Bewertung
Es gibt keinerlei Belege, dass es diese Projektionen gab. Details in den Fotos deuten auf eine Bildbearbeitung hin.
Fakten
Laut dem türkischen Staatssender TRT sollen die Projektionen in der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober 2023 in Berlin zu sehen gewesen sein. Doch über Online-Suchen mit entsprechenden Schlagworten oder dem Wortlaut der Schriftzüge (hier und hier) finden sich keine weiteren Aufnahmen. Auch in den sozialen Netzwerken, etwa in der Orts-Suche auf Instagram, gibt es keine weiteren Fotos oder Videos der Aktion. Das ist bei einer öffentlichen Aktion an zwei auch in der Nacht frequentierten Orten in Berlin höchst ungewöhnlich.
Die Berliner Polizei hat ebenfalls keine Kenntnis von solchen Projektionen. Eine Sprecherin sagte auf dpa-Anfrage, dass Einsatzkräfte im fraglichen Zeitraum keine solche Projektionen gesehen hätten und auch keine Notrufe oder Anzeigen zu einem solchen Vorfall eingegangen seien. Die Bundestagsverwaltung teilte auf Anfrage mit, dass sie eine Projektion auf das Reichstagsgebäude nicht bestätigen könne.
Auch über eine vergleichbare Aktion, die möglicherweise länger zurückliegt, ist nichts bekannt. Medienberichte oder Fotos davon gibt es nicht. Die beiden existierenden Bilder wurden mutmaßlich zuerst auf einem deutschsprachigen Pro-Palästina-Account auf Instagram veröffentlicht. Den Metadaten zufolge stammt das Posting vom Freitagabend um rund 21 Uhr Berliner Ortszeit. Sollten die vermeintlichen Fotos auch an diesem Abend aufgenommen worden sein, so würde das nicht zu dem regnerischen und stürmischen Wetter in Berlin an eben jenem Freitag passen.
Frühere Lichtprojektionen zeigten Verzerrungen
An den zwei Bildern fallen weitere Details auf, die eine Bildmanipulation nahelegen. So wirken die Flagge und die Schriftzüge sehr gleichmäßig und glatt. Das passt jedoch nicht zu den unebenen Hintergründen. Die Westseite des Reichstagsgebäudes weist hervorstehende Säulen und Bögen sowie Schmuckelemente rund um die Fenster auf. Der obere Teil des Brandenburger Tores ist mit sogenannten Friesen aus kleinen Figuren geschmückt. Eine echte Projektion auf solche Gebäudeteile müsste eigentlich einige Verzerrungen aufweisen – insbesondere dann, wenn das Foto nicht exakt am Standort des Projektors aufgenommen wurde.
Das sieht man bei anderen, vergleichbaren Aktionen. Im Jahr 2014 strahlte zum Beispiel die Jugendorganisation des Deutschen Gewerkschaftsbundes eine Botschaft zum Thema Mindestlohn an das Reichstagsgebäude. Ganz gleichmäßig ist der Schriftzug dabei nicht. Ein Foto des Brandenburger Tors während einer Projektion Mitte Oktober zeigt beispielhaft die Verzerrungen bei einem seitlichen Blickwinkel. Die projizierte Schrift wirkt aus dieser Perspektive nicht mehr eben.
Kritik an pro-palästinensischer Parole
Die Parole «Free Palestine from German guilt» (Befreit Palästina von der deutschen Schuld) hatte einige Tage vor der vermeintlichen Projektion für Schlagzeilen gesorgt. Gerufen worden war sie bei einer linken Pro-Palästina-Demonstration vor dem Auswärtigen Amt in Berlin. Sie bezieht sich auf die deutsche Verantwortung für den Holocaust, also den industriellen Massenmord an Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus, und die daraus von deutschen Politikern später abgeleitete und immer wieder betonte Unterstützung des Staates Israel. Kritiker warfen den Demonstranten eine Nähe zum rechtsextremen Begriff des «Schuldkults» vor.
Manipulierte Aufnahmen von vermeintlich auf berühmte Gebäude geworfenen Botschaften kursieren immer wieder. Im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine kursierten zum Beispiel bearbeitete Videos mit pro-russischen Botschaften auf dem Reichstagsgebäude, dem Weißen Haus in Washington und einem Gebäude nahe des UN-Hauptquartiers in New York. Im Mai 2023 verbreiteten russischsprachige Accounts Fälschungen, die vermeintlich ein sowjetisches Kriegsbanner auf dem Dach des Reichstagsgebäudes zeigten.
(Stand: 23.10.2023)