „Wir haben die Dame auf diesem Foto noch nie gesehen, es handelt sich demnach nicht um eine Mitarbeiterin von Frau Wagenknecht.“

In dem Bild auf Twitter steht der Name des Fernsehsenders Phoenix. Der veröffentlichte auf Youtube einen zweistündigen Live-Stream der Rede, die Putin am 21. Februar in Moskau hielt. Die Frau im pinken Sakko ist dort bei Minute 13:20 zu sehen. Es gibt aber keinen Hinweis, wer die Frau im pinken Anzug ist. Wir wissen aus Medienberichten jedoch: Putin hielt seine Rede vor beiden Kammern des russischen Parlaments, im Publikum saßen folglich Angehörige des Föderationsrats und der Staatsduma.

Dazu passen die Twitter-Kommentare der Journalistinnen und Journalisten, denn Rima Batalova ist Mitglied der Staatsduma. Das Profil der russischen Politikerin im Sozialen Netzwerk VK veröffentlichte dasselbe Foto am Tag von Putins Rede. Dazu hieß es: „Heute hielt der russische Präsident Wladimir Putin seine nächste Rede vor der Bundesversammlung. […] Ich unterstütze von ganzem Herzen alle heute zum Ausdruck gebrachten Initiativen.“ Dasselbe Bild erschien in einem gleichnamigen Telegram-Kanal.

„Heute hielt der russische Präsident Wladimir Putin seine nächste Rede vor der Bundesversammlung“, schreibt der Telegram-Kanal Rima Batalova diese Bilder.
„Heute hielt der russische Präsident Wladimir Putin seine nächste Rede vor der Bundesversammlung“, schreibt der Telegram-Kanal Rima Batalova diese Bilder. Darunter ist auch die Aufnahme, die bei Phoenix zu sehen war. (Quelle: Telegram / Rima Batalova; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Twitter, Phoenix; Screenshot: CORRECTIV.FaktencheckDer Vergleich mit älteren Bildern von Batalova zeigt außerdem, dass sie ein Muttermal an ihrer linken Wange hat. Das ist auch auf dem Foto zu sehen, das der Anonymous-Account auf Twitter veröffentlichte.

Muttermal von Rima Batalova
Dasselbe Muttermal, dieselben Gesichtszüge: Beim direkten Vergleich der Bilder von 2018 (links) und 2023 (rechts) lässt sich nachvollziehen, dass auf beiden die russische Politikerin Rima Batalova zu sehen ist (Quellen: Wikipedia, Duma / Phoenix; Screenshots, Collage und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Twitter, Phoenix; Screenshot: CORRECTIV.FaktencheckSatire über Sahra Wagenknecht führte wegen fehlender Kennzeichnung schon im Jahr 2022 zu Missverständnissen

Da es sich um Satire handelt, kann der Tweet als ironische Anspielung auf Wagenknechts  Russland-Politik verstanden werden. Wagenknecht gilt als Kritikerin der Sanktionen gegen Russland – und Batalova steht laut Sanktionstracker von CORRECTIV auf der Sanktionsliste, unter anderem in der EU.

Im Fall von Anonymous9775 ist es nicht das erste Mal, dass ungekennzeichnete Satire weiterverbreitet wird: „Die russischstämmige Mitarbeiterin von Wagenknecht war heute auch im Kreml ​​(links)“, twitterte derselbe Account im September 2022 zu einem Foto, das jedoch zwei Vize-Ministerpräsidentinnen der Russischen Föderation zeigt. Tatyana Golikova und Viktoria Abramchenko. Schon damals nahmen einige Nutzerinnen und Nutzer den Tweet ernst.

Beiträge wie diese, die nicht oder erst nach eigener Recherche als Satire erkennbar sind, können zu Missverständnissen führen. In unserer Satire-Richtlinie haben wir zusammengefasst, warum wir in solchen Fällen einen Faktencheck veröffentlichen.

Dieser Tweet zeigt Tatyana Golikova und Viktoria Abramchenko
In dem Foto links sind die russischen Vize-Ministerpräsidentinnen Tatyana Golikova und Viktoria Abramchenko zu sehen. Rechts sind die offiziellen Porträts der Politikerinnen auf der Website der russischen Regierung. (Quellen: Twitter, Government.ru; Screenshots und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Twitter, Phoenix; Screenshot: CORRECTIV.FaktencheckAnonymous Germany: Wir wissen nicht, wer hinter diesem Account steckt

Der Account nutzt den Namen einer anonymen Gruppe von Hackern und Webaktivistinnen. In Deutschland spricht für diese Gruppe oft das Kollektiv Anonymous Germany, das den Blog „Anonleaks“ und den Twitter-Kanal Theanonleaks betreibt. Sie schrieben im August 2022 über den Twitter-Nutzer Anonymous9775: „Wir wissen weder, wer hinter diesem seit April dieses Jahres bestehenden Account steckt, noch hat er Zugriff auf Daten oder E-Mail Konten, die bei uns liegen. [...] Denkt daran, jeder kann sich Anonymous nennen.“

Redigatur: Kimberly Nicolaus, Gabriele Scherndl

Update, 27. Februar 2023: Wir haben in Überschrift und Einleitung klarer formuliert, dass es sich um Satire handelt.

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Politik, Ukraine

Autor(en): CORRECTIV

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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