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Diese Behauptungen zu Sozialleistungen für ukrainische Geflüchtete sind falsch

Online kursieren zahlreiche Falschinfos über Sozialleistungen für ukrainische Geflüchtete. Zuletzt hieß es fälschlich, diese würden Mindestsicherung in Österreich beziehen, allerdings weiterhin in der Ukraine leben. Beweis dafür seien ausgebuchte Busse von Wien nach Kiew. Ukrainische Geflüchtete in Österreich erhalten jedoch nur Grundversorgung und Familienbeihilfe, was deutlich unter der Mindestsicherung liegt. Das ist gesetzlich festgelegt und wurde vom zuständigen Ministerium sowie Fachleuten bestätigt. Reisen in die Ukraine können zum Verlust dieser Unterstützung sowie des Aufenthaltsrechts führen.

„Die Flixbusse von Wien nach (!) Kiew sind weiterhin gut gebucht. Die ‚Flüchtlinge‘ fahren nach der Abholung der Sozialleistungen wieder nach Hause. Bis zum nächsten Monat“, hieß es in einem Facebook-Beitrag vom 15. März 2025. „Die Mindestsicherung beträgt in Österreich maximal 1.572,- Euro pro Kopf und Monat. In Österreich sind knapp 80.000 Ukrainer gemeldet. Alle sind zum Bezug der Mindestsicherung berechtigt, da sie rechtlich den Österreichern gleich gestellt wurden.“ Auch auf X wurde die Behauptung vielfach geteilt.

In manchen Postings wird in diesem Zusammenhang auf einen Artikel der rechten österreichischen Website unzensuriert.at verlinkt, die AFP bereits mehrfach überprüft hat. In dem Artikel vom 18. März 2025 wird ebenfalls angedeutet, ukrainische Geflüchtete würden in Österreich „Sozialbetrug“ betreiben, wie es wörtlich heißt. „Die Flix-Busse zwischen Wien und Kiew sind hoffnungslos ausgebucht. Was steckt dahinter?“, und „Schlimmer Verdacht: Holen sich Ukrainer die Sozialhilfe in Österreich nur ab?“, ist darin etwa zu lesen.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 10. April 2025

Die online geteilte Behauptung ist jedoch falsch.

Drei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs lebten im Frühjahr 2025 fast 90.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Österreich. Seit März 2022 haben ukrainische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Österreich durch die Vertriebenen-Verordnung die Möglichkeit, einen temporären Schutzstatus zu erhalten. Dieser wurde zuletzt bis März 2026 verlängert und gewährt Rechte wie etwa das Aufenthaltsrecht sowie den Zugang zum Arbeitsmarkt, zu gewissen sozialen Leistungen, Bildungsangeboten und medizinischer Versorgung. Ukrainische Staatsangehörige müssen demnach keinen Asylantrag stellen.

Keine Mindestsicherung für ukrainische Geflüchtete in Österreich

Anders als online behauptet, haben ukrainische Geflüchtete in Österreich jedoch keinen Zugang zur Mindestsicherung. Im Jahr 2019 wurde mit dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz in Österreich ein neues System geschaffen, das anstelle von Mindeststandards nun Maximalbeträge festlegt. Die Höhe dieser Sozialhilfe, die etwa in Tirol noch Mindestsicherung heißt, beträgt im Jahr 2025 laut Informationen des Sozialministeriums für Alleinlebende und Alleinerziehende maximal rund 1200 Euro. Für Paare wurde ein Maximalbetrag von rund 1700 Euro festgelegt. Die Beträge werden zwölf Mal pro Jahr gewährt. Das Sozialministerium verlinkt online zudem auf die unterschiedlichen Sozialhilfe-Gesetze der Länder, die das Bundesgesetz konkretisieren.

Ein Anspruch auf Sozialhilfe besteht in ganz Österreich jedoch nur für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sowie des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), sofern sie in Österreich erwerbstätig sind oder bereits seit über fünf Jahren hier leben. Drittstaatsangehörige können Sozialhilfe beziehen, wenn sie sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig in Österreich aufhalten. Auch anerkannte Flüchtlinge mit Asylstatus sind bezugsberechtigt. Geflüchtete aus der Ukraine haben darauf jedoch keinen Anspruch, wie Asylrechtsexperte Lukas Gahleitner-Gertz vom Verein asylkoordination auf AFP-Anfrage am 11. April 2025 schrieb.

Ukrainische Staatsangehörige erhalten Grundversorgung im Inland

„Vertriebene aus der Ukraine haben Anspruch auf Grundversorgung, Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld“, führte Gahleitner-Gertz aus. Und das sei „wesentlich geringer“ als Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung. Die Grundversorgung wird in Österreich hilfs- und schutzbedürftigen Fremden – also ohne Eigenmittel – gewährt, um ihre täglichen Grundbedürfnisse abzudecken. Obwohl die maximalen Leistungen je nach Bundesland variieren, liegen sie generell deutlich unter dem Niveau der Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung. Einzelpersonen, die in privaten Unterkünften leben, haben laut Bundesrecht Anspruch auf einen monatlichen Mietzuschuss von bis zu 165 Euro sowie auf Verpflegungsgeld in Höhe von maximal 260 Euro. Eine Familie bekommt 330 Euro Mietzuschuss, für ein Kind gibt es 145 Euro Verpflegungsgeld.

