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Selenskyj-Aussage in Video sinnentstellend verkürzt

Am 24. Februar 2022 hat Russland die Ukraine überfallen. Schon vorher verbreiteten pro-russische Internetuser Narrative, die den illegalen Angriffskrieg rechtfertigen sollen. In diesem Zusammenhang wird ein Video geteilt, das ein Interview des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus dem Jahr 2019 zeigen soll. Schon damals habe Selenskyj angeblich über «seine Pläne» gesprochen, heißt es dazu bei Facebook.

In dem Video spricht Selenskyj auf Ukrainisch, dazu wird eine Übersetzung eingeblendet. «Wir werden mit einem Krieg in den Donbass ziehen. Unsere Armee ist bereit. Wir sind bereit für direkte Militäraktionen in den besetzten Gebieten», soll der Präsident demnach gesagt haben. Das Narrativ, das diese Beiträge vermitteln sollen, ist offensichtlich: Selenskyj selbst habe diesen Krieg lange geplant. Doch stimmt das?

Bewertung

Die Selenskyj-Aussagen in dem Video sind zwar korrekt übersetzt worden, wurden aber aus dem Kontext gerissen. Der ukrainische Präsident hatte 2019 auf die Frage eines Journalisten erklärt, warum er das Kriegsrecht nicht verhängt. Die Menschen hätten schließlich keinen Präsidenten gewählt, der Sätze sagt wie: «Wir werden mit einem Krieg in den Donbass ziehen. Unsere Armee ist bereit.»

Fakten

Am 10. Oktober 2019 gab der damals neu gewählte Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, eine länger als zwölf Stunden dauernde Pressekonferenz. Der bei Facebook verbreitete Video-Ausschnitt zeigt eine Antwort Selenskyjs bei diesem «Interview-Marathon».

Ein Journalist hatte ihn gefragt, warum dieser aufgrund der Situation in der Ostukraine und der russischen Annexion der Krim nicht das Kriegsrecht verhängt habe und nur von Konflikt und nicht von Krieg spreche. Das berichtet der Fernsehsender «Espreso.TV». Der TV-Sender hat bei Youtube auch ein Video veröffentlicht, dass die Antwort des Präsidenten zeigt.

Präsident sprach sich in Interview für Diplomatie aus

Selenskyj antwortete demnach, dass er als ein «Präsident des Friedens» angetreten sei und für ihn die Gesellschaft das Wichtigste sei. Die Bürgerinnen und Bürger hätten aber keinen Präsidenten gewählt, der jetzt ankommt und sagt: «Von heute an verhängen wir das Kriegsrecht. Wir haben Krieg. Wir werden kämpfen. Wir haben eine Armee bereit. Wir werden durch Krieg in den Donbass ziehen. Wir werden unsere Gebiete durch Krieg und durch das Militär einnehmen. (…) Wir sind bereit für direkte militärische Aktionen auf dem besetzten Gebiet.» Stattdessen spricht sich Selenskyj ergänzend für eine diplomatische Lösung aus – anhand des Normadie-Formats und der Minsker Abkommen. Der nun bei Facebook verbreitete Ausschnitt beginnt also erst in der Mitte seiner Antwort.

Der ukrainische Präsident bedient sich hier für kurze Zeit eines rhetorischen Stilmittels. Der ehemalige Schauspieler schlüpft in die Rolle eines Präsidenten, der – anders als er selbst es plant – statt auf diplomatische auf kriegerische Reaktionen setzt. Die Aussage Selenskyjs wird durch die Verkürzung also verdreht.

(Stand: 8.11.2022)

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Politik, Ukraine

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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