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Lebensmittel aus Insekten müssen in der EU gekennzeichnet und teilweise mit Allergiehinweisen versehen werden

Ob ein Produkt Insekten enthält, muss laut Gesetz auf der Verpackung angegeben werden. In sozialen Netzwerken kursieren seit Mitte Januar 2023 Behauptungen, wonach Menschen künftig Insekten essen werden, ohne es zu wissen. Zudem würde nicht auf mögliche allergieauslösende Stoffe hingewiesen, heißt es. Tatsächlich sind Hersteller in der EU verpflichtet, auf Inhaltsstoffe aus Insekten und potenzielle Allergene hinzuweisen. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sind Nahrungsmittel aus Insekten sicher und nicht gesundheitsschädlich.

Ein Beitrag mit irreführenden Behauptungen zur Kennzeichnung von Lebensmitteln, die Insekten enthalten, wurde seit Mitte Januar hundertfach auf Facebook (hier, hier) geteilt. Die Behauptungen verbreiteten sich zudem auf Twitter und Telegram sowie auf Englisch, Französisch, Polnisch, Tschechisch und Slowakisch.


Die Behauptung:
„Die Menschen werden nun Insekten fressen, ohne es zu wissen“, heißt es in dem Beitrag, der aktuell auf Facebook kursiert. Die EU habe Anfang 2023 die Genehmigung erteilt, Insekten „in Backwaren, Teigwaren und andere Teilfertigprodukte beizumischen“. Angeblich gebe es keine Vorschriften, Lebensmittel, die Insekten enthalten, mit Hinweisen auf mögliche allergische Reaktionen zu versehen. „Das bedeutet: Die Menschen müssen selbst in Erfahrung bringen, dass ‚Acheta domesticus‘ zu Pulver gemahlene, beigemengte Hausgrillen sind, und müssen eigenverantwortlich prüfen, ob sie darauf allergisch reagieren könnten.“

Screenshot der Behauptung auf Facebook: 27. Januar 2023

Im Januar 2023 erteilte die Europäische Kommission Pulver aus Hausgrillen und den Larven des Getreideschimmelkäfers die Zulassung als Lebensmittel in der EU. In der Europäischen Union dürfen einzelne Insekten bereits seit anderthalb Jahren als Lebensmittel verarbeitet werden. Dazu gehören die Larven des Mehlkäfers, Wanderheuschrecken und Hausgrillen. AFP hat in diesem Zusammenhang bereits Behauptungen überprüft, wonach Chitin aus Insekten Krankheiten verursache und Insekten für Säugetiere ungenießbar seien

Die Behauptungen in den aktuell geteilten Postings beziehen sich insbesondere auf das Risiko allergischer Reaktionen gegen diese neuartigen Lebensmittel. „Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch hoch, wer Allergien gegen Krebstiere, Weichtiere und Hausstaubmilben besitzt, beim Verzehr von Produkte mit beigemischte[n] Hausgrillen, ebenfalls allergische Reaktionen zu erleiden“, heißt es.

Insekten müssen in der Zutatenliste angegeben werden

Tatsächlich sind die Regeln für die Kennzeichnung der Inhaltsstoffe und möglicher Allergene in den Zulassungsverordnungen der Europäischen Kommission recht deutlich. Die beiden neuen Verordnungen, die Anfang Januar veröffentlicht wurden, regeln sowohl die Herstellung als auch die Vermarktung der neuen Produkte.

Die erste betrifft teilweise entfettetes Pulver aus Hausgrillen (Acheta domesticus), die zweite die gefrorenen, pastösen oder pulverförmigen Larven des Getreideschimmelkäfers (Alphitobius diaperinus). Während Hausgrillen in anderer Form bereits seit Februar 2022 in der EU als Lebensmittel zugelassen sind, ist der Getreideschimmelkäfer das vierte Insekt, das für den Verzehr freigegeben wurde.

Wie in der EU-Verordnung über „neuartige Lebensmittel“ vorgeschrieben, müssen die Hersteller von Zutaten auf Insektenbasis eine Reihe von Bedingungen erfüllen, um eine Marktzulassung zu erhalten. Neben der Bestätigung durch eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten – und nicht nur durch die Europäische Kommission, wie in den aktuell geteilten Postings behauptet wird – muss jede dieser Zulassungen von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) genehmigt werden. Hierzu werden die Produkte auf ihre Sicherheit und Verträglichkeit geprüft.

Die Zulassungsverordnungen geben darüber hinaus klare Regeln für die Kennzeichnung der Produkte vor und verpflichten die Hersteller, den Namen dieser Lebensmittel in lateinischer und deutscher Sprache in der Zutatenliste anzugeben, wie die Dokumente unten zeigen. „In der Zutatenliste muss klar angegeben werden, dass diese Zutat in dem Produkt enthalten ist“, bestätigte die Europäische Kommission am 24. Januar 2023 gegenüber AFP.