Darüber hinaus haben ukrainische Geflüchtete ebenso Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld – das jedoch „an die Grundversorgungsleistung angerechnet wird“, wie Gahleitner-Gertz erklärte. Bei Kindern besteht zudem ein Anspruch auf Familienbeihilfe. Diese variiert je nach Alter und Anzahl der Kinder, für das Kalenderjahr 2025 liegt die Summe für ein Kind ab zehn Jahren beispielsweise bei 171,80 Euro pro Monat.

Auch von Seiten des Flüchtlingskoordinators für ukrainische Vertriebene im Innenministerium hieß es gegenüber AFP am 10. April 2025: „Ukrainische Vertriebene haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung.“ Geflüchtete aus der Ukraine können stattdessen Grundversorgung und gegebenenfalls Familienbeihilfe beziehen, bestätigte das Ministerium. Allerdings: „Vertriebene, die Grundversorgung beziehen und das Staatsgebiet verlassen, erhalten keine Leistung für den Zeitraum ihrer Abwesenheit.“

Für Auslandsreisen bestehe eine Meldepflicht, die etwa über verpflichtende Meldungen der Quartiergeber kontrolliert werde. „Bei Missbrauch drohen Rückforderung und Aberkennung der Hilfsbedürftigkeit und damit der Grundversorgung“, schrieb ein Pressesprecher für das Innenministerium. Das bestätigte auch Asylrechtsexperte Gahleitner-Gertz: „Der Anspruch besteht nur, wenn Personen in Österreich sind. Reisen sie aus, müssen sie das bekanntgeben und die Leistung wird für diese Zeit gestrichen.“ Zudem können ukrainische Geflüchtete ihr Aufenthaltsrecht in Österreich verlieren, wenn diese in einen anderen Staat übersiedeln – also das Land „nicht nur kurzfristig verlassen“, wie gesetzlich festgelegt ist.

Ein Bus des deutschen Fernbusunternehmens Flixbus fährt am 19. Mai 2015 am Opernhaus Palais Garnier in Paris vorbei – Thomas SAMSON / AFP

Auf AFP-Anfrage erklärte eine Pressesprecherin des Verkehrsunternehmens Flixbus mit Sitz in München, dass es täglich Busverbindungen von Wien nach Kiew und zurück gebe. Die Nachfrage sei bereits seit Frühjahr 2022 „sehr hoch“, in den letzten Monaten allerdings „leicht zurückgegangen“, hieß es in einer E-Mail vom 9. April 2025. Vielfach handle es sich dabei jedoch auch um Umsteigeverbindungen von Wien nach Kiew. Selbst bei der Buchung einzelner Teilstrecken werden diese Verbindungen als vollständig ausgebucht angezeigt. „Uns sind keine Auffälligkeiten bei Fahrten in die Ukraine bekannt“, erklärte die Sprecherin weiter. Sie erläuterte zudem, dass auch Beschäftigte von Hilfsorganisationen sowie Medienschaffende Flixbusse zur Reise in die Ukraine und wieder zurück nutzen.

Laut Angaben auf der Flixbus-Website liegt der Preis für eine einfache Fahrt von Wien nach Kiew zwischen rund 60 und 100 Euro – ein Betrag, der einen großen Teil der monatlichen Grundversorgung in Österreich ausmachen würde. Hinzu kommt, dass sich der Anspruch auf finanzielle Unterstützung während einer Abwesenheit aus Österreich entsprechend reduziert. Bei einer Gegenüberstellung der Kosten einer Busfahrt mit den gewährten Unterstützungsleistungen scheint es daher wenig plausibel, dass Geflüchtete aus der Ukraine Sozialleistungen in Österreich beziehen und anschließend wieder in die Ukraine reisen.

Bereits im Jahr 2022 und 2023 kursierten ähnliche Falschbehauptungen im Zusammenhang mit Sozialleistungen für Geflüchtete. Alle Faktenchecks zur Ukraine sammelt AFP auf ihrer Website.

Fazit: Online kursierte die Falschbehauptung, ukrainische Geflüchtete würden in Österreich Sozialleistungen beziehen, während sie tatsächlich in der Ukraine leben würden. Als angeblicher Beleg dafür wurden vollbesetzte Busse von Wien nach Kiew genannt. Tatsächlich steht ukrainischen Vertriebenen in Österreich lediglich die Grundversorgung sowie gegebenenfalls Familienbeihilfe zu – beides Leistungen, die deutlich unter der Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe liegen.

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Migration, Politik, Ukraine

Autor(en): Katharina ZWINS / AFP Österreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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