Frau erklärt im Video Bezahlfunktion von chinesischer App - Featured image

Frau erklärt im Video Bezahlfunktion von chinesischer App

Auf einem Bild, das von zahlreichen Facebook-Nutzern geteilt wird, steht eine Frau vor einer Ladestation für Elektrofahrzeuge. Offenbar stammt die Aufnahme aus China, im Hintergrund sind chinesische Schriftzeichen sowie die Zahl 550 zu sehen. Mehrere Nutzer verbreiten dieses Bild mit der Behauptung, in China könnten «dank digitaler Währung nur Menschen mit einem Sozialkreditwert von 550 oder mehr ihr Elektroauto aufladen (…)». Was hat es mit dem Bild auf sich?

Bewertung

Das Bild stammt aus einem Video, in dem eine Frau eine Funktion der chinesischen App WeChat vorstellt. Dabei geht es um ein Belohnungssystem für die Kreditwürdigkeit des App-Nutzers.

Fakten

Bei dem Bild handelt es sich um einen Screenshot aus einem Video: Der Originalclip wurde auf der Plattform Douyin gepostet – dem chinesischen Pendant zu Tiktok. Die Frau erklärt darin, wie ein Zahlungsmodell der App WeChat funktioniert, indem sie das Aufladen eines Elektroautos demonstriert.

Die chinesische App WeChat, in China unter Weixin bekannt, umfasst neben einem Messaging-Dienst einen eigenen Bezahldienst namens WeChat Pay. Dieser bietet Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit, Kredite aufzunehmen, die später zurückgezahlt werden müssen.

App belohnt gute Bonität der Nutzer mit Vorteilen

Um die Zuverlässigkeit der Nutzerinnen und Nutzer bezüglich ihrer Kreditrückzahlungen zu messen, werden Daten über Kreditwürdigkeit und Verlässlichkeit der Kunden gesammelt. Anhand eines Belohnungssystems vergibt die App Punkte, die Nutzer beispielsweise sammeln können, wenn sie die aufgenommenen Kreditsummen pünktlich zurückbezahlen oder die App-Funktionen häufig nutzen.

Sucht man den chinesischen Schriftzug auf dem Plakat mittels einer Google-Suche, so gelangt man auf die Webseite der App. Hier lässt sich nach Übersetzung der Webseite nachlesen, wie die Zahlung mit dem WeChat Score funktioniert. Demnach handelt es sich bei den auf dem Screenshot gezeigten 550 Punkten um eben jenen WeChat Score.

Das geht auch aus einem Faktencheck der Australian Associated Press hervor, der sich mit demselben Screenshot befasst hat. Kunden, die unter jenem Score liegen, wird das Aufladen der E-Autos nicht verweigert, sondern sie müssen lediglich vorab bezahlen. Erst ab 550 Punkten und einer dementsprechend hohen Kreditwürdigkeit können WeChat-User die «Später bezahlen»-Funktion in Anspruch nehmen.

Kreditwürdigkeit wird auch in Deutschland überprüft

Dass Kunden auf Basis ihrer Verlässlichkeit und Bonität bewertet werden, ist nicht neu: In Deutschland bewerten Banken vor der Vergabe eines Kredits ebenfalls die Kreditwürdigkeit – beispielsweise anhand des Einkommens, vorhandenen Sicherheiten, dem Vermögen der Antragsteller oder der Firmenbilanz. Je besser die finanzielle Situation des Kunden, desto niedriger schätzen Banken das Risiko ein, dass Kreditraten nicht zurückgezahlt werden.

In Europa sind zudem sogenannte Payback-Bonusprogramme beliebt. Kunden können dabei beispielweise mit ihrem Einkauf in einem Supermarkt Punkte sammeln und später einlösen – zugleich geben sie Daten über ihr Einkaufsverhalten preis. Verbraucherschützer kritisieren solche Programme aufgrund von Datenschutzbedenken.

Vor chinesischen Bezahl-Apps – wie jener von WeChat – warnte 2019 indes der Verfassungsschutz. Da die Server in China stehen, könne ein Zugriff staatlicher chinesischer Stellen nicht ausgeschlossen werden.

Social Scoring, China und das «Sozialkreditsystem»

Bonitätsprüfungen von kommerziellen Akteuren sind eine Form des sogenannten Social Scorings. Die Idee dahinter ist es, anhand von Daten das soziale Verhalten von natürlichen oder juristischen Personen auszuwerten, vorherzusagen und zu steuern. Social Scoring bildet damit die Grundlage für das, was im Allgemeinen unter dem Stichwort «Sozialkreditsystem» verstanden wird.

Dieser Begriff taucht primär in Zusammenhang mit China auf und beschreibt ein staatliches Überwachungssystem. Das Gabler Wirtschaftslexikon beschreibt es als «elektronisches Überwachungs-, Erfassung- und Bewertungssystem». Bürgerinnen und Bürger werden im Rahmen des Systems je nach Lebenssituation, Sozialverhalten oder Wirtschaftsaktivitäten mit Punkten bewertet.

China treibt ein solches staatliches System von vernetzten Social-Scoring-Systemen Berichten zufolge tatsächlich voran. In mehreren Städten wurde Projekte gestartet: Der Deutschlandfunk berichtete 2017 von einer Testphase in der Stadt Rongcheng: Wer sich nach den Vorgaben der chinesischen Regierung verhält, solle belohnt werden. Wer hingegen die Erwartungen nicht erfüllt, müsse Konsequenzen wie den Ausschluss aus Flugzeugen und Bahnen fürchten.

Ein Analyst des Berliner China-Thinktanks Merics bemängelt jedoch, dass es zu dem Thema viele Mythen gibt. So existiere in China bisher kein landesweiter Sozialkreditwert für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger. Außerdem seien einige Projekte aufgrund von Widerstand in der Bevölkerung nicht weitergeführt oder aber geändert worden, schreibt der Merics-Analyst. Einige Systeme setzten mittlerweile auf freiwillige Teilnahme und Belohnungen statt Sanktionen.

(Stand: 27.9.2024)

Fact Checker Logo

Klimawandel, Wirtschaft, Verbraucher

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

Nach oben scrollen