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August 2023: Mehr Strom aus Windkraft als Import-Überschuss

Seit dem Ausstieg aus der Atomkraft und dem absehbaren Ende der Kohle in Deutschland wird heftig über die Stromversorgung gestritten. Doch nicht immer stimmen dabei die Argumente. So verbreitet sich seit Februar 2024 ein Interviewausschnitt mit «Börse Online»-Chefredakteur Frank Pöpsel, worin der Diplom-Volkswirt die Sicherheit der Stromversorgung im Sommer 2023 anzweifelt. «Im August hat Deutschland mehr Strom importiert als alle 28 000 Windräder zusammen produziert haben», behauptet er im Februar 2024. Und zudem: «Wir haben fast so viel Strom aus den Nachbarländern gekauft wie alle Solaranlagen zusammen im Sommer erzeugt haben.» Scheinbar starke Punkte, doch führen beide Angaben in die Irre.

Bewertung

Man kann Importe nicht losgelöst von Exporten sehen, der Saldo ist ausschlaggebend. Der Import-Überschuss lag im August 2023 klar unter der in Deutschland produzierten Windkraft an Land und auf dem Meer. Genauso haben Solaranlagen im Sommer viel mehr zur Stromerzeugung beigetragen als der Import-Überschuss.

Fakten

Schon Monate vor Pöpsel war die Falschbehauptung über den angeblich höheren Stromimport im August 2023 fast wortgleich auf der Plattform «Nius» und über den X-Account des Autors verbreitet worden. Auch da waren die Zahlen bereits irreführend, wie die Daten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) beweisen.

Deutschland Teil des europäischen Stromhandels

Die Bundesrepublik handelt seit Jahrzehnten im Rahmen des europäischen Energiemarktes mit anderen EU-Staaten in Sachen Strom. Die allerseits gewollte Zusammenarbeit der Länder soll ermöglichen, Geld und Emissionen einzusparen. Das heißt: Strom wird sowohl importiert als auch exportiert – und damit innerhalb des Staatenbundes dorthin weitergereicht, wo er benötigt wird.

Es gibt Zeiten, zu denen für Deutschland die Elektrizität von den Nachbarn billiger ist als die hierzulande produzierte. Vor allem Strom aus erneuerbaren Energien wird immer preiswerter im Vergleich zur konventionellen Variante. Ein möglicher Mehr-Import ist in diesen Fällen also kein Zeichen für eine Abhängigkeit, sondern eine wirtschaftliche Entscheidung.

Während zuvor Deutschland Jahr für Jahr mehr Strom aus- als eingeführt hat, war es 2023 das erste Mal in den vergangenen 20 Jahren anders herum: Der Stromtauschsaldo, also die Differenz des Stromflusses aus dem Ausland nach Deutschland und aus Deutschland ins Ausland, ergab im vergangenen Jahr ein Plus der Importe.

Strommarkt im August

Aber wie sah es nun im August 2023 aus? War es tatsächlich so, wie Pöpsel und «Nius» behaupten? Nein.

Im grenzüberschreitenden Handel erhielt Deutschland in besagtem Monat rund 8,0 Terawattstunden (TWh) Strom von anderen europäischen Staaten. Andererseits lieferte die Bundesrepublik aber auch an ihre Nachbarn, nämlich in etwa 2,2 TWh. Der Import-Überschuss betrug den Fraunhofer-Zahlen zufolge also 5,85 TWh.

Zählt man hingegen alle Windräder in Deutschland an Land (Onshore) und auf dem Meer (Offshore) zusammen, dann produzierten sie 6,86 TWh Strom im August 2023.

Pöpsel und «Nius» machen anscheinend den Fehler, nur die produzierte Energie der mehr als 28 000 Windräder an Land zu betrachten, nicht aber die mehr als 1500 Offshore-Windenergieanlagen. Zusammengenommen liegen die Werte deutlich über dem des Import-Überschusses.

Solarstrom im Sommer

Auch Pöpsels zweite Behauptung steht auf tönernen Füßen. Dass Deutschland «fast so viel Strom aus den Nachbarländern gekauft [habe] wie alle Solaranlagen zusammen im Sommer erzeugt haben», entspricht nicht den Tatsachen.

In den Sommermonaten Juni, Juli und August lag Fraunhofer ISE zufolge der Import-Überschuss bei 13,25 TWh. Im gleichen Zeitraum produzierten Solaranlagen für das öffentliche Stromnetz in Deutschland 22,29 TWh. Zählt man die Stromproduktion zur Eigenversorgung hinzu, waren es sogar fast 25 TWh.

Gesamtjahr 2023: Erneuerbare führend

Im vergangenen Jahr haben Erneuerbare Energien erstmals den Großteil des deutschen Stromverbrauchs gedeckt. Nach Angaben von Fraunhofer ISE lag ihr Anteil an der öffentliche Nettostromerzeugung bei 59,7 Prozent. «Die Windkraft war 2023 wieder die wichtigste Stromquelle», heißt es. On- und Offshore-Anlagen hätten mit 139,8 TWh zu 32 Prozent beigetragen. Photovoltaik-Anlagen haben demzufolge in etwa 59,9 TWh erzeugt. 53,5 TWh davon wurden ins öffentliche Netz eingespeist und 6,4 TWh für den Eigenbedarf genutzt.

Im grenzüberschreitenden Stromhandel gab es 2023 einen Import-Überschuss von gerade einmal 11,7 TWh. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum lag die gesamte öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland einer aktuelle Fraunhofer-Grafik zufolge bei 433,1 TWh.

(Stand: 11.4.2024)

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Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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