Plakat, das Obdachlose in den USA auffordert, in den Ukrainekrieg zu ziehen, ist gefälscht - Featured image

Plakat, das Obdachlose in den USA auffordert, in den Ukrainekrieg zu ziehen, ist gefälscht

Seit Februar 2022 wirbt die ukrainische Verteidigungslegion auch im Ausland dafür, die Ukraine im Krieg gegen Russland zu unterstützen. Ein vermeintliches Plakat der Fremdenlegion, das sich angeblich an Sozialhilfeempfänger in den Vereinigten Staaten richtet, hat allerdings nichts damit zu tun. Es sei gefälscht, heißt es von ukrainischer Seite. Auch Ungereimtheiten in der Formulierung deuten auf die Fälschung hin.

Seit Anfang April verbreiten Nutzer und Nutzerinnen die Behauptung auf Facebook. Auch in zahlreichen anderen Sprachen kursierte das angebliche Poster, etwa auf Englisch, Italienisch, Französisch, Russisch, Niederländisch, Spanisch, Rumänisch, Polnisch, Slowakisch oder Vietnamesisch.

Die Behauptung: In der U-Bahn von New York hänge angeblich ein Plakat, das sich speziell an US-amerikanische Obdachlose richte. „Satt, von Sozialhilfe zu leben? Schließ dich der Internationalen Verteidigungslegion der Ukraine an“, steht angeblich darauf. Die Ukraine verspreche medizinische Versorgung und Gehalt für Menschen, die bereit seien, in den Krieg zu ziehen.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 21. April 2023

Die Internationale Verteidigungslegion der Ukraine ist eine Freiwilligenbrigade, die im Februar 2022 aufgestellt wurde, um die russische Invasion des Landes aufzuhalten. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba lud damals auch ausländische Kämpferinnen und Kämpfer ein, die Ukraine zu verteidigen. Die USA rät ihren Bürgerinnen und Bürgern ab, in der Ukraine zu kämpfen. Die deutsche Bundesregierung wolle Staatsbürger zumindest nicht grundsätzlich daran hindern, zu Kämpfen in die Ukraine zu reisen. In Österreich ist die Lage strenger – wer freiwillig in den Militärdienst eines anderen Staates eintritt, verliert die Staatsbürgerschaft.

Über den Krieg mit Russland, genauso wie über ukrainische Behörden, werden seit dem Einmarsch russischer Truppen im Februar 2022 immer wieder Falschinformationen verbreitet. AFP sammelt Faktenchecks zum Thema hier. Auch das angebliche Plakat ist eine solche Falschinformation.

Ukraine bestreitet Aufruf

Die Ukraine unterhält seit 2021 ein sogenanntes Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation. Auf der Website des Zentrums warnt man vor der Behauptung. Am 5. April veröffentlichte das Zentrum eine Mitteilung, dass „solche Werbung nicht in der New Yorker U-Bahn geschaltet wurde. Außerdem haben die Plakate in der dortigen U-Bahn eine ganz andere Rahmung.“ Die Behauptung werde mit dem Ziel verteilt, die ukrainische Armee und die Regierung der Ukraine zu diskreditieren.

Eine weitere offizielle ukrainische Facebookseite wies das Plakat ebenfalls als Fälschung zurück. Das Zentrum für strategische Kommunikation Spravdi schrieb am 9. April, dass die Nachricht gefälscht sei. Das ukrainische Außenministerium oder die Internationale Verteidigungslegion hätten demnach keine solchen Aufrufe veröffentlicht. Man sehe darin eine „Informationskampagne“, die die Motivation von US-Freiwilligen in der Ukraine auf „persönliches Versagen im Leben“ zurückzuführen versuche.

Mehrere ukrainische Stellen, etwa die Botschaften in Dänemark und Zypern, die permanente UN-Mission der Ukraine sowie das Generalkonsulat in Chicago, verbreiteten das Dementi ebenfalls auf ihren Facebookseiten.

Auf dem Plakat ist als Kontaktmöglichkeit die Telefonnummer der ukrainischen Botschaft in den USA, genauso wie das Logo des ukrainischen Außenministeriums angegeben. Auf Websiten von beiden ist allerdings keine solche Aufforderung an US-Sozialhilfeempfänger zu finden.

