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Kein Beleg für Verzögerung einer Notfallsituation bei Klimaprotest

Die Straßenblockaden der Klima-Gruppe Letzte Generation erregen viel Aufmerksamkeit – sei es aus Solidarität mit ihrem Anliegen oder aus Frust aufgrund von Staus. Immer wieder wird auch darüber diskutiert, ob derartige Aktionen Notfälle behindern. Ein solcher Vorwurf wird aktuell anhand eines Videos erhoben, das sich in sozialen Medien verbreitet. «Klima-Terroristen der letzten Generation nehmen bewusst den Tod einer schwer kranken Frau in Kauf, welche auf den Weg ins Krankenhaus war», heißt es in einem Facebook-Post. Doch diese Behauptung stellt die Situation nicht korrekt dar.

Bewertung

Es gibt keinen Beleg, dass die im Video gezeigte Klimablockade einen Krankenhaus-Notfall verzögert hat. Die Polizei, die vor Ort war, hat nach eigenen Angaben keine derartige Situation dokumentiert. Ein Rettungswagen, der vor Ort war, sei nicht zum Einsatz gekommen. Auch die Letzte Generation widerspricht der falschen Interpretation der Szene.

Fakten

Die Straßenblockade aus dem Video fand abends am 16. Februar 2023 in Oldenburg statt. Das bestätigte die Polizei Oldenburg der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage. Auch eine Klimaaktivistin bestätigte dies der dpa, ein Tweet der Gruppe Letzte Generation vom 16. Februar erwähnt zudem den Protest in Oldenburg. Die Blockade fand auf der Straße Staugraben, Ecke Osterstraße statt – auf einer Aufnahme von Google Maps sind eine Filiale der Deutschen Bank und Straßenschilder wiederzuerkennen.

Von einer Autofahrerin, die dringend eine kranke Person in die Klinik bringen musste, wurde dabei nichts bekannt. Die beschriebene Notfallsituation «ist bei der Polizei nicht dokumentiert», teilte Stephan Klatte, Sprecher der Polizei Oldenburg, auf dpa-Anfrage mit. «Der bereits zu Beginn der Versammlung angeforderte Rettungswagen kam nicht zum Einsatz.»

Auch eine Protestteilnehmerin der Letzten Generation, die die Szene mit der aufgebrachten Autofahrerin miterlebt hat, schilderte der dpa nichts von einer Notfallsituation. «Es gab keine kranke Person im Auto», so die Aktivistin. Demnach habe die Frau ihren Mann im Krankenhaus besuchen wollen. Eine Aktivistin habe sie darauf hingewiesen, dass die Polizei eine Rettungsgasse bilden könne bei einem Notfall, da nicht alle Protestteilnehmer festgeklebt seien. Darauf sei die Frau nicht eingegangen.

Auch in dem kursierenden Video wird nicht angesprochen, dass es tatsächlich eine Notfallsituation gab. Die aufgebrachte Frau sagt: «Du musst eine Rettungsgasse bilden» und «Ich muss da durch», doch nennt selbst in dem kurzen Clip keinen konkreten Grund dafür.

Im Video sind weitere Stimmen zu hören, die sagen: «Da muss einer ins Krankenhaus» und «Sie haben doch die Frau gehört, dass sie ins Krankenhaus muss». Dies deckt sich mit den Angaben der Demonstrantin der Letzten Generation, belegt aber ebenfalls keine Behinderung einer Fahrt mit einer kranken Person.

Insgesamt war die Straße rund eine halbe Stunde blockiert. Die Polizei wurde nach eigenen Angaben um 17.59 Uhr von Verkehrsteilnehmern informiert, dass sich dort auf der Fahrbahn eine Gruppe von Klimaaktivisten festgeklebt habe. Wenige Minuten später sei ein erster Streifenwagen vor Ort gewesen. Vorsorglich sei ein Rettungswagen angefordert worden. Die Blockade deklarierte die Polizei als Versammlung – dies ist ein übliches rechtliches Vorgehen.

Um 18.14 Uhr habe die Polizei die Versammlung der sechs Klimaaktivisten aufgelöst und die ersten drei Personen, deren Hände nicht festgeklebt waren, von der Straße getragen. Mit chemischen Mitteln seien dann die Hände der restlichen drei Personen gelöst worden. Um 18.25 Uhr sei die Straße Staugraben wieder freigegeben worden.

Von den sechs Klimaaktivisten habe die Polizei im Anschluss an die aufgelöste Versammlung die Personalien aufgenommen. Sie hätten sich laut Polizei friedlich und kooperativ verhalten und seien dem Platzverweis durch die Polizei unverzüglich nachgekommen. Ein Verkehrsteilnehmer habe gegen die sechs Klimaaktivisten Anzeige wegen Nötigung erstattet.

(Stand: 23.2.2023)

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Politik, Gesellschaft, Umwelt

Autor(en): dpa

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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