Kohlendioxid verändert das Klima auf der Erde maßgeblich. Politiker in den USA und Deutschland stellen den CO2-Anteil in der Atmosphäre hingegen als winzig dar. Das ist irreführend. Obwohl der CO2-Gehalt in der Atmosphäre tatsächlich bei rund 0,04 Prozent liegt, ist das Treibhausgas ausschlaggebend für die Erderwärmung. Der starke Anstieg von Kohlendioxid aufgrund menschlicher Aktivität und der damit verbundene Klimawandel ist in unzähligen Studien belegt. Auch Deutschland trägt mit seinen Emissionen zur Erderwärmung bei.
Die Argumentation vom geringen CO2-Anteil findet weltweit Verbreitung. Tausende Nutzerinnen und Nutzer teilten in sozialen Netzwerken im April Reden mit sich ähnelnden Behauptungen dreier Politiker.
Einer von ihnen ist Doug LaMalfa, ein US-amerikanischer Politiker der Republikanischen Partei. Er machte die irreführende Ausführung bei einer Anhörung des Transport- und Infrastrukturausschusses des Repräsentantenhauses am 28. März 2023. Der Anstieg von 0,03 auf 0,04 Prozent in den letzten Jahren sei minimal, wegen dieser „winzigen Veränderung des CO2-Gehalts“ werde man zu Umweltmaßnahmen „gezwungen“. Postings seiner Rede wurden auf Facebook tausendfach geteilt.
Auch in Deutschland wurde die Behauptung vom „Irrsinn der Klimaschutzpolitik“ geteilt. Im Bundestag argumentierte der fraktionslose Abgeordnete Robert Farle am 27. April 2023 mit dem geringen CO2-Anteil von 0,04 Prozent, ebenso der AfD-Abgeordnete Oliver Kirchner am 18. November 2022 im Landtag von Sachsen-Anhalt. Die beiden ergänzen ihre Ausführungen um die Verantwortung Deutschlands an den globalen Emissionen, die ihrer Meinung nach vernachlässigbar sei. Auf Instagram markierten Zehntausende User Videos der beiden Reden mit einem Like (hier, hier).
Irreführende Rechnung
Farle und Kirchner stellen für ihre Behauptung von der „irrsinnigen“ Klimapolitik eine Rechnung auf, die so schon seit über einem Jahrzehnt kursiert, verbreitet etwa durch das klimawandelleugnende Institut EIKE.
Sie geben die Konzentration von CO2 in der Luft mit 0,04 beziehungsweise mit 0,038 an. Davon bezeichnen sie wiederum vier Prozent als menschengemacht und gelangen so zu einem CO2-Anteil des Menschen von 0,0016 beziehungsweise 0,0015. Ausgehend von einem Anteil Deutschlands an den globalen CO2-Emissionen in Höhe von 1,76 beziehungsweise 3,1 Prozent gelangen sie so dann zu einer insgesamten Verantwortung Deutschlands am Klimawandel von 0,000028 beziehungsweise 0,00004712 Prozent.
Während die Zahlen zur CO2-Konzentration in der Atmosphäre sowie Deutschlands Emissionen grob richtig sind, lassen sie aber einige Faktoren außer Acht. Die Schlussfolgerungen daraus sind irreführend.
Steigender CO2-Anteil mit katastrophalen Konsequenzen
Die Erdatmosphäre besteht tatsächlich nur zu einem kleinen Teil aus Kohlendioxid (CO2). 78 Prozent unserer Luft ist Stickstoff, 21 Prozent ist Sauerstoff, der Rest sind Edelgase und Spurengase wie Kohlendioxid.
Der Anteil von CO2 in der Luft beträgt rund 0,04 Prozent. Die US-Wetterbehörde NOAA misst seit den 1950er-Jahren in einer langen Forschungsreihe in Mauna Loa in Hawaii den CO2-Gehalt der Atmosphäre. Im April 2023 lag er bei 423 ppm. Ppm steht für „parts per million“, also Teilchen pro Million. 0,04 Prozent entsprechen 400 ppm.
Das mag auf den ersten Blick trotzdem nach einer kleinen Zahl aussehen. Der Kohlendioxid-Gehalt ist aber trotzdem eine wichtige Komponente des natürlichen Treibhauseffektes, erklärt der Deutsche Wetterdienst (DWD) auf seiner Website.
„CO2 ist ein kleiner Bestandteil der Atmosphäre. Trotzdem hat es einen großen Einfluss auf die Temperatur des Planeten“, erklärte Atmosphärenspezialist Andrew Watson von der Universität Exeter für einen ähnlichen Faktencheck gegenüber AFP.
