Bewertung
Der dargestellte Wert der jährlichen mittleren Niederschlagshöhe allein eignet sich nicht, um etwas über Dürre in Deutschland auszusagen. In der jüngeren Vergangenheit lag der Niederschlag in den meisten Jahren deutlich unter den langjährigen Mittelwerten.
Fakten
Die Grafik stammt aus einem Artikel des Umweltbundesamtes (UBA) aus dem April 2023. Ohne diesen Kontext ist die Darstellung jedoch missverständlich. Denn die Behörde schreibt über den gezeigte Trend: «Er beruht im Wesentlichen darauf, dass die Winterniederschläge zugenommen haben.» Im Sommer hingegen seien die Niederschläge «geringfügig zurückgegangen». Diese Trends beschreibt das UBA in weiteren Grafiken und Tabellen, die die Angaben präzisieren.
Das Umweltbundesamt hat dafür Messwerte des Deutschen Wetterdienstes (DWD) seit dem Jahr 1881 genutzt. Diese finden sich auf der Website der Wetter-Behörde im Bereich Zeitreihen. Bei den Zahlen handelt es sich um Jahressummen, die für ganz Deutschland gemittelt wurden. Angegeben ist auch ein linearer Trend, der ein Plus von 57,7 Millimetern zeigt – was tatsächlich rund sieben Prozent entspricht, wie der DWD auf dpa-Anfrage erklärt.
«Im Sommer bräuchten wir mehr Niederschlag»
Allerdings sagt DWD-Agrarmeteorologe Andreas Brömser über die verwendeten Messwerte: «Von der Niederschlagsmenge allein ist kein Schluss auf die Bodenfeuchte oder Dürre möglich.» Zum einen verweist er auf die Durchschnittstemperaturen, die seit 1881 gestiegen sind. «Je höher die Temperaturen, desto mehr Regen verdunstet auch schnell wieder. Der in Deutschland verzeichnete Anstieg um 1,7 Grad Celsius bedeutet rund zwölf Prozent mehr Verdunstung.»
Wie das Umweltbundesamt nennt auch Brömser die Jahreszeiten als einen weiteren Punkt, der an der Aussagekraft der Jahresniederschlagssumme kratzt: «Der Großteil des Anstiegs fällt in den Winter. Im Sommer hingegen ist der Niederschlag im linearen Trend seit 1881 um rund fünf Prozent zurückgegangen.» Gerade das sei aber zusammen mit dem Frühling der zum Beispiel für die Landwirtschaft wichtige Vegetationszeitraum. «Im Sommer bräuchten wir mehr Niederschlag», sagt Brömser.
Ein Blick auf die UBA-Grafik und auch auf die Darstellung des DWD zeigt zudem: Während der lineare Trend für den gesamten Zeitraum seit 1881 tatsächlich nach oben zeigt, lag der Niederschlag in den meisten Jahren der jüngeren Vergangenheit deutlich unter den verschiedenen Mittelwerten, die für Vergleiche genutzt werden. «Die letzten zehn Jahre sind trockener als der langjährige Trend», sagt Brömser. Allerdings müsse man noch vorsichtig sein bei der Frage, ob es sich dabei um eine längerfristige Entwicklung oder eine Schwankung von ein paar Jahren handele.
Tiefere Bodenschichten weiter sehr trocken
Doch bemerkbar machen sich diese geringeren Niederschläge schon jetzt. Das zeigt ein Blick in den sogenannten Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Dabei handelt es sich um eine Modellierung, die auf Niederschlagsmessungen und Daten zum Beispiel zur Bodenbeschaffenheit beruht und Aussagen über die Bodenfeuchte in Deutschland ermöglicht. Der DWD bietet ein vergleichbares Tool an. Derzeit zeigt sich, dass der Regen der vergangenen Wochen vielerorts für ausreichend oder sogar etwas zu viel Wasser in den oberen Bodenschichten sorgt. Doch um etwas gegen die Trockenheit in den tieferen Schichten zu tun, reicht das nicht aus. Dort gibt es viele Regionen, in denen laut UFZ weiter eine außergewöhnliche Dürre herrscht.
DWD-Meteorologe Brömser sagt über die im Vergleich zu trockenen Jahre in der jüngeren Vergangenheit: «Der Trend ist in allen Bundesländern sehr ähnlich. Die Dürre fällt aber in den Regionen besonders auf, in denen es früher schon trockener war, zum Beispiel in Ostdeutschland.»
Das Umweltbundesamt schrieb 2019 in einem Bericht unter Berufung auf DWD-Angaben, dass die Zahl der Tage mit geringer Bodenfeuchte seit dem Jahr 1961 signifikant zugenommen habe. Für die Jahre 2018 und 2019 sprachen Forschende des Helmholtz-Zentrums und der Tschechischen Agraruniversität in einer Studie mit Blick auf Zentraleuropa von den größten Sommerdürren der vergangenen 250 Jahre. Dem UFZ zufolge verschärft die zunehmende globale Erwärmung das Dürreproblem. Entscheidend ist demnach, wie stark die Temperatur ansteigt.
(Stand: 10.8.2023)