Screenshot der Zulassungsverordnungen der Europäischen Kommission für Pulver aus Hausgrillen als Lebensmittel: 2. Februar 2023 (Hervorhebungen durch AFP)
Screenshot der Zulassungsverordnungen der Europäischen Kommission für Larven des Getreideschimmelkäfers als Lebensmittel: 2. Februar 2023 (Hervorhebungen durch AFP)

Gesetzlich vorgeschriebene Allergiehinweise

Auch wenn Lebensmittel aus Insekten nach Auffassung von Experten ungefährlich sind, können bestimmte Arten bei Menschen, die allergisch gegen Schalentiere und Hausstaubmilben sind, allergische Reaktionen auslösen. Der Stoff, der die allergische Reaktion hervorruft, ist das Muskelprotein Tropomyosin.

Hersteller von Lebensmittel, die Insekten enthalten, sind verpflichtet, eine „angemessene“ Kennzeichnung ihrer Produkte zu gewährleisten, wie es in den beiden neuen Zulassungen heißt. „Die Gesetzgeber müssen dies bei der Entscheidung über die Kennzeichnung genauso berücksichtigen, wie sie es bei anderen Allergenen oder Lebensmitteln tun, die allergische Reaktionen auslösen können“, erklärte ein Sprecher der Efsa am 25. Januar 2023 gegenüber AFP. Nach den Regeln der EU-Kommission müsse der Name der Insekten Teil der Zutatenliste auf der Verpackung des Lebensmittels sein. „Außerdem muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass einige dieser Produkte Allergien auslösen können.“

Lebensmittel, die die Larven des Getreideschimmelkäfers enthalten, müssen daher mit einem entsprechenden Warnhinweis versehen werden. „Die Kennzeichnung der Lebensmittel, die Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer) in gefrorener, pastenartiger, getrockneter oder pulverisierter Form enthalten, muss mit dem Hinweis versehen sein, dass diese Zutat bei Verbrauchern, die bekanntermaßen gegen Krebstiere und Erzeugnisse daraus sowie gegen Hausstaubmilben allergisch sind, allergische Reaktionen auslösen kann“, heißt es im Verordnungstext.

Essbare Insekten, die weltweit verzehrt werden

Das bestätigte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) am 30. Januar 2023 auf AFP-Anfrage: „Bei der Zulassung von neuartigen Lebensmitteln wird auch deren Kennzeichnung festgelegt.“ Neben den allgemeinen Bestimmungen aus der Verordnung „Information der Verbraucher über Lebensmittel“ müssen Produkte, in denen Larven des Getreideschimmelkäfers enthalten sind, einen Allergiehinweis tragen.

Auch wenn Insekten laut EU-Regeln in der Zutatenliste von Lebensmitteln aufgeführt sein müssen, kritisiert die Verbraucherzentrale diese Regelungen als unzureichend. Sie fordert, Insekten in den Inhaltsstoffen deutlich hervorzuheben und die Allergenkennzeichnung um mögliche Kreuzallergien zu erweitern.

Lebensmittel, die „keine Gefahr“ darstellen

Abgesehen vom Allergierisiko hat die Efsa in ihren wissenschaftlichen Gutachten darauf hingewiesen, dass die neu zugelassenen Produkte „keine Gefahr“ darstellen. „Die derzeit zugelassenen Insekten sind für den menschlichen Verzehr sicher. Neuartige Lebensmittel wie Insekten können nur zugelassen werden, wenn sie kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen“, erklärte der Sprecher der Efsa gegenüber AFP.  Jedes Mal, wenn ein Lebensmittelhersteller eine neue Insektenart in seinen Produkten verwenden möchte oder wenn sich die Verwendungszwecke oder die Art der Erzeugung ändern, müsse ein neuer Antrag gestellt und eine neue Sicherheitsbewertung durchgeführt werden.

Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält Lebensmittel aus Insekten für sicher. Am 1. Februar 2023 schrieb eine Sprecherin der Behörde auf AFP-Anfrage: „Beim Verzehr von in der EU zugelassenen Insekten sind daher grundsätzlich keine gesundheitsschädlichen Wirkungen zu erwarten.“ Das BfR wies darauf hin, dass Insekten in zahlreichen außereuropäischen Regionen auf der ganzen Welt verzehrt werden, ohne dass dadurch gesundheitsschädliche Effekte bekannt wären.

Insekten zum Verzehr auf einem Markt in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh

Milliarden Menschen essen Insekten

Während der Verzehr von Insekten in Europa ein relativ neues Phänomen ist, gehören sie schon seit Tausenden von Jahren zur menschlichen Ernährung. Auch heute ernähren sich weltweit etwa zwei Milliarden Menschen von Insekten

Ein Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) aus dem Jahr 2021 bezeichnet Insekten als „aussichtsreiches Mittel zur Bewältigung der Ernährungsunsicherheit durch eine steigende Weltbevölkerung ohne gleichzeitig die Umwelt zu schädigen.“

Fazit: Enthalten Lebensmittel Insekten, muss dies nach EU-Regelungen in der Zutatenliste sowohl in deutscher als auch in lateinischer Sprache angegeben werden. Produkte, die die Larven des Getreidekäfers enthalten, müssen entsprechende Allergiehinweise tragen. Der Verzehr von Insekten, die in der EU als Lebensmittel zugelassen sind, ist ungefährlich und birgt keine gesundheitlichen Gefahren.

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Politik, Wirtschaft, Verbraucher, Gesundheit, EU

Autor(en): Nathan GALLO, Feliks TODTMANN, AFP Frankreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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