Klimaforscher Stefan Rahmstorf kommentierte den wiederkehrenden Fehlschluss im Jahr 2019 online: „Die kleine Zahl 0,04 Prozent soll suggerieren, dass auch die Wirkung von CO2 auf das Klima gering sein müsse. Wer dieser Logik folgt, trinkt sicher auch gerne einen Zyankali-Cocktail. Den Wissenschaftlern, die behaupten, schon 3 mg/kg Körpergewicht (also 0,0003 Prozent) Zyankali seien tödlich, ist bestimmt nicht zu trauen!“
Marie-Luise Beck vom Deutschen Klima Konsortium erklärte das in einer Mail vom 12. Mai ähnlich. „Diese absolute Menge an CO2 ‚verführt‘ zu der intuitiven Schlussfolgerung, eine so geringe Menge könne nichts ausmachen.“ Obwohl die Konzentration niedrig sei, sei sie trotzdem entscheidend: „Die Natur ist voll von Prozessen, in denen Spurenstoffe Steuerungsfunktionen übernehmen.“ Vitamine könnten beispielsweise schon durch geringe Unter- oder Überdosierung im menschlichen Körper Schaden anrichten.
Die Berechnungen der Videos bezeichnete sie als eine „Mischung aus korrekten Fakten, logischen Fehlern und falschen Rückschlüssen“. Die Erwärmung sei „für die menschlichen Zivilisationen etwas völlig Neues“.
Im Laufe der Zeit ist der Wert nämlich massiv angestiegen. Während LaMalfa diesen Anstieg als minimal darstellt, ist die Veränderung enorm. Die CO2-Konzentration erreicht ständig neue Rekordwerte. Zudem sind die Konsequenzen daraus massiv.
Das Gas ist deshalb so schädlich, weil es den Treibhausffekt ankurbelt. Die Erdatmosphäre umgibt unseren Planeten wie eine Art Schutzschild, ohne sie wäre es viel kälter. Gase wie CO2 verhindern, dass die Sonnenenergie wieder ins Weltall entweicht. Mehratomige Moleküle wie Kohlendioxid reflektieren Wärmestrahlung anders und packen die Erde damit in eine Art Decke ein. Das führt außerdem zu sich selbst verstärkenden Effekten. Wird es wärmer, entsteht mehr Wasserdampf, der wiederum den Treibhauseffekt verstärkt.
Durch etwa das Verbrennen fossiler Energieträger oder Entwaldung reichert der Mensch die Atmosphäre mit zusätzlichem CO2 an. Das deutsche Umweltbundesamt beschreibt das als „durch die Wissenschaft unzweifelhaft nachgewiesen“. Diese kleine Veränderung macht einen großen Unterschied für das Leben auf der Erde.
In einem Bericht der Weltorganisation für Meteorologie aus dem Jahr 2021 heißt es, dass die Zahl an Wetterkatastrophen in den letzten fünfzig Jahren um das Fünffache gestiegen ist. Zurückzuführen sei das auf den Klimawandel, die Zunahme extremer Wetterereignisse und die verbesserte Berichterstattung. Eine Analyse von „Carbon Brief“ vom August 2022 untersuchte über 500 extreme Wetterereignisse und stellte fest, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel über 70 Prozent von ihnen wahrscheinlicher oder schwerwiegender machte. Durch die Rodung von Wäldern oder die Verbrennung fossiler Treibstoffe trägt der Mensch zur Zunahme von Extremwetter bei.
AFP hat sich bereits in weiteren Faktenchecks (hier, hier, hier, hier) mit der Behauptung vom geringen CO2-Anteil beschäftigt. Auch vermeintlich positive Aspekte von CO2, etwa für das Wachstum von Pflanzen, hat AFP hier bereits genauer unter die Lupe genommen.
Erderwärmung ist menschengemacht
Im zweiten Schritt der Rechnung geben die Politiker den Anteil des Menschen am CO2-Ausstoß mit vier Prozent an. Dass ein großer Teil des CO2 im Kohlenstoffkreislauf natürlich ist, ist zwar richtig, allerdings gibt es zwischen natürlichem und menschlichem Ausstoß einen Unterschied. Das deutsche Umweltbundesamt erklärt auf seiner Website, dass der Kohlenstoffkreislauf der Natur ein Nullsummenspiel sei. Die Emissionen des Menschen bilden hingegen eine zusätzliche Quelle, die einen kontinuierlichen Anstieg der CO2-Konzentration verursachen und den Kreislauf aus dem Gleichgewicht bringen. Der Eingriff des Menschen hinterlässt also Spuren, während die großen Mengen des von der Natur ausgestoßenem CO2 unter anderem von Wäldern und Ozeanen wieder aufgenommen werden können.
Andrew Watson erklärte zu einer ähnlichen Rechnung, dass diese „total bizarr“ sei. Es werde lediglich der CO2-Fluss in die Atmosphäre betrachtet, der Nettozuwachs durch menschliche Emissionen allerdings nicht beachtet.
Dass menschliches Handeln wesentlich ist, ist in einer Vielzahl an wissenschaftlichen Studien festgehalten. Im Fazit eines 2021 erschienenen Berichts des Weltklimarats (IPCC) heißt es: „Es ist eindeutig, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, den Ozean und die Landflächen erwärmt hat.“ IPCC-Berichte gelten als Zusammenfassung des aktuellen Stands der Wissenschaft zu dem Thema.
Eine Aufstellung des „Office of Planning and Research“, einem Forschungsinstitut der kalifornischen Regierung, listet rund 200 Wissenschaftsorganisationen auf der ganzen Welt auf, die ebenfalls die Auffassung teilen, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Auch die Folgen der Erderwärmung sind für den Menschen spürbar.
In einer Mail vom 11. August 2021 fasste Aiko Voigt vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien für einen anderen Faktencheck zusammen: „Der beobachtete Klimawandel der letzten Jahrzehnte ist zweifelsfrei dem Menschen zuzurechnen.“
Deutschland ist für Klimawandel mitverantwortlich
Die genauen Emissionen aller Länder zu berechnen ist kompliziert. Verschiedene Schätzungen unterliegen daher einer gewissen Schwankungsbreite. Im Großen und Ganzen liegen sie dabei aber bei den Zahlen, die auch Kirchner und Farle nennen.
Die EU-Datenbank EDGAR, die Treibhausgase schätzt, gibt den Anteil Deutschlands mit 1,76 Prozent der weltweiten Emissionen im Jahr 2021 an. Pro Kopf sind es mit 8,06 Prozent deutlich mehr.
Die Ableitung, dass Deutschlands Emissionen damit keinen Einfluss auf das Klima haben, ist aber nicht richtig. Das Deutsche Klima Konsortium hält online fest: „Im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl emittiert Deutschland deutlich zu viel Kohlendioxid.“
Betrachtet man den Ausstoß in Deutschland pro Kopf, gehört Deutschland zu den größten Klimasündern der Welt. Im Schnitt verursachen Deutsche weit mehr CO2-Emissionen als der Rest der Weltbevölkerung.
Deutschlands Einfluss hört auch nicht an der Landesgrenze auf, erklärt der Verein Deutscher Ingenieure: „Deutschland hat erheblichen Einfluss auf die weltweiten CO2-Emissionen – direkt und indirekt.“ Da es eines der wichtigsten Exportländer ist, werden Autos, Maschinen und viele andere Güter in Deutschland hergestellt und verursachen dann in anderen Ländern Emissionen.
Seit den 1990er-Jahren sinkt die jährliche Menge an CO2, die Deutschland durch Verbrennung und Industrie ausstößt. Die insgesamte Menge seit 1750, sogenannte kumulative CO2-Emissionen, zeigen aber, dass Deutschland durchaus Mitverantwortung für die weltweiten Ausstöße trägt.
Natürlich entlassen Klimamaßnahmen in Deutschland andere Staaten aber nicht aus ihrer Verantwortung, genauso wie andersrum.
Hinter Klimaskepsis steckt Strategie
Die Klimadebatte wird von rechten Gruppen dazu genutzt, einen Kulturkampf zu stilisieren. Sie beschwören Feindbilder herauf, reißen Informationen aus dem Zusammenhang oder stellen Klimaschutzmaßnahmen als Bedrohung für den Lebensstil dar, fand eine Analyse des Instituts für strategischen Dialog (ISD) heraus. Auch die Erzählung, dass andere Länder in höherem Maße für den weltweiten CO2-Ausstoß verantwortlich seien, kommt immer wieder vor. Die ISD-Analyse fand zudem heraus, dass klimabezogene Beiträge der AfD vor der Bundestagswahl 2021 weitaus mehr geteilt wurden als zu anderen Themen.
Viele Behauptungen zielen darauf ab, den Klimawandel als ungefährlich oder nicht existent darzustellen. Neben Strategien von Verleugnung und Verzögerung setzen Gruppen auch auf sogenannten „lukewarmerism„. Dabei wird der menschengemachte Klimawandel zwar angenommen, allerdings mit der Ansicht kombiniert, dass dessen Gefahr übertrieben dargestellt werde.
Auch AFP überprüft immer wieder Falschbehauptungen, die die Dramatik der Erderwärmung infrage stellen. Nutzerinnen und Nutzer benutzten beispielsweise einzelne Wetterereignisse, um den Gesamttrend der weltweiten Erderwärmung anzuzweifeln oder verneinten den wissenschaftlichen Konsens zum menschengemachten Klimawandel. Faktenchecks zum Thema Klima sammelt AFP hier.
Fazit: Die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre liegt aktuell bei rund 423 ppm, also einer Konzentration von 0,0423 Prozent. Das bedeutet allerdings nicht, dass CO2 keinen Einfluss auf die Erderwärmung hat. Kohlendioxid trägt aufgrund des Treibhauseffekts zum Klimawandel bei. Dass der Mensch dafür verantwortlich ist, ist in der Wissenschaft unbestritten.