Außerdem fand AFP online nur die eine Aufnahme des Plakats, niemand sonst scheint es fotografiert zu haben, obwohl es angeblich an einem öffentlichen Ort hängt.

Optische Auffälligkeiten

Der angebliche Ort des Plakats in der U-Bahn von New York scheint unwahrscheinlich. Wie das ukrainische Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation bereits hinwies, passt der Rahmen nicht zu den in der New Yorker U-Bahn üblichen Werbetafeln. Diese sind etwas breiter, wie ein AFP-Foto aus New York zeigt.

Fahrgast in der New Yorker U-Bahn im Juli 2021 – Daniel Slim / AFP

Das bestätigte auch Sean Butler, ein Sprecher der Metropolitan Transportation Authority (MTA), der Verkehrsgesellschaft von New York. Er schrieb am 21. April: „Dies scheint kein Gegenstand zu sein, der innerhalb des MTA-Netzes platziert wurde und er ist nicht berechtigt, im MTA-Netz angebracht zu werden. Sollte es von einem MTA-Mitarbeiter gesehen werden, müsste er daher entfernt werden.“

Wie ein Faktencheck der Nachrichtenagentur dpa zum Thema hervorhob, sind oberhalb des Plakats außerdem die Nummern von zwei weiteren US-Behörden zu sehen, der Ämter für Arbeitslosenversicherung in Idaho und Kauai. Daneben scheint ein weiterer Infoaushang zu Arbeitslosengeld zu hängen. Auch das passt nicht zur New Yorker U-Bahn.

Während AFP den genauen Aufnahmeort nicht herausfinden konnte, so deutet noch ein weiteres Detail auf eine Fälschung hin: Ein italienischer Nutzer bemerkte zu einem Artikel der italienischen Faktencheck-Organisation „Open Online“ auf Twitter, dass ein ähnlich aussehender Rahmen bereits für eine andere Falschinformation verwendet worden war.

Ein Plakat, das angeblich vom deutschen Bundesverteidigungsministerium stammen sollte, erinnerte angeblich ukrainische Auszubildende daran, dass Hakenkreuze in Deutschland verboten seien. Mehrere Faktencheck-Organisationen (hier, hier) bezeichneten den Aushang als Fälschung.

Vergleich der beiden Aushänge: angeblicher Aufruf an Auszubildende aus der Ukraine in Deutschland (links), angeblicher Aufruf an Sozialhilfeempfänger in den USA (rechts), Screenshots vom 25. April 2023, Hervorhebungen durch AFP

Beide Plakate hängen hinter einer durchsichtigen Plastikfolie mit einem dünnen weißen Rand, die nach oben hin geöffnet ist. An der Öffnung ist jeweils ein halbrunder Ausschnitt zu sehen (orange). Die Abstände zwischen den Aushängen sind ähnlich (rot).

Dazu kommt, dass die Nummer für US-amerikanische Augen unstimmig formatiert ist. Die angegebene Telefonnummer enthält die Landesvorwahl der USA, die innerhalb des Landes nicht benötigt wird. Die Formatierung der Nummer ist außerdem für die USA unüblich. In den Vereinigten Staaten wird eine Nummer meist in Blöcken angegeben: dreistellige Ortskennzahl, drei Ziffern, vier Ziffern. Das Weiße Haus gibt seine Telefonnummer beispielsweise so an.

Die Nummer des angeblichen Plakats ist hingegen in zwei- und dreistellige Blöcke unterteilt. Die Internationale Verteidigungslegion der Ukraine formatiert die Telefonnummer der ukrainischen Botschaft in den USA auf seiner Website so.

Fazit: Die Aufforderung an US-Sozialhilfeempfänger, in den Krieg in der Ukraine zu ziehen, ist eine Fälschung. Mehrere ukrainische Behörden bezeichneten das angebliche Plakat als Fälschung. Die Verkehrsgesellschaft New Yorks schrieb ebenfalls, dass das Plakat nicht aus der dortigen U-Bahn zu stammen scheint.

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Politik, Gesellschaft, Ukraine

Autor(en): Eva WACKENREUTHER / AFP Österreich

Ursprünglich hier veröffentlicht